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Ausgabe:

1980

Spalte:

140-141

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Wenz, Gunther

Titel/Untertitel:

Subjekt und Sein 1980

Rezensent:

Langer, Jens

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Theologische Literaturzeitung 105. Jahrgang 1980 Nr. 2

140

,.Theorie" des „Glaubenslebens" darstellt im Medium des allgemeinen
zeitgenössischen Wahrheitsbewußtseins. Umgekehrt gehört
zur Theologie als wissenschaftlicher Theoriebildung die eigene
metatheoretische Ebene wissenschaftstheoretischer Reflexion hinzu
. Von der theologischen Praxissituation her wurde gefordert, die
dogmatisch-kritische und historisch-kritische Theologie durch eine
empirisch-kritische zu ergänzen mit der Stoßrichtung (a) auf die
Praxisrelevanz der Theologie und (b) auf die Neuformulierung ihrer
Identität als Wissenschaft (18). Über die praktische Theologie, speziell
die Religionspädagogik, kam das empirisch-kritische Verfahren
zum Zuge, ohne daß freilich der Praxis-Begriff genügend geklärt
worden wäre.

Dies geschieht hier am Leitfaden eines solchen Erfahrungsbegriffs
, der sowohl menschliche Konstruktion als auch deren Konstitution
im Seinsgeschehen selber beinhaltet (47, 57); und der sich
entsprechend in empirischen Universalien als auch in Begriffen
thematisiert, die den einheitlich-metaphysischen Grundcharakter
geschichtlich-welthaften Seins bezeichnen. Theologie ist notwendig,
weil „das Erfahrbare bloß als solches derart verfaßt ist, daß als eines
seiner irreduziblen Strukturmomente nicht nur z. B. Nahrhaftigkeit
und Sinnhaftigkeit zählen, sondern auch die existenzmäßige
Angewiesenheit auf Transzendenz" (75). Solche Theologie als Erfahrungswissenschaft
- ansatzmäßig nur interdisziplinär zu vollziehen
- stellt die Mannigfaltigkeit ihrer Erkenntnisaufgaben als
Einheit dar, weist sich als kritische Theorie aus in der „kategoria-
Icn Differenz zwischen dem, was von sinnhaft handelnden Instanzen
(Personen) in der Welt getan werden kann und was nicht" (87)
und impliziert grundsätzlich existentielle Betroffenheit (881).

Theologie vermag auf diese Weise den Postulaten „von der Einheit
der Theologie, von ihrem Wissenschaftscharakter und . . . von
ilirem Verpflichtetsein zur Produktion praxisleitender Theorie"
(29) gerecht zu werden.

Für eine detaillierte Würdigung fehlt hier der Raum. Nur so viel:
Das „Wechselspiel von Theorie und Erfahrung" (10) wird erfahrungsgemäß
immer theoretisch „gelöst". Es käme jetzt darauf an,
„die empirischen Verhältnisse im bestehenden Selbstverständnis
und in der bestehenden Organisation von Theologie" (85) gemeinsam
zu verändern.

Rehburg-Loccum Uwe Gerber

Holtmann, Martin: Die Korrelation von Altem und Neuem Bund

(Innerbiblische Korrelation statt Kontrastkorrelation.) Berlin:
Evang. Verlagsanstalt [1978]. 165 S. 8° = Theologische Arbeiten
, XXXVII. Kart. M 12,20.

Eine Gegenüberstellung von Tillich und Bonhoeffer, um mit
Hilfe ihrer Impulse zu weiterführenden Positionen in Kirche und
Gemeinde zu gelangen, darf des Interesses der theologischen Leser
gewiß sein. Der Magdeburger Pfarrer Martin Hohmann legt mit der
veränderten Fassung seiner Berliner Dissertation von 1975 (Referent
H.-G. Fritzsche) eine solche Analyse vor.

Vf. geht bei seiner Untersuchung jeweils bewußt auf die gesellschaftlichen
Bedingungen von B., T. und deren Rezipienten ein.
Gleichzeitig verdeutlicht er, daß seine Voraussetzungen die eines
Pfarrers in der DDR sind. Ebenso hebt er aber auch die Ausstrahlungskraft
von eindrucksvollen theologischen Entwürfen jenseits
der Bedingungen ihrer Entstehung hervor. Für die Darstellung von
T.s Wirkung im Spiegel der Äußerungen Dritter besteht in der gebotenen
Kürze und Auswahl m. E. im Blick auf den Leser keine
Notwendigkeit, größere Ausführlichkeit hingegen müßte das Gewicht
der Untersuchung verlagern. Anders verhält es sich mit dem
Gegenstück in der Beschreibung Bonhoeffers. Mit prägnanten
Stichworten bezeichnet H. die Gründe für dessen Wirkung auf
Zeitgenossen und Nachwelt: diesseitsbezogen und weltoffen, für
andere daseiend, intellektuell redlich und konsequent, widerstehend
und hinnehmend, visionär und antizipatorisch.

