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Ausgabe:

1981

Spalte:

196-197

Kategorie:

Neues Testament

Titel/Untertitel:

Exegesis 1981

Rezensent:

Holtz, Traugott

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Theologische Literaturzeitung 106. Jahrgang 1981 Nr. 3

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Heftes - das offenbar, nach der Ähnlichkeit des zweiten zu urteilen,
das Grundmuster für die ganze Reihe liefert - ist folgender: In einer
Einleitung (1-9) werden der Inhalt der Schrift, ihre literarische Gattung
und ihre hauptsächlichen Lehrstücke behandelt. Bei der Darbietung
des koptischen Textes im Hauptteil «Texte et Traduction»
(11-29) entspricht jeweils eine Buchseite einer Codexseite, mit gegenübergestellter
französischer Übersetzung, beides zeilengleich mit dem
Codex angeordnet. Es folgen dann noch zwei Durchgänge durch die
Codexseiten, einmal in Form von «Notes de transcription et de traduction
» (30-39), wo genau Rechenschaft über den Erhaltungsgrad
fast aller nicht auf den ersten Blick erkennbarer Einzelbuchstaben
abgelegt wird, und zum anderen in Form eines «Commentaire»
(40-47). Der Index zum Text (griech. Wörter; Eigennamen; kopt.
Wörter) beschließt das Heft. Übrigens präsentiert sich hier nach den
beiden Sigellisten der amerikanischen Ausgabe und des Berliner Arbeitskreises
für die Gesamtheit der NH-Schriften noch eine dritte auf
französischsprachiger Grundlage, die S. VII-IX vorgestellt wird.

Der Text dieser sog. Epistula Petri (vgl. ThLZ 103, 1978
Sp. 161-170), der tatsächlich mit einem kurzen Brief beginnt, aber im
übrigen eine mit gnostischem Inhalt gefüllte Nachoffenbarungs- und
Aussendungsgeschichte einschließlich Pfingstpredigt des Petrus
erzählt, wird vom Hrsg. literarisch als «Fragment apocryphe des Actes
des Apötres» bestimmt (6). Die Schwerpunkte der Ausgabe liegen
auf der Bereitstellung eines genauen Textes und dessen literarischer
und theologischer Wichtung; auf sprachliche Detailprobleme wird
selten eingegangen, und eine Gesamteinschätzung sprachlicher und
orthographischer Merkmale der Handschrift entfällt. Dieser Mangel
wird aber zum Teil ausgeglichen durch gewisse Grundprinzipien in
der Anlage der Ausgabe: vor allem eine erstaunliche Akribie in der
Wiedergabe dessen, was der Papyrus formal enthält, und recht ausführliche
lndices. Von dem Kommentarteil sollte man nichts Ungebührliches
erwarten: Er stellt keine Fragen, sondern führt den Leser
unter ausgewählten stilistischen oder begrifflichen Stichworten auf
einem mit vielen Hinweisschildern versehenen Lehrpfad durch die
verwandte Literatur (besonders Lieblingstexte des Hrsg.), wobei oft
nicht leicht zu sehen ist, für welchen der jeweils genannten Texte
dabei etwas Erhellendes abfallen soll. Für den eigentlich zu kommentierenden
Text gilt das jedenfalls nur selten - er erfährt gelegentlich
eine summarisch nacherzählende Zuwendung, zu deren genauerem
Verständnis man dann am besten wieder den originalen Wortlaut
konsultiert. Gelegentlich findet sich auch Köstliches, so wenn anläßlich
der von Blitz und Donner begleiteten Erscheinungsszenerie
(138,3-5) auf den Titel der Schrift NHC VI,2 („Bronte - Vollkommener
Nüs") verwiesen und nahegelegt wird, daß es eigentlich der
vollkommene Nüs höchstselbst ist, der da herniederdonnert (45).

Da es sich um die im ganzen sehr sorgfaltig gearbeitete und gut verwendbare
Ausgabe eines durchaus wichtigen Textes der neutestamentlichen Apokryphen
handelt (wichtig vor allem auch in der von K. Koschorke inzwischen demonstrierten
Perspektive. ZThK 74. 1977, 323-343), seien noch ein paar kritische
Anmerkungen gestattet, die mir zur Textkonstitulion en detail nötig erscheinen
(Druckfehler habe ich nur 134,18 festgestellt: THYTN). 132,15 (vgl.
S. 30 u. 40) Lies: chere, da ai = e, nicht ei.-133,24/25 Rem formal bleibt schon
nichts anderes übrig, als K und O für die beiden Lücken zu ergänzen (vgl.
ThLZ 103. 1978 Sp. 168 Anm. 8;ZÄS 104, 1977, 32), also: «comme tu as mis
ton alTection en ton saint fils». - 134.15 Konjektur unglücklich, da eeie = ei'e
(fut. energ.). - 134,22 (vgl. S. 32) Korrektur des Schreibers eindeutig K - Y,
nicht umgekehrt. - 134,25/26 Dreimaliges H nicht griech. Fragcpartikel (so
Übers ), sondern griech. „oder" (so Index); der,,Strich" darüber nicht Zirkumflex
, sondern Spiritus asper (sie, anstelle eines Sp. lenis). - 135,10 Emendation
überflüssig. - 137,2 Unglückliche Worttrennung und grammatisch unhaltbare
Ergänzung am Anfang der Zeile; dazu unglückliche Deutung des erhaltenen
Teiles von Z. I als Subst. - 137,30 Die Lesung hi am Ende der Zeile ist nicht so
sicher, wie Hrsg. glauben macht und ergibt auf jeden Fall keinen Sinn, da 138,1
ein neuer Satz beginnt. Eine entsprechende Behandlung der Crux (etwa die
Andeutung einer Konjektur) in den Notaten. wo z. St. die Herkunft der verschiedenen
Tintenresle diskutiert wird, vermißt der Leser um so schmerzlicher
, als er sich bereits in der Übersetzung bei diesem Scitenübcrgang auf den
Arm genommen fühlt. Das Problem löst sich, wenn man statt hi am Ende der
Zeile ei liest (mit dem üblichen Zirkumflex), also TAYOEI ..mich senden". -

