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Ausgabe:

1981

Spalte:

182-186

Kategorie:

Judaistik

Autor/Hrsg.:

Buber, Martin

Titel/Untertitel:

Urdistanz und Beziehung 1981

Rezensent:

Begrich, Gerhard

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Theologische Literaturzeitung 106. Jahrgang 1981 Nr. 3

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bare zeitgeschichtliche Erfahrung des Philo zur Geltung kommt. Das gegenüber, an deren Erstellung Enzo Lucchesi und Jacques Cazeaux,

zwiespältige Bild ägyptischer Herrschaft im Traktat - so die wichtig- beide Patristiker und Philokenner von hohem Rang, mitgearbeitet

ste These - reflektiert das wechselvolle Geschick der alexandri- haben.

nischen Judenschaft unter römischer Verwaltung, für die die apologe- Die Einteilung des erhaltenen Quaestionen-Materials zur Genesis

tischen Schriften In Flaccum und Legaiio ad Caium Zeugnis able- (VOn 2,4 bis 28,9 reichend) erfolgt nach dem Vorgang von R. Marcus

gen. Nicht minder bedeutsam erscheint, wie an der Beurteilung des in 6 Büchern, wobei die drei ersten in der Anordnung der arme-

Joseph sich die Wirksamkeit des seit Aristoteles entwickelten helle- nischen Version entsprechen, deren viertes jedoch in drei Abteilun-

nistischen Herrscherideals ablesen läßt, das auch Philo teilt. gen aufgegliedert ist entsprechend der Parascheneinteilung des Lek-

Die Schrift De Decalogo. deren Anzeige hier gleichfalls nachzu- tionszyklus der Thora nach jüdisch-babylonischem Ritus (vgl. dazu

holen ist, stellt in der Sicht ihres Herausgebers Valentin Nikipro- e. Lucchesi in Le Museon 89, 1976, 383-395). Die jetzt vorgelegten

wetzky den Rest eines umfangreichen Schriftkommentars dar, der die Teile umfassen Quaestiones zu Gen 2,4-6,13 (Buch I) und zu Gen

Ubereinstimmung von Mosegesetz und Naturgesetz dartun will. Die- 6,14-10,9 (Buch II). Wer von der diskursiven Gedankenentwicklung

ser Grundsatz erlaubt es Philo, das Gesetz als Gegenstand der Philo- ,m Allegorischen Kommentar herkommt, entdeckt in dieser in knap-

sophie zu ergreifen, dabei selbst zugleich als Interpret heiliger Texte per Frage und Antwort sich bewegenden Auslegung neue Züge am

auch jüdischer Philosoph zu sein (18). Profil des großen alexandrinischen Exegeten. Als Beispiel möge

Ist mit dieser Bestimmung der Anspruch des Werkes adäquat er- Quaest. Gen, 1,47 zu Gen 3,14 dienen. Frage: Cur primum maledicit

laßt, dann wäre De Decalogo entgegen verbreiteter Auffassung nicht serpenti, secundo mulieri, tertio viro? Die Antwort erfolgt zunächst

als exoterische oder gar apologetische Schrift anzusehen. Nicht der im Litcralsinn: Iniuriarum ordinem consecuta est et series maledic-

Außenwelt, sondern desorientierten Juden sei sie zugedacht. Hier tionis. Dann aber folgt: Verum optimc habet et rationem allegoriae

mögen Zweifel angebracht erscheinen. Für das Verhältnis von Lite- hic ordo: quoniam serpens symbolum est cupiditatis, ut probatur; et

ralsinn und Allegorese bietet die Einleitung die wohl allgemein aner- mulier, sensus; vir autem, intellectus. - Deutlicher denn je erscheint

kannte These, daß bei Philo die allegorische Auslegung den wört- hier Philo als Bindeglied zwischen jüdischer und patristischer Exe-

hchen Sinn nicht entkräftet. Eindrucksvoll wird im Blick auf die gese.

Zentralsektion De Decalogo 50-154 (Interpretation der beiden Ein Problem für sich bilden die in den Quaestiones vorliegenden

-Tafeln") einer symbolischen Auffassung der Gesetzesexegese wider- Bibe|zitate. sie sind auf die für die Auslegung essentiellen Worte

»prochen. Was die in diesem Zusammenhang aufgewiesenen Bezie- reduzierti ihre griechische Originalform mußte zudem aus der arme-

lungen Philos zur Mysterienthcolog.e und zum anthropolog.sch- nischen Übersetzung rekonstruiert werden, ehe die adäquate latei-

Padagogischen Ideal angeht, so wäre es reizvoll, die damalige Posi- njsche Wiedergabe überprüft werden konnte. Zu den Fragen, die sich

l'on des Hrsg., der diese Edition als these (unter A. Dupont-Sommer) auch fur dje jn ßä,de erscheinenden beiden noch ausstehenden Bände

