Recherche – Detailansicht
Ausgabe: | 1980 |
Spalte: | 137-138 |
Kategorie: | Philosophie, Religionsphilosophie |
Autor/Hrsg.: | Berning, Vincent |
Titel/Untertitel: | Gott, Geist und Welt 1980 |
Rezensent: | Foelz, Siegfried |
Ansicht Scan: | |
Download Scan: |
137
Theologische Literaturzeitung 105. Jahrgang 1980 Nr. 2
138
Ansatzpunkte gäbe es genügend, z. B. den Hinweis auf das Sprach-
Subjekt (238), auf die gesellschaftspolitische Funktion der Religion
bei van Buren (142) oder auf den Charakter religiöser Sprache als
transzendentaler Möglichkeitsbedingung alles Sprechens überhaupt
(245).
Kehburg-Loccum Uwe Gerber
Berning, Vincent: Gott, Geist und Welt. Herman Schell als Philosoph
und Theologe. Einführung in die spekulativen Grundlinien
seines Werkes. München - Paderborn - Wien: Schöningh 1978.
132 S. 8° = Abhandlungen zur Philosophie, Psychologie, Soziologie
der Religion und ökumenik, N.F., 37 Kart. DM 18,80.
V. Berning - bekannt durch seine umfassende und tiefe Marcel-
Interpretation „Das Wagnis der Treue. Gabriel Marcels Weg zu
einer konkreten Philosophie des Schöpferischen" - gibt in dieser
kleinen Schrift einen Durchblick durch das Werk des kath. Philosophen
und Theologen Herman Schell. Dieser Arbeit merkt man
an, daß sie aus einer langen Beschäftigung mit dem Werk Sehells
erwachsen ist und zugleich das frühere Buch des Vf. „Das Denken
Herman Sehells - Die philosophische Systematik seiner Theologie
genetisch entfaltet" (Essen 1964) weiterführt. Die Absicht des Vf.
ist es, die Systematik Sehells noch klarer „in ihrem spätidealistischen
Zusammenhang wie in ihrer Originalität" transparent zu
machen. Nach einer kurzen Einleitung werden die „Bedeutung
Sehells und seine geistesgeschichtlichen Auswirkungen" dargestellt .
Hier erfährt der Leser, wie sehr das Werk Sehells „noch immer wie
ein rätselhafter Findlingsstein" aus der neueren Geistcsgeschiehte
herausragt. Es ist noch nicht gelungen, das Gesamtwerk zu durchdringen
. Wesentliche Ansätze der Schellschen Theologie wurden
vergessen - verständlich durch die römische Indizierung seiner
Werke 1899 -, ja sein Werk und seine Person sind weithin „aus
dem theologischen Horizont des gegenwärtigen Katholizismus"
verschwunden. Dagegen in der katholischen Laienb ewegung war
sein Einfluß stärker. Berning weist daraufhin, daß die Ursprünge
zur kath. Erneuerung in Deutschland nach dem Ersten Weltkrieg
schon um die Jahrhundertwende zu suchen sind. Ohne den Aufruf
Sehells ist diese Erneuerung - die liturgische Bewegung, die Jugendbewegung
, die literarische Bewegung um Carl Muth und das
Hochland - nicht denkbar. Aber auch die Theologie der Gegenwart
kann fruchtbare Anregungen von Schell erfahren. Er gehört „ohne
Zweifel zu den größten katholischen Theologen der beiden letzten
Jahrhunderte" (88). Das Werk Sehells wird oft durch Fragestellungen
interpretiert, die man von außen an das Werk herantrug. „Nur
wenige Interpreten versuchen. Schell von sich aus zu verstehen."
(21) Das aber ist das Anliegen Bernings. Was in dieser kleinen
Schrift geboten wird, ist nicht nur ein Durchblick durch das Werk
Sehells, sondern vielmehr ein Durchblick durch die verschiedenen
Denkansätze und Denkrichtungen des 19. .Tb. im Raum der katholischen
Kirche. Der Vf. arbeitet die „philosophischen und theologischen
Quellen" des Schellschen Denkansatzes heraus. Insofern
kommt dem 3. Kap. besondere Bedeutung zu, wo deutlich wird,
wie Schell zwischen Neuscholastik und Spätidealismus im 19. Jh.
oine Synthese sucht. Wichtig ist, daß dieser Versuch sich auf dem
Boden des Spätidealismus vollzieht und nicht auf dem Boden der
Neuscholastik. Hier liegt eine der Hauptursachen für das Mißverständnis
des Begriffes „causa sui" bei Schell. Gegenüber einer rein
abstrakten Begrifflichkeit von der Aseität Gottes versteht Schell
Gott als schöpferische Wirklichkeit, als „produzierende Personalität
", als „positive Aseität". Er geht aus von der Unterscheidung
Sendlings zwischen negativer Bcgriffsphilosophic • worunter er
das Hegeische System, aber auch die Neuscholastik versteht - und
der positiven Philosophie. Gott verstanden in seiner wirklichen
Existenz als lebendige Person kann nur „die selbstursächliche Tat
seiner Selbstsetzung" sein, d. h. „causa sui" im Rinne eines absolut
personalen Geistes, der die Urwirklichkcit personaler Liebe ist.
