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Ausgabe:

1980

Spalte:

155-156

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Hollenweger, Walter J.

Titel/Untertitel:

Christen ohne Schriften 1980

Rezensent:

Krügel, Siegfried

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155

Theologische Literaturzeitung 105. Jahrgang 1980 Nr. 2

156

oft schon bekannte Urteile wiederholt werden, gehört diese positive
Einschätzung von Nairobi zu den wenigen Überraschungsmomenten
des Buches. Ihr ist weitgehend zuzustimmen, und das
dürfte a ngesichts der heute weitverbreiteten Kritik am ÖRK durchaus
zu denken geben. Auch die Analysen der übrigen Vollversammlungen
sind im ganzen zutreffend, einschließlich der kritischen
Grundtendenz der Darstellung, auch wenn man manches gewiß
auch anders interpretieren kann. (Von den kleineren Mängeln
müssen zwei genannt werden: Man kann die osteuropäischen
orthodoxen Kirchen nicht pauschal „russisch-orthodoxe Kirchen"
(17 u. ö.) nennen. Bei der Literatur zum Anti-Rassismusprogramm
fehlt der im Auftrag des ÖRK erstellte Bericht von Elisabeth
Adler: A small beginning. Geneva 1974.) So orreicht die Arbeit
durchaus ihr Ziel, den „innerökumenischen Klärungsprozeß"
nachzuzeichnen (10). Und darin ist sie hilfreich. Einen weiterführenden
Beitrag zur Klärung der anstehenden Probleme vermag sie
aber kaum zu leisten. Das hat verschiedene Gründe: Der berechtigten
Kritik wird zuwenig die Frage zur Seite gestellt, wo denn
frühere Vollversammlungen Dinge gesagt haben, die man heute
gerade wieder hören müßte. Sodann bieten die Sektionsberichte
der Vollversammlungen für eine inhaltlich weiterführende Auseinandersetzung
letztlich doch eine zu schmale Basis. Und schließlich
ist zu fragen, ob nicht die theologischen Beurteilungskriterien,
„von einem reformatorischen Standpunkt lutherischer Prägung"
ausgehend (20), im ganzen zu pauschal ausfallen und zu schematisch
angewandt werden (z. B. Berücksichtigung von kreuzestheologischen
, futurisch-eschatologischen und rechtfertigungstheologischen
Korrektiven und die Frage, ob lutherische Theologie voll
zur Geltung komme). Die ökumenische Bewegung lebt doch davon,
daß konfessionsspezifische Denkstrukturen und Erkenntnisse
nicht nur offen und kritisch ins Gespräch eingeführt werden, sondern
ihm mit der Bereitschaft zur Erneuerung des eigenen Denkens
auch ausgesetzt werden.

Wildenbrnch Matthiiis Sens

Hollenweger, Walter J.: Christen ohne Schriften. Fünf Fallstudien
zur Sozialethik mündlicher Religion. Erlangen: Verlag der
Ev.-Luth. Mission [1977]. 144 S. 8° = Erlanger Taschenbücher
38. Kart, DM 12,-.

Der Titel der englischen Originalfassung lautet „Pentecost Be-
tween Black and White. Five Case Studies on Pentecost and Poli-
tics". Auch die (revidierte) deutsche Fassung stammt vom Vf.
selbst, der mit dieser kleinen Schrift sein Buch „Enthusiastisches
Christentum" durch spezielle Ausführungen „über die sozialpolitische
und in der Tat revolutionäre Rolle dieser weitgehend der
mündlichen Kultur angehörenden Bewegungen" ergänzen möchte
(7). Die Fallstudien erstrecken sich auf die USA, Mexiko, Zaire,
die katholische Pfingstbewegung und die Jesusbewegung.

Vf. erweist sich einmal mehr als profunder Kenner der Materie -
allein schon die Quellennachweise, 24 Seiten Kleindruck, sind von
unschätzbarem Wert - deren Grundtendenzen transparent werden,
ohne daß durch eine zu stark vereinfachende Darstellung die Vielschichtigkeit
und nicht selten auch die Mehrdeutigkeit der Situationen
, Motive und Resultate aus dem Blickfeld geriete. Theologische
, historische, soziologische und psychologische Analysen sind
eng miteinander verbunden, doch vermeidet Vf. jeden methodischen
Schematismus, zeichnet vielmehr in jeder der Studien ein anderes,
eben für den jeweils zur Darstellung kommenden Bereich charakteristisches
Bild.

Vf. ist dafür bekannt, daß er in kerygmatisch-pädagogischer Absicht
gern zugespitzte Thesen vorträgt und sich vor Einseitigkeiten
nicht scheut. Im einzelnen wird man deshalb auch in diesem Buch
seine Ansichten und Urteile nicht immer teilen können. Gerade
aber in der vorliegenden Untersuchung fällt dies wenig ins Gewicht,
da Vf. nicht selten auf die Ambivalenz der Erscheinungen hinweist
und auf sichere Prognosen verzichtet .

