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Ausgabe:

1981

Spalte:

186

Kategorie:

Judaistik

Autor/Hrsg.:

Neusner, Jacob

Titel/Untertitel:

A history of the mishnaic law of women 1981

Rezensent:

Holtz, Traugott

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 106. Jahrgang 1981 Nr. 3

186

Schon in der Introduction stellt R. Horwitz fest: „the lectures suggest
the influence of Ferdinand Ebner". Um dieses Urteil nachvollziehen
zu können, muß der Leser natürlich zuerst mit den ihm noch unbekannten
lectures vertraut gemacht werden. Es ist das große Verdienst
von Rivka Horwitz, erstmalig Bubcrs Vortragsreihe „Religion als
Gegenwart" nach einer stenographischen Mitschrift ediert zu haben.
Hierbei handelt es sich um acht Vorträge, die Buber in der Zeit vom
15. Jan. 1922 bis zum 12. März des gleichen Jahres am Freien Jüdischen
Lchrhaus in Frankfurt/Main gehalten hat. Für die Geschichte
des Buberschen Denkens stehen diese Vorträge sowohl inhaltlich als
auch terminologisch zwischen „Daniel" und „Ich und Du", dabei ist
es aulfallend, daß die beiden ersten Vorträge keine Parallelen mit
.■Ich und Du" aufweisen, im Gegensatz zu den Vorträgen III—VIII.
wobei besonders die Vorträge IV und VIII starke, zum Teil sogar
wörtliche Übereinstimmungen mit ..Ich und Du" aufweisen. Appendix
A (245-247) gibt davon eine schöne Übersicht. Die Vorträge sind
also eine deutliche Vorstufe zur endgültigen Fassung von „Ich und
Du". Dies wird durch die Untersuchungen von Part II erhärtet und
differenziert. Dieser dcnk-geschichtliche Teil zeigt folgende Gliederung
, die hier mitgeteilt werden soll, da sie schon das Ergebnis der
Fragestellung nach Bubers geistesgeschichtlicher Verwandtschaft
heinhaltet. Dieser Part gliedert sich in sechs Abschnitte: I. 1918: An
Early Plan, II. 1919-1921: „I... began with Ebner's Fragments". III.
Winter 1921-22: Franz Rosenzweig - The Beginning of a living Dia-
logue, IV. Summer 1922: The Wider Circie - Plans forthe Future, V.
Franz Rosenzweig and I and Thou. VI. September 1922: The Corre-
sPondence and Beyond. Am Ende ihrer Untersuchung formuliert
Rivka Horwitz ebenso bestimmt wie vorsichtig folgendes Ergebnis,
dem wohl jedermann zustimmen wird: „ün the basis of our research.
We can conclude that Buber's dialogical thinking did not develop in
'solation. Yet while Buber was influenced by both Ebner and Rosen-
zweig, historical circumstances prevented the work of these great men
•Vom being sufficiently recognized. As interest in dialogical thinking
grew, Buber's work reached a widc audience: he was able to teach
and further develop his thinking" (240). Und erst recht wird man der
vm. in ihrem Schlußsatz beipflichten: „Buber s message in Ich und
Du and in his subsequend works was not limited to his fellow Jew,
however, but was addressed to and reeeived by the Christian world as
vell"(24I).

Zwei Beobachtungen seien hier noch nachgetragen. (1) Der zweite
Vortrag vom 22. Januar 1922 behandelt insbesondere das Problem
von Religion und Ethik in Auseinandersetzung mit der Philosophie
Kants. Dabei sagt Buber folgendes: „Handle so. als ob es keinen Gott
gäbe" (63) - indem sich der ethisch handelnde Mensch nicht um Gott
kümmert, bleibt er recht eigentlich religiös; je mehr er aus der Sphäre
c1er Religion heraustritt, um so mehr bleibt er in Wahrheit der Reli-
Won, die den Alltag, die Gegenwart meint, verhaftet. Dies erinnert
doch überraschend (oder nicht?) an Dietrich Bonhoeffers Forderung
f"*er „nichtreligiösen Interpretation" biblischer Texte: Wir müssen
in der Welt leben, als ob es Gott nicht gäbe - etsi dein non daretur, so
■m Brief aus Tegel vom 16. 7. 44. Auch wenn der Personalismus bei
ttonhoeffer nicht von Martin Buber hergeleitet werden kann (siehe
di>zu E. Feil, Die Theologie Dietrich Bonhoeffers. Berlin 1977, bes.
^ Anm. 19), so ist doch ein geistesgeschichtlichcr Zusammenhang
^wischen Buber und BonhorlTcr in Fragen der Religion nicht zu über-
Sehen. Religion umgreift das Ganze, nicht einen ausgesparten Raum.
den Alltag, die Welt, denn Gott trägt das Leben der Menschen, wie er
auch nicht die Religion, sondern eben die Welt geschaffen hat. Noch
e,nrnal: Die Wurzeln sind auch hier tiefer als das Auge sieht, aber sie
sind gewiß in der Hand Gottes. Sollte Bonhoeffers Verständnis von
^c'igion ebenso wie dasjenige Martin Bubcrs in der Schrift des Alten

estamentes wurzeln?