„Schell wollte zeigen, daß Gott mehr ist als bloß absolutes Sein."
(80) Die Schellsche Bezeichnung Gottes als „causa sui" ist also
nicht aus der scholastischen Denkweise her zu verstehen, sondern
von seiner spätidealistischen Denkmethode her. Wahrscheinlich
hätte Schell den lebendigen Thomismus. wie er sich erst nach seinem
Tode zeigte, besser verstanden.
Im 5. Kap. gibt der Vf. in aller Kürze eine klare und ausgezeichnete
Darstellung der „philosophisch-theologischen Systematik
Sehells". Besonders hebt er hervor Sehells Stellung zu den Gottesbeweisen
, das Verhältnis von Selbstbewußtsein und Leiblichkeit,
von Natur und menschlichem Geist und gibt gleichzeitig einen Einblick
in die Sprachphilosophie Sehells. In einem abschließenden
Kapitel führt der Vf. die Linien der Schellschen Gedanken weiter
und weist auf die besonderen Perspektiven seiner Theologie aus
heutiger Sicht hin: Einheit von Philosophie und Theologie, die
Kategorie der Geschichtlichkeit in der Theologie, das personale
Verständnis der Trinitätslehre. Die ganze Tragik Herman Sehells
wird im Vergleich zu Maurice Blondel deutlieh: „Während Scljell
sich zu seiner Zeit der Indizierung durch Rom unterwerfen mußte,
empfing Blondel eine Generation später hohe Ehrungen von Papst
Pius XII, obwohl im Bemühen beider um die Wahrheiten der
katholischen Kirche kein Unterschied zu sehen ist." (89) Er ist
keineswegs ein „Modernist", sondern ihm ging es um wirkliche
Reform; „er lebte und dachte kirchlich". Auch als Mensch stellt
ihm Berning ein großes Zeugnis aus: „eine durch und durch lautere
Persönlichkeit voll lebendiger Ausstrahlungskraft, ein theologischer
Erzieher und Pädagoge von hohen Graden" (99).
Solche Darstellung, wie sie Berning in dieser Schrift vorlegt, ist
eine notwendige Korrektur im Verstehen des Werkes von Schell.
In den letzten 30 Jahren sind im kath. Raum schon mehrere Arbeiten
über Schell erschienen, in denen man seiner Persönlichkeit und
seinem Werk gerecht zu werden versucht - man denke besonders an
die Arbeiten von J. Hasenfuß. Die Arbeit Berninps ist auf diesem
Weg eine weitere, unersetzliche Bereicherung, weil sie den Schellschen
Denkansatz aus seinen peistesgeschichtlichen Quellen versteht
. Der Vf. erweist sich auch in der vorliegenden Schrift als
hervorragender Kenner der Geistcsgeschiehte des 19. und 20.Jh.
Trotz der knappen Darstellung ist das Werk klar und verständlich,
ein Stück lebendige Theologiegeschichtc des 19. Jh. Vielleicht regt
es den Leser an, ein Werk von Herman Schell seihst zur Hand zu
nehmen.
Dresden Siecfrietl Foelz
Ausmus, Harry J.: Nietzsche and Eschatology (JR 58. 1978 S. 347
bis 364).
Bollnow, O. F.: Das Wort als Entscheidung - Spra chphiloBophi-
sche Aspekte (Univ. 33, 1978 S. 1255-1262).
Illies. Joachim: Die Evolution und der Weg des Menschen - Versuch
einer Synthese (Univ. 33, 1978 S. 1167-1176).
Pearson, Samuel C.: The Religion of John Locke and the Character
of His Thought (JR 58. 1978 S. 244-262).
Richards, Glyn: A Wittgensteinian Approach to the Philosophy of
Peligion: A Critical Evaluation of D. Z. Phillips (JR 58. 1978
S. 288-302).
Stüttgen. Albert: Ende des Humanismus - Anfang der Religion?
Mainz: Matthias-Grünowald-Verlag [1979], 195 S. 8°. Kart. DM
25,-.
Weizsäcker. Carl Friedrich von: Die Verteidigung der Freiheit und
die Gesellschaft (Univ. 33, 1978 S. 1233-1240).
Whittaker, John H.: Wittgenstein and Religion: Sonic Later Views
of his Later Work (RSR 4, 1978 S. 188-193).
Systematische Theologie: Allgemeines
Herms, Filert: Theologie eine Erfahrungswissensehafl. München:
Kaiser [1978]: 100 S. 8° = Theologische Existenz heute, 19.
Kart. DM 12,80.
Die These dieser Abhandlung lautet: „Theologie produziert
handlungsoricntierendes theoretisches Wissen, indem sie selbst
sieh als Erfahrungswissenschaft konstituiert" (10). Das Problemfeld
dieser These ist die Diskussion um den Wissensehaftscharakter
der Theologie, die sieh seit Aufklärung und Pietismus bewußt als