^Hegte, mit seiner 1977 erschienenen Schrift Le Commentaire de der Edition daraus ergeben außert sich ein ausführlicher Bericht

tenture chez Philon d'Alexandrie (ALGHJ 11, Leiden 1977) zu {iQ_55) Die Herausgabe der Quaestiones könnte die Ansicht bestä-

vergle,chen, die den Vf. als einen der sorgfältigsten und tiefschürfend- tjgen daß djese ungeachtet ihrer fragmentarischen Überlieferung

s'en Philointerpreten unserer Zeit ausweist. ejnen dem Ai|egorischen Kommentar und der systematischen Geset-

D>e Quaestionen-Werke standen innerhalb des phänischen /esauslegung gleichrangigen Bestandteil des philonischen Opus

Oeuvre schon deshalb bislang im Schatten, weil sie nur in fragmenta- bj|den

"scher Form und nur zum Teil in der Originalsprache erhalten blie- Ha||e (Saa|e) Wolfgang Wiefel

Dcn. Die französische Philo-Ausgabe erweist sich auch darin als das

^bitionierteste Unternehmen moderner Philo-Edition, daß sie auf Buber Manin; Begegnung Autobiographische Fragmente. Mit
verausgabe. Ubersetzung und Kommentierung dieser Stücke nicht ejnem Nacnwort v A Goes NeuauSgabe (3., verb. Aufl.). Heischtet
. Nachdem der Band mit den griechischen Fragmenten be- dclberg: Schneider 1978. 115 S. 8*. Pp. DM 19,80.
reits vorgelegt wurde (vgl. ThLZ 106, 1981 Sp. 28-31), werden nun

auch die ausschließlich in armenischer Übersetzung erhaltenen - : Zwischen Zeit und Ewigkeit. Gog und Magog. Eine Chronik. 3.,
Quaestiones in Genesim präsentiert. Daß sie der Forschung seit dem durchgesehene Aufl. mit einem editorischen Anhang. Heidelberg:
v°rigen Jahrhundert zugänglich waren, verdanken wir J. B. Aucher Schneider 1978.111,425 S. 8'. Kart. DM 19,80.
aus der Kongregation der um die Erhaltung der armenisch-christ-

lichen Kultur hochverdienten Mcchitaristen, der sie 1826 in arme- "= Zwiesprache. Traktat vom dialogischen Leben. 3. Aufl. Heidel-
ni<*h-la,eir,ischer Ausgabe herausbrachte. Dabei wurden zunächst ber*: Schneider 1978. 87 S. 8". Pp. DM 12,80.
Jene Werke vorgelegt, die ausschließlich in armenischer Version

ühpri;„r . j- ■ • . . . , , . , .__, -: l rdistanz und Beziehung 4., verb. Aufl. Erweitert um einen edito-

"eriietert und in griechischer Sprache nicht mehr vorhanden sind , . . ■ j T . u j iu c u a

(a„rl , 6 . . ., , . Tischen Anhang mit ergänzenden Texten. Heidelberg: Schneider

u°er den Quaestiones noch eine Reihe von Fragmenten kleinerer |97g ^ ^ g. pp ^ gg»

Triften, über die die Liste S. 15/16 Auskunft gibt). Erst am Ende des

y '"'""nderts (1893) entschloß man sich zur Edition der armenischen Horwitz, Rivka: Buber's Way to I and Thou. An Historical Analysis
Ersetzung der Traktate, deren griechische Originalgestalt bekannt and tr,e First Publication of Martin Buber's Lectures „Religion als
^ar- Alle diese Stücke gehen auf eine armenische Ausgabe der Werke Gegenwart". Heidelberg: Schneider 1978. 320 S. m. 6 Faksimiles
^h'los zurück, die auch 460 p. Chr. (vielleicht erst im 6. Jh.) in der gr. 8* = Phronesis, 7. Lw. DM 68,-.

Ulc?eit der sog. hellenistischen Schule angefertigt wurde. Gemein-
Sam mit Philo wurde damals auch Irenäus ins Armenische übertra- In den Erzählungen der Chassidim von Martin Buber steht
Ken. geschrieben: Rabbi Lob erzählte: „Daß ich zum Maggid fuhr, war

. Die erste und bis zur vorliegenden Edition einzige Übersetzung in "'cht. um Lehre von ihm zu hören: nur um zu sehen, wie er die FUfr
|jlne moderne Sprache legte 1953 Ralph Marcus im Supplemcntband schuhe aufschnürt und wie er sie schnürt."

Cs er>güchen Philo in Loebs Classical Library vor. Die von dem in- Wesentliches läßt sich auch wesentlich sagen. Diese Anekdote entaschen
verstorbenen französischen Orientalisten Charles Mercier hält die ganze Lehre Martin Bubers, eine Lehre, die er weniger verborgte
Herausgabe der armenischen Fragmente der Quaestiones kündet, als vielmehr bewährt hat. Nicht, was einer sagt, ist wichtig,
Ver'-ichtete auf eine Wiedergabe des armenischen Textes und stellt sondern wie er das lebt, was er sagt: das ist das Eine, was not tut. Leh-
staU dessen der auf J. B. Aucher fußenden lateinischen Version eine re und Leben sind eine Einheit, oder sie sind nicht. Denn die Lehre
ni" 'ahlreichen Anmerkungen versehene französische Übersetzung wächst am Leben, das Leben aber in der Lehre. Alles, was ich tue,