Die Analyse der T.schen Korrelationsmethode, die von dem
Kontrast zwischen philosophischer Frage und theologischer Antwort
lebt, schließt mit der Feststellung, daß T.s rühmliche Systematik
mit einem gewissen „Systemzwang" bezahlt wird, der in

seinem ontologischen und existentialistischen Charakter den biblischen
Personalismus und dio biblische Christologie einengt.

Da B. nicht ausdrücklich von Korrelation spricht, bezeichnet H.
B.s Vorgehen als „faktische Korrelation". Vf. versteht darunter
B.s Bemühen, Verbindungslinien innerhalb der Bibel sowie zwischen
Bibel und Weltwirklichkeit auszuziehen. Diese „faktische
Korrelation" wird konstituiert durch die Bewegungen der Auslegung
in der Gegenwart vom NT zum AT und vom AT zum NT hin.
Sie ist bezogen auf die Fülle und Mehrdimensionalität von Menschsein
und Welt, auf das Heil der Menschen-Gemeinschaft und die
Inanspruchnahme der ganzen Welt durch Christus. Diese inner-
bibliseho Korrelation kritisiert nach H. sowohl T.s Kontrastkorre-
lation als auch Bultmanns Entmythologisierungsprogramm.

Schließlich macht der Autor die Probe aufs Exempel und demonstriert
das Arbeiten mit der innerbiblischen Korrelation von Altem
und Neuem Bund an zahlreichen Texten. Ob das Dilemma von
Bibellektüre und Auslegung allein auf diesem Wege ohne ausgeführtes
sozialgeschichtliches Instrumentarium überwunden werden
kann, scheint mir fraglich. Auf jeden Fall aber ist dem Autor und
uns Bibellesern nur zu wünschen, daß anhand dieser Beispiele unsere
kirchliche Bibellektüre ausgiebig diskutiert wird. Damit wäre
dem Anliegen von H. entgegengekommen, der biblischen Tradition
gegenüber allen zweitrangigen Uberlieferungen, die de facto auch
in den Kirchen der DDR häufig den ersten Platz einnehmen, den
Vorrang zu geben.

(Jüstrow .lelis Uuifltl

Wcnz, Gunther: Subjekt und Sein. Die Entwicklung der Theologie
Paul Tillichs. München: Kaiser 1979. 352 S. gr. 8° = Münehener
Universitäts-Schriften. Fachbereich Evang. Theologie. Münchener
Monographien zur historischen und systematisclv-n Theologie
, 3. Kart. DM 45,-.

Vf. setzt mit einer theologiegeschichtlichen und biographischen
Darstellung ein. Auf solche Prolegomena, die in diesem Fall übr igens
interessant zu lesen sind, zu verzichten, wagt wohl niemand,
der eine Entwicklung der Theologie Paul Tillichs vorlegen will,
auch wenn es an solchen Einführungen, deren Verbindlichkeit im
Urteil immer durch Tillichs Eklektizismus begrenzt wird, nicht
gerade mangelt. Eine stärkere Berücksichtigung und Auseinandersetzung
mit der nicht unumstrittenen Tillich-Biographie von W.
und M. Pauck1 war Vf. wohl wegen des Abschlusses seiner Arbeit
im Jahre 1976 nicht möglich.

Im Anschluß an diese Einführung beschreibt W. die Grundstruktur
der Theologie Tillichs, wobei vor allem Schellings Einfluß
demonstriert wird. Im Mittelteil entfaltet der Autor die tragenden
Elemente der Tillichschen Systematik. Hierbei wird deren Offenbarungsichre
als verantwortlich für die Aporien dieser Theologie
erwiesen. Vorzüglich anhand der „Systematischen Theologie" I bis
III erfolgt schließlich die Auseinandersetzung mit der Endgestalt
des Entwurfs. Dabei wird von der Kontinuität des Tillichschen
Denkens ausgegangen.

Geradezu spannend für eine theologische Monographie endet das
Buch, hervorgegangen aus einer von W. Pannenberg betreuten -
für diese Veröffentlichung geringfügig gekürzten - Münchener Dissertation
(Korreferent J. Baur) aus dem Jahre 1976: Auf zwölf
Seiten bietet Vf. „Prolegomena als Epilogomena", einen glänzend
gelungenen Längsschnitt sozusagen durch Freud und Leid des
Tillichschen Werkes. Noch einmal wird Tillichs Anstrengung als
Vermittlung zwischen den beiden theologischen Polen „ewige
Wahrheit" und „gegenwärtige Situation" beschrieben. Dabei tritt
die Korrelationsmethode in den Vordergrund.

Mit Verve schildert W. die Dialektik: „Wirkliches Fragen hat
seine Identität nicht in sich selbst, sondern ist aufgehoben im Anderen
der erwarteten Entgegnung. . . . Rechte Antwort . . . bringt
zur Sprache, eröffnet ein Gespräch und bewahrt das fragende
Über-sich-hinausschreiten. - Heißt das nun aber nicht, der Antwort
jegliche Bestimmtheit zu bestreiten? Dies zu tun, würde die
Leugnung der Aussagefunktion der Sprache und damit letztlich
ihre Sinnentleerung bedeuten. Spraehvorgang und Inhalt des Gesagton
gehören zusammen, fhro Bestimmtheit ist der Antwort also