139,11 (vgl. S. 37) Statt ehe besser hie zu ergänzen (= eie, hier vermutlich Fragcpartikel
). - 140,8 Statt erof (wer ist ,,le"?) besser ebol zu ergänzen. - Zu der
philologisch wertvollen und drucktechnisch erstaunlichen Genauigkeit bei der
Wiedergabe des Supralinearstriches paßt es nicht gut, wenn der Strich gelegentlich
an Stellen eingetragen wird, wo er nicht nur in der Hs. nicht steht, sondern
nach allen Kegeln der Kunst auch gar nicht hingehört (etetna- 137,6.8.20;
140,19). Auch die raffinierte typographische Wiedergabe von p und t mit
Haken bei Silbenschluß folgt nicht immer den Regeln des Schreibers (138,6 u.
8 bei p hinzulügen; 136,1 bei et-zu tilgen).

Bei den Notaten zu Transkription und Übersetzung sollte man sich
in Zukunft vielleicht stärker auf diejenigen Details konzentrieren, die
ein gewisses Gewicht haben oder echte Alternativen zulassen. Die
Tatsache, ob ein Buchstabe sicher, unsicher oder gar nicht zu lesen
ist, geht aus der Transkription des Textes selbst hervor und bedarf
zumindest überall dort, wo sowieso kein anderer Buchstabe in Frage
käme, nicht vieler Worte. Eine ganze Reihe von apologetischen Darlegungen
dieser Größenordnung wird übrigens erst verständlich,
wenn man bei der Lektüre ebenso wie der Hrsg. (vgl. Vorwort S. X)
die nicht publizierte ältere Transkription des angloamerikanischen
Projekts danebenliegen hat (Hauptbearbeiter: F. Wisse). Da dies
jedoch für den normalen Benutzer der Ausgabe nicht vorauszusetzen
ist, wäre eine konzentriertere Darstellung sicher dienlicher gewesen.
(Im übrigen dürfte Wisses Verdienst im Vorfeld dieser Erstausgabe
immerhin größer sein als die völlige Abwesenheit seines Namens
vermuten läßt.) Interessant wäre auch ein Hinweis auf den (in NHCes
nicht eben häufigen) Gebrauch der Koronis zur Textgliederung in
Codex VIII gewesen. Sie ist in EpPt nur 136,16 erhalten, markiert
also den Beginn des zweiten der vom Hrsg. in der Übersetzung sehr
treffend herausgearbeiteten vier Lehrstücke der großen Offenbarungs-
rede (vgl. auch S. 430, was zu der Vermutung Anlaß gibt, daß die
gleiche Markierung sich auch an den übrigen drei Stellen befunden
haben könnte (135,8; 137,4. 10), wo jeweils der Rand weggebrochen
ist.

Die neue Textbearbeitung des „Authentikos Logos" NHC VI,3
(vgl. ThLZ 98, 1973 Sp. 251-259), die das zweite Heft enthält, ist
erwartungsgemäß reifer, als es eine Erstausgabe sein kann, und hat
eine ganze Reihe von Meriten (abgesehen vom kopt. Index, der einige
Merkwürdigkeiten enthält). Für den Aufbau und die Art der Durchführung
gilt auch hier das oben Gesagte. In Text und Übersetzung ist
diese Ausgabe wirklich weiterführend und unverzichtbar (zur weiteren
Textkonstitution siehe die Zusammenstellung am Ende des einschlägigen
Beitrags des Rez. in Archiv f. Papyrusforschung 28, 1981).
während der Kommentar die vorliegende Schrift wohl eher im weiten
Meer des spätantiken Synkretismus versinken läßt, als daß er sie spezifizierend
daraus emporhöbe.

Nach diesem gelungenen Start darf man auf den weiteren Fortgang
dieser Editionsreihe gespannt sein.

Berlin Wolf-Peter Funk

Buvon, Francois, et Gregoire Rouiller |Eds.|: Exegesis. Problemes de
methode et cxcrcices de lecture (Genese 22 et Luc 15). Neuchätel-
Paris: Delachaux & Niestie 1975. 311 S. 8* = Bibliotheque Theolo-
gique.

Das Buch, das erst sehr verspätet bei der Redaktion einging, dokumentiert
einen interessanten interdisziplinären Versuch, das Verstehen
biblischer Texte an zwei signifikanten Beispielen exemplarisch
durchzuüben. Er wurde während des Winters 1972/73 veranstaltet
durch die theologischen Fakultäten der Universitäten Fribourg, Ge-
neve, Lausanne und Neuchätel und haue die Überlieferung von
Isaaks Opferung (Gen 22) sowie-das Gleichnis vom verlorenen Sohn
(Lk 15) zum Gegenstand. An dem Unternehmen waren neben Theologen
(F. Bovon und Chr. Senft, NT; G. Rouiller, AT; Y. Tissot,
Patristik) auch Philosophen (P. Ricoer; Ph. Secretan), Litcratur-
wissenschaftler (G. Antoine; J. Leenhardt) und ein Psychoanalytikef
(L. Bcirnacrt S. J.) beteiligt; das gibt ihm die besondere Dimension. Def