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Ausgabe:

1980

Spalte:

153-155

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Wegener-Fueter, Hildburg

Titel/Untertitel:

Kirche und Ökumene 1980

Rezensent:

Sens, Matthias

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Theologische Literaturzeitung 105. Jahrgang 1980 Nr. 2

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Untersuchung dem „Stellenwert der kontrovers-theologischen
Fragen in der Ökumene heute" (104-136) zu. Sein Anliegen ist hier
besonders, die Konfessionen „in eine positive Zuordnung zur Ökumene
zu bringen" (119). Damit wird das Thema der ersten Abhandlung
erneut aufgegriffen. Denn es muß jetzt darum gehen, die
Konfessionen selbst als „legitime Vielfalt" (120) zu erkennen. Der
Weg der dazu konkret beschritten werden muß, hat von dem gemeinsam
Christlichen auszugehen und die allen Konfessionen in
gleicher Weise geltenden Herausforderungen der Zeit zu berücksichtigen
. Die Zuordnung dieser beiden Fragenkreise erlaubt es, in
der theologischen Methode ein entscheidendes Grundproblem der
Ökumene zu erblicken. Ursprungstreue und Situationsgemäßheit
sind die hier geltenden Kriterien. Daß gerade die Kontroverstheologie
unter ein ökumenisches Vorzeichen gestellt werden kann, hat
seine Voraussetzung darin, daß die Rechtfertigungslehre, überhaupt
das reformatorische „solus", keinen zentralen Kontroverspunkt
mehr darstellt.

Die beiden letzten Abhandlungen des Buches ergänzen die
vorangegangenen grundsätzlich theologischen und über die gegenwärtige
Situation orientierenden nach der praktischen und historischen
Seite.

„Was heißt geistlicher Ökumenismus?" (137-150) arbeitet die
inneren Voraussetzungen der Ökumene heraus. Bekehrung, Selbstverleugnung
, Anerkennung der Schuld, Leben nach dem Evangelium
sind die Bedingungen für eine Realisierung lebendiger Einheit
.

Der abschließende Blick auf „John Henry Newman. Ein Wegbereiter
christlicher Einheit" (151-168) macht deutlich, daß Newman
nicht verstanden wird, wenn er in kontrovers-theologischer
Perspektive beurteilt wird. Er muß als eine „ökumenische Gestalt"
gewürdigt werden.

Das leidenschaftlich der Ökumene zugewandte Buch von Fries
stellt den Versuch dar, das von Erstarrung bedrohte Verhältnis der
Kirchen mittels geschichtlicher, methodischer, die Spiritualität nie
außer acht lassender Besinnung in derjenigen Offenheit zu halten,
die für die neuere Entwicklung in hohem Maße kennzeichnend gewesen
ist. Mögen auch die an einzelnen Punkten bestehenden
Schwierigkeiten (z. B. in der Frage: Rezeption der CA) in zu hohem
Maße zurücktreten, bietet doch der Ansatz Möglichkeiten, die
die gegenwärtige ökumenische Arbeit bestimmenden Probleme
auch in dem theoretisch notwendigen Maße zu durchdringen und
weiterzuführen.

Münster Eckhard Lcsning

Wegener-Fueter, Hildburg: Kirche und Ökumene. Das Kirchenbild
des Ökumenischen Bates der Kirchen nach den Vollversammlungsdokumenten
von 1948-1968. Göttingen: Vanden-
hoeck & Ruprecht [1979]. 306 S. gr. 8° = Göttinger theologische
Arbeiten, 10. Kart. DM 38,-.

Was bewegt den ökumenischen Rat der Kirchen (ÖRK)? Win
hat er die Zielsetzungen der Bewegungen, aus denen er entstanden
ist - „Praktische Christentum", „Glauben und Kirchenverfassung'
und „Internationaler Missionsrat" - aufgenommen und verarbeitet
? Welche Entwicklung hat er in der Klärung der theologischen
Voraussetzungen seiner Arbeit genommen? Welche - auch außer-
theologischen! - Motive stehen hinter seiner theoretischen und
praktischen Arbeit? In diesem Fragehorizont bewegt sich die 11)7(1
in Göttingen vorgelegte, für den Druck überarbeitete Dissertation.
Als Material dienen die Sektionsberichte der Vollversammlung"!!
Von Amsterdam bis Uppsala, im Ausblick ergänzt durch die Ergebnisse
von Nairobi 1975. Eino solche zusammenhängende
Analyse der Sektionsberichte aller Vollversammlungen weckt
schon für sieh Interesse; denn in der Tat „(bilden) sie zumindest
rückblickend ein Ganzes, das den Stand der ökumenischen Diskussion
zu einem gegebenen Zeitpunkt markiert" (18).

