Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1981

Spalte:

203-204

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Paulsen, Henning

Titel/Untertitel:

Studien zur Theologie des Ignatius von Antiochien 1981

Rezensent:

Leder, Hans-Günter

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

203

Theologische Literaturzeitung 106. Jahrgang 1981 Nr. 3

204

innerhalb der Kongregation des Oratoriums beeinflußt hat, wird
lebendig geschildert. Auch als Kardinal blieb er von diesen Einflüssen
her „Seelsorger und Gelehrter" (27). Als er noch vor Vollendung seines
70. Lebensjahres starb, lagen 12 Foliobände seines Hauptwerkes,
der „Annalen", vor, deren Entstehungsgeschichte sehr instruktiv von
Jedin berichtet wird. Bis zum Ende des 12. Jh. war die bis dahin umfangreichste
Darstellung der Kirchengeschichte gediehen. Sie geschah
unter großzügiger Förderung der Kurie, besonders Klemens' VIII.

Wie stark die Einbettung des wissenschaftlichen Werkes von Baro-
nius auch sonst in das kirchliche Geschehen seiner Zeit erfolgte, läßt
eine Bemerkung Jedins zur Motivation der Beschäftigung mit Gregor
von Nazianz erkennen: „Anlaß zur Abfassung der Vita Gregors von
Nazianz war die feierliche Übertragung der Reliquien des Heiligen in
die Gregoriuskapelle der neuen Peterskirche durch Gregor XIII. am
1 I.Juni 1580." (45)

Kritik hat das große, unter zahlreichen Entbehrungen entstandene
Werk des Baronius von Anfang an erfahren, u. a. mit Hinweis auf
nicht genutzte Quellen (51, cf. dazu auch LThK2 I, 1270). Jedin gibt
dankenswerterweise im III. Kap. seiner Arbeit den kritischen Stimmen
auch Raum. So zitiert er die Bedenken Paolo Sarpis, der als
Hauptfehler des Baronius festhalten will, er habe „die gegenwärtig
von den Päpsten ausgeübte Gewalt über die ganze Kirche in das
christliche Altertum" zurückprojiziert (51), so daß das, „was heute
gilt, immer gegolten habe".

Man wird dem Vf. gern bestätigen, daß er das voll erreicht hat, was
er sich als Ziel für die „vorliegende Skizze" (s.o.) stecken wollte.
Berlin Joachim Rogge

Dogmen- und Theologiegeschichte

Paulsen, Henning: Studien zur Theologie des Ignatius von Antiochien
. Vandenhoeck & Ruprecht Göttingen 1978. 226 S. gr. 8' =
Forschungen zur Kirchen- und Dogmengeschichte Bd. 29. Kart.
DM 48,-.

Die Beschäftigung mit Ignatius von Antiochien und seinen Briefen
hat sich in den letzten Jahrzehnten unter verschiedenen Fragestellungen
fast ausschließlich in einer ganzen Reihe von Aufsätzen vollzogen
, wobei, wenn der Rez. richtig sieht, seit den sechziger Jahren
eine zunehmende Publikationsfrequenz zu beobachten ist. So war es
wohl an der Zeit, die Theologie der Ignatianen wieder einmal konzentrierter
zu untersuchen und im Zuge dessen in der Forschung erarbeitete
Detailergebnisse bzw. -gesichtspunkte zugleich einer Zusammenschau
und kritischen Aufarbeitung in einem größeren Zusammenhang
zuzuführen.

Die von H. Paulsen vorgelegten Studien zur Theologie des Ignatius,
1976 an der Ev.-theol. Fakultät in Mainz als Habil.-Schrift angenommen
, wollen „über die Analyse einzelner Aspekte Zugang zur ignatia-
nischen Theologie" gewinnen und die „grundsätzliche Struktur dieses
Denkens" untersuchen (29). P. leitet seine Zielstellung aus einer
kritischen Analyse bedeutender Stationen der Forschungsgeschichte
ab (9-29). die den I. Teil eines Eingangskapitels ausmacht, das unter
die Überschrift „Prolegomena zur Theologie des Ignatius von Antiochien
" gestellt ist (9-59), und dessen 2 größerer Teil dem Verhältnis
des Ignatius zur Überlieferung nachgeht (29-59). Gegenstand der
forschungsgeschichtlichen Übersicht sind nach kritisch-informativen
Bemerkungen zur Geschichte der Text- und Literarkritik vor allem
die einschlägigen Arbeiten von E. v. d. Goltz (1894), H. Schlier
(1929) und H.-W. Bartsch (1940). Aus der kritischen Erhebung der
verschiedenen methodologischen Möglichkeiten, wie sie die Forschungsgeschichte
darbietet, gelangt P. zu der zu unterstreichenden
Folgerung, „daß nur ein Ensemble von einander korrigierenden und
ergänzenden methodischen Schritten ignatianischer Theologie gerecht
werden kann", u. zw. im Sinne einer Zusammenführung des

Methodenpluralismus zu einer Einheit (26). - Damit sind wesentliche
Aspekte der die Studien P.s bestimmenden methodologischen
Grundhaltung angesprochen.