Besonders zu begrüßen ist die ebenso kurze wie treffende Darstellung
der katholischen Pfingstbewegung, nicht minder aber auch
die durch ihre Nüchternheit sich auszeichnende Studie über die

Jesusbewegung, die indes, wie kritisch auch immer sie bewertet
werden muß, erkennbar macht, daß - Vf. zitiert Helmut Aichelin -
„die Bindekraft der institutionalisierten Religion abnimmt und die
nichtgebundene, freie Religiosität wächst" (105).

In diesem Buch wird sozialethische Forschung in ökumenischer
Verantwortung getrieben. Schon am Schluß der ersten Fallstudie
wird das ökumenische Problem, dessen Eruierung wohl als das
eigentliche Anliegen der gesamten Untersuchung zu bezeichnen ist,
präzis formuliert: Sind wir bereit, „die Gleichberechtigung nichtschriftlicher
Theologie an(zu)erkennen" (28)? Daran wird sich
entscheiden, „ob die Kirche als universale, wirklich katholische
Kirche eine Zukunft hat, denn die Zahl jener Christen und Theologen
- sofern man bereit ist, ihnen diese Bezeichnung zuzugestehen
-, die eine mündlicheTheologie als Ergänzung oder Alternative zur
rationalen Begriffssystematik suchen und praktizieren, nimmt rasant
zu, sowohl in den afrikanischen und lateinamerikanischen
Kirchen wie auch unter den Schwarzen Amerikas und neuerdings
auch unter der weißen Jugend. Das ökumenische Problem der unmittelbaren
Zukunft ist daher nicht das Verhältnis katholisch/
evangelisch, sondern dasjenige zwischen ,mündlicher' und schriftlicher
' Theologie" (29).

Zuletzt sieht Vf. hier allerdings weniger ein Problem als Grund
zur Hoffnung; der Schluß lautet: „Geistesabwesende, blinde und
taube Christen sehen nicht, was Gott schon tut. Geistesgegenwärtige
, sehende und hörende Christen können sich wundern über das,
w;is um uns her geschieht" (III).

Leipzig Siegfried Krügel

Barth, Hans-Martin: Können Formeln Einheit stiften? Die Bekenntnisse
und der Konsens der Christen (LM 17, 1978 S. 414
bis 416).

Biedermann, Hcrmenegild M.: Orthodoxe und katholische Kirche
heute. Etappen des Gesprächs in den letzten 20 Jahren (Cath 33.
1979 S. 9-29).

Braxton, Edward K.: Black Theology: Potentially Classic? (Rcli-
gious Studies Review 4, 1978 S. 85-90).

Casalis, Georges: Kreuzestheologie für heute: Wie können Europäer
auf die Befreiungstheologie Lateinamerikas antworten?
(JK 39, 1978 S. 278-286).

Dantine, Wilhelm, und Ferdinand Klostermann [Hrsg.]: Dem Dialog
nicht ausweichen. Wiener ökumenische Theologen zur Anerkennungsfrage
(LM 17, 1978 S. 165-166).

Degenhardt, Johannes Joachim: Welche Einheit meinen wir? Welche
Ökumene wollen wir? (Cath 33, 1979 S. 1-8).

Dietzfelbingor, Hermann: Wem hilft die Anerkennung? Mögliche
Rückwirkungen im ökumenischen Dialog (LM 17, 1978 S. 162
bis 164).

Gaßmann, Günther: Ansätze, Entwicklungen und Ergebnisse des
theologischen Gesprächs in „Faith and Order" (KuD 24, 1978
S. 143-161).

Gramsch, Rasmus: Grundbegriffe der Versöhnung in Verlautbarungen
des ökumenischen Rates seit 1968 (Theol. Magisterprüfung
, Kirchl. Hochschule Berlin-West 1976).

Hessler, Hans-Wolfgang: Fünf Aspekte des Entwicklungsdienstes.
Material und Versuch einer Analyse am Beispiel von drei Projekten
in Asien, Afrika und Lateinamerika (LWB-Dokumenta-
tion 1979 Nr. 2 S. 3-24).

j0rgensen, Theodor Holzdeppe: Überlegungen zur „Konfessionellenidentität
" und „Kirchengemeinschaft" (KuD 24,1978 S. 131
bis 142).

Kaku, Shuichi: Unsere Beteiligung an der weltweiten Mission -
Korreferat (LWB-Report 1979 Heft 4, S. 69-73).

Kühn, Ulrich: In der Hoffnung verbunden. Sitzung der Kommission
für Glauben und Kirchenverfassung in Bangalore/lndien,
16.-30. 8. 1978 (ZdZ 1979 S. 81-87).

Marguli, Hans Jochen: Ökumenische Bewegung: Erste Phase
(1840) 1910-1920 (BhEvTh 22, 1977 Heft 2 S. 58-75).