Als Leitbegriff für die Untersuchung dient nicht ein dogmatisch
gefaßter, das Wesen der Kirchen bestimmender Begriff von Kirche,
sondern das „Bild'von der Kirche". ..jener komplexe Vorst eil ungs-

gehalt aus Wesen, Funktion und Realität der Kirche" (10), der
explizit oder implizit der Zusammenarbeit im ÖRK und seinen
verschiedenen Aktivitäten zugrunde liegt. Dazu wird daiui jeweils
mehreren Fragestellungen nachgegangen, vor allem den theologischen
Grundlagen ökumenischer Arbeit, der Integration der verschiedenen
ökumenischen Teilströme, der Zuordnung von Einheitsmotiv
und Auftragsmotiv, der Korrektur eines möglichen
triumphalistisehen Selbstverständnisses des ÖRK durch Kreuzestheologie
und Eschatologie.

Diesem Ansatz entsprechend, werden bei jeder Vollversammlung
die theologischen Grundlagen und die ihnen korrespondierenden
Leitbilder von der Kirche zunächst aus den sozialethischen und
missionstheologischen Berichten ermittelt und dann mit den Aussagen
der einheitstheologischen Berichte verglichen. Ergänzend
treten einige Exkurse hinzu, z. B. bei Amsterdam über die Haltung
des ÖRK im Koreakrieg und bei Uppsala über das Anti-Rassismusprogramm
. Bei der mit Fragehorizont, Leitbegriff und Fragestellungen
etwas breit gefächorten Zielsetzung der Arbeit, die dann
eine teilweise recht ausführliche Analyse der einzelnen Sektions-
berichte nach sich zieht, ist es gut, daß am Schluß jeden Kapitels
sowie des ganzes Buches die Ergebnisse gezielt zusammengefaßt
werden.

Es wird gezeigt, daß das sozialethische Konzept einer „verantwortlichen
Gesellschaft" in Amsterdam und Evanston „im Rahmen
einer Theologie des ersten Artikels entfaltet (wird), in der
spezifisch christliche Topoi keine entscheidende Rolle spielen" (67),
sondern unter Bezug auf die göttlich-sittliche Norm ein „naturrechtlich
fundiertes Leitbild" der Gesellschaft formuliert wird
(220). Das dazugehörige Bild von der Kirche ist das einer „bevollmächtigtern
] Interpretin des Willens Gottes gegenüber Staat und
Gesellschaft", „die ein moralisches, kein eigentlich politisches
Wächteramt ausübt (69). Erst in Neu Delhi kommt durchweg ein
christologischer Ansatz zum Tragen. Er stellt vor allem die universale
Geltung der Versöhnung und die Herrschaft Christi in den
Mittelpunkt. Ergebnis ist „ein theologisch ausgewogener, in traditionelle
dogmatische Katagorien gefaßter Gesamtentwurf ökumenischer
Theologie in kirchlicher Bindung" (221). Seine Ausrichtung
auf die Sendung der Kirche führt zu dem Leitbild einer
„missionarischen Gemeinde", die in soziolethischem Kontext
dann als „dienende Kirche" beschrieben wird (158), freilich noch
mit der gerade im christozentrischen Universalismus begründeten
Tendenz, der Kirche „eine allzuständige gesellschaftliche Relevanz
" zuzusprechen (159). Uppsala baut die christologische Linie
von Neu Delhi nicht weiter aus, sondern entwirft einen fragwürdi
gen „nach allen Seiten offenen anthropologischen Neuansatz in
geschichtsthoologischer Perspektive" (221), in dem die Grenzen
zwischen Kirche im Dasein für die Welt (entsteht), die sich Art
und Ort ihres Einsatzes im Dialog mit der Wolt anweisen läßt"
(217).

Von Amsterdam bis Neu Delhi stehen die einheitstheologischen
Berichte mit ihrer ekklesiozentrischen Betrachtungsweise relativ
unverbunden neben den anderen, auch wenn es in Neu Delhi
schon eine gemeinsame christologische Grundlage gibt. In Uppsala
kommt es dann erstmals „zu einer vollen Integration der ökumenischen
Aufgabenbereiche", aber nur weil der sozialethische Sko-
pus, säknlarökumenisch radikalisiert, auf die anderen Berichte
übergreift (221). Erst in Nairobi hat die Integration in einer Weise
stattgefunden, „daß keiner der drei ursprünglichen Teilströme für
das Anliegen der jeweils anderen funktionalisiert worden ist, daß
sie sich jedoch wechselseitig durchdrungen und begrenzt haben"
(228). Und erst in Nairobi findet der Triumphalismusverdacht, der
sich für Amsterdam bis Neu Delhi im Blick auf die Kirche und für
Uppsala „in Bezug auf die Welt und den Menschen" (238) bestätigt
hatte, keinen Anhalt mehr; denn es kommt nun ein „Bild von
der Kirche zum Tragen, das handlungsorientiert, aber nicht funk-
tionalistisch ist, auf traditionellen ekklesiologischen und ethischen
Topoi wie denen der eucharistischen Gemeinschaft und der
Nachfolge Christi beruht, aber deshalb nicht relatitätsfern und
unpolitisch ist, das Bild einer Kirche, die säkulare Bemühungen
positiv aufnimmt, aber sich nicht zu deren unkritischem Fürsprecher
macht und gültige Maßstäbe setzen, diese aber nicht autoritär
und normativ vertreten will" (232).

Während in der Einschätzung der übrigen Vollversammlungen