Im 2. Teil der Prolegomena untersucht P. an exemplarischen Problemen
das Verhältnis des Ignatius zur Tradition, vornehmlich zu
den Schriften des Neuen Testaments, wobei freilich die Frage nach
dem Verhältnis des Antiocheners zur Tradition keineswegs schon mit
dem Nachweis literarischer Beziehungen beantwortet ist. P. verfolgt
dann auch mit Recht weitere Dimensionen des Traditionsproblcms
unter der Fragestellung nach der Bedeutung der paulinischen oder
johanneischen Theologie für das Corpus Ignatianum und diskutiert
schließlich das Problem eines formal nicht exakt zu fixierenden Rekurses
auf kirchliche Traditionen, aber auch die Übernahme von Motiven
aus nichtchristlichen Traditionskreisen, - dies alles insofern ein
schwieriges Unterfangen, als von Ignatius aufgenommene Traditionen
ihrerseits bereits „ihre Geschichte gehabt haben" (56). Wesentlich
ist jedoch, daß für Ignatius alle Traditionen inhaltlich am Zentrum
seiner Verkündigung - an Christus - gemessen und legitimiert
werden müssen (58).

Auf dem Fundament seiner methodologischen Konzeption widmet
P. ein 2. großes Kapitel einigen wichtigen Aspekten der Theologie
des Antiocheners (60-109). Als solche erscheinen ihm die Bedeutung
der Eschatologie, das Verhältnis von Paränesc und Theologie, sowie
die spezifische Situation des dem Martyrium bewußt entgegengehenden
Bischofs im Gegenüber zur Gemeinde und die Auswirkungen
dessen auf die theologische Gedankenführung des Ignatius.

Das 3. Kap. (110-187) bemüht sich dann in besonderer Weise
um die Erschließung der Struktur der Theologie des Antiocheners.
Eine „theologia via negationis", in der Ignatius die religionsgeschichtlich
reich bezeugte Theologie des Schweigens (sigl) durch
den Hinweis auf die Geschichtlichkeit der Offenbarung in Christus
interpretiert, die nicht zu unterschätzende Bedeutung der Pneumato-
logie im Kontext der ignatianischen Theologie, sowie die Prinzipien,
„die ignatianische Theologie als charakteristische Einheit erscheinen
lassen" (129), nämlich die ignatianische Christologie und das sich
im ignatianischen Henosis-Begriff, sowie in der Ekklesiologic und im
Eucharistieverständnis manifestierende Heils- und Erlösungsverständnis
des Antiocheners, dessen Theologie „dialektisch gefaßt ist,
sofern die intendierte Sache erst im Gegenbild auf den ihr adäquaten
Begriff gebracht werden kann" (131), sind hier die bevorzugten Untersuchungsfelder
der Studien P.s.

Auf eine Diskussion der von P. erarbeiteten Gesichtspunkte zur
Struktur der ignatianischen Theologie muß hier aus Platzgründen
verzichtet werden. Die Lektüre der Arbeit gestaltet sich nicht ganz
einfach, da P. eine vielfach sehr dichte, begriffsgeladene und gelegentlich
leider etwas manieriert wirkende Diktion gebraucht. Dazu
kommt ein außerordentlich umfänglicher gelehrter Apparat, u. a. mit
teilweise sehr zahlreichen Literaturverweisen. Bedauern empfindet
man darüber, daß der Vf. auf eine Zusammenfassung der Ergebnisse
im Klartext verzichtet hat.

Trotz dieser Einschränkung und trotz der sich gelegentlich aufdrängenden
Frage, ob denn nicht da und dort die gelehrte (Re-)Kon-
struktion Ignatius überfordert, wird man die Studien P.s als einen
durchaus beachtenswerten Versuch beurteilen können, entscheidende
Strukturelemente der Theologie des antiochenischen Bischofs
kritisch in den Griff zu bekommen. Man legt die Arbeit letztlich mit
der doppelten Empfindung aus der Hand, einerseits einer Demonstration
beträchtlicher Gelehrsamkeil beigewohnt zu haben, andererseits
aber darin gleichzeitig dem Verständnis der Theologie des Ignatius
doch wohl ein gutes Stück näher gekommen zu sein. Und dafür gebührt
dem Vf. ganz gewiß ein aufrichtiger Dank. Ein umfangreiches
Literaturverzeichnis und ein - in Auswahl gehaltenes - Texlregister
runden die Arbeit ab. - Auf die Anführung einer Reihe leicht korrigierbarer
Druckfehler kann hier verzichtet werden.

Greifswakl Hans-Günter Leder