. <2) Die t .rstpublikation von Bubers Vortragsreihe „Religion als
^e8enwart" fordert nunmehr deutlich zu einer Auseinandersetzung
dcs Buberschen Denkens mit der deutschen Mystik (besonders wohl

mit Meister Eckehart) und vor allem der deutschen Romantik heraus.
Daß Buber auch ihr Erbe ist, wird wohl kaum zu bestreiten sein.
Diese Auseinandersetzung ist um so erforderlicher, da das Urteil von
Victor Klemperer (LTI, XXIX Zion), der Buber so ausschließlich als
Romantiker und Mystiker sieht, daß er das Wesen des Judentums in
sein Gegenteil verkehre, noch immer besteht. Die Vorträge des Jahres
1922 machen hier eine neue Auseinandersetzung nötig.

Am Ende bleibt auch hier eine Frage - und der Mensch, der nicht
mehr tun kann, als Gott in der Welt verwirklichen.

Halle (Saale) Gerhard Begrich

Neusner, Jacob: A History of the Mishnaic Law of VVomen. Translation
and Explanation. I: Yebamoi. XXII, 220 S. Lw. hfl 96.-. II:
Ketuhot. XX, 145 S. Lw. hfl 64.-. III: Neäarim. Nazir. XX, 204 S.
Lw. hfl 84.-. IV: Soiah, üittin. Qicldushin. XX, 281 S. Lw. hfl
112.-. V: The Mishnaic System of H omert. XXIV, 281 S. Lw. hfl
112.-. Leiden: Brill 1980. gr. 8" = Studies in Judaism in
Laie Antiquity, 33, 1-5.

Nach dem riesigen Werk (22 Bände) zum 6. Seder Toharoth der
Mischna (-Tosephta) (wird in ThLZ besprochen werden) und dem
wesentlich gestraffteren (6 Bände) zum 5. Seder QodaSim (= SJLA
30. 1-6, Leiden 1980) legt Neusner nun in unglaublich kurzem zeitlichen
Abstand eine fünfbändige Behandlung des 3. Seder Naschim
vor. Vier Bände enthalten die Übersetzung und Erläuterung der einzelnen
Traktate der Mischna und Tosephta, der fünfte bietet die
historischen und systematischen Ergebnisse der Untersuchung. In
ihm wird zunächst die Struktur des Seder insgesamt sowie die der einzelnen
Traktate dargelegt. Daran schließt sich die Darstellung der geschichtlichen
Entfaltung der gesetzlichen Bestimmungen an und
endlich der Versuch, die spezifische Bedeutung dieser Ordnung zu
erfassen. N. betont mit Nachdruck, daß er ein genau umschriebenes
Ziel verfolgt, nämlich zu erkennen und darzustellen, was die
ursprüngliche Meinung der in Mischna und Tosephta zusammengestellten
Sätze ist. Das Ziel ist die Erhellung der Geschichte des rabbi-
nischen Judentums bis zur Zeit der Mischnaredaktion (ca. 200). Zur
Erreichung dieses Ziels verzichtet er auf die Darbietung der Textvarianten
ebenso wie auf eine Auseinandersetzung mit vorausliegenden
Mischnu-Kommentaren. wie sie noch bei der Behandlung des 6. Seders
geführt wurde. Die „Erklärungen" sind nur auf das gerichtet, was
für das Verständnis der klaren, einfachen und geschichtlich grundlegenden
Meinung der Abschnitte nach dem Urteil von N. unbedingt
nötig ist. Damit ist dankenswerterweise der Umfang dieses aufwendigen
Werkes erheblich seinem Beginn gegenüber reduziert.

Es ist zu hoffen, daß diese Arbeit, die eine erste formanalytische
Übersetzung der Mischna und eine erstmalige überhaupt der Tosephta
in das Eng'ische bietet, das Studium rabbinischer Texte und Traditionen
beleben wird - auch zum Nutzen der neutestamentlichen

Wissenschaft.

T. H.

Neues Testament

Berner, Ursula: Die Bergpredigt. Rezeption und Auslegung im 20.
Jahrhundcrtq. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1979. 273 S.
gr.8' = Göttinger Theologische Arbeiten, 12. Kart. DM 35.-.

Die vorliegende Arbeit - als Dissertation bei Prof. G. Strecker in
Göttingen entstanden - ist eine Auslegungsgeschichte, die reiches
bibliographisches Material enthält. Ihre Bedeutung kann man anhand
des Vergleiches mit der kommentierten Bibliographie zur Bergpredigt
von Warren S. Kissinger (The Sermon on the Mount, Metu-
chen N.J. 1975) zum Ausdruck bringen. Während Kissinger versucht.