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1980

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Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

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Theologische Literaturzeitung 105. Jahrgang 1980 Nr. 2

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nym überliefert sind - s. G. Bickell, „Bibl. der Kirchenväter, Ausgew
. Schriften der syrischen Dichter Cyrillonas usw." Kempten -
München 1913, S. 47.

Als viertes Werk des Cyrillonas folgt das lange „Gedicht vom
Überfall der Hunnen auf Syrien", das eine umfassendere Überschrift
verdient, vgl. die Fassung in der „Bibliothek der Kirchenväter
, Ausgewählte Schriften der syrischen Dichter Cyrillonas
usw." (Kempten - München 1913, S. 9). - Sollte auf S. 134, V.5
„uczy" (= lehrt) nicht richtiger sein als „uczy sie/' (= lernt)? Vermutlich
ist hier doch von der Lehrtätigkeit der Apostel die Rede,
vgl. die Übersetzung Landersdörfers in dem gen. Bd. der BKV,
S. 20 oben.

Auf S. 149 folgt das herrliche Lied zur Einweihung der Kirche in
Kenneschrin von Baläu-s (Bnlai) mit dem Dank nicht nur an die
Geber von Geldspenden, sondern auch an die Bauarbeiter; mit den
schönen Worten über das Gotteshaus und die „innere Herzenskirche
", mit den großartigen Ausführungen über Gottes „zweifaches
Dasein" - im Himmel und in seiner Kirche; mit der eindrucksvollen
Aussage über den Menschen und seine Bestimmung („Aber er
hat den Menschen erbaut, damit der Mensch für Ihn baue",
V. 245f); endlich mit der Gegenüberstellung des schlafenden Zion
und des wachen Babylon im Bericht von den morgenländischen
Weisen und der später wohl oft in Predigten wiederholten Gegenüberstellung
des Sterns und der hl. Schrift.

Der letzte Beitrag bringt in polnischer Übersetzung ein „Lied
von der Kathedrale zu Edessa", das Werk eines unbekannten Dichters
des 5. Jh. Diese Übertragung zeichnet sich vor der deutschen
Übersetzung H.Gonnsens im „Museon" 38, 1925, 120ff dadurch
aus, daß die 22 offenbar doppelseitigen Strophen als solche im
Druck kenntlich gemacht und durchgezählt sind. Man vermißt jedoch
eine inhaltliche Einführung oder Anmerkungen über Geschichte
und Anlage des berühmten Heiligtums (vgl. dazu H.Gons-
sen). So wäre zu Str. 3 über die dort genannten Personen das Nötigste
mitzuteilen, auch zu Str. 9 ein Hinweis auf das berühmte
Abgarbild Christi und zu Str. 18 eine Worterklärung („Cherub" =
Vorhang).

Bei der Wiedergabe der syrischen Dichtungen wären wohl noch
in größerem Umfang, als hier geschehen, Hinweise auf Bibclstellen
(in einem Kall auch auf ein altkirchliches Symbol) erwünscht.

Die hier besprochenen Übersetzungen können nicht nur den
Katholiken, sondern auch den orthodoxen und evangelischen Minderheitskirchen
in Polen einen neuen Zugang zum frühen Christentum
verschaffen. Gegen Schluß des Kirchweihliedes Baiais rindet
sich der schöne Gedanke: Die Kirche kann in die Irre gehen, kommt
aber dann doch durch die hl. Schrift wieder auf den Glaubensweg -
ein Gedanke der geeignet ist, die getrennten Kirchen einander
näher zu bringen.

BraunBChweig Arnold Starke

Lüdemann, Gerd: Zur Geschichte des ältesten Christentums in

Rom. I. Valentin und Marcion II. Ptolemäus und Justin (ZNW

70, 1979 S. 86-114).
Mohr, Rudolf: Das Konzil und das Glaubensbekenntnis von Nicäa

(EvTh 37, 1977 S. 600-616).
Quinn, Jerome D.: „Seven Times He Wore Chains" (ICIem 5.6)

(JBL 97, 1978 S. 574-576).
Wischmeyer, Wolfgang: Die Bedeutung des Sukzessionsgedankens

für eine theologische Interpretation des donatistischen Streites

(ZNW 70, 1979 S. 68-85).

Kirchengeschichte: Mittelalter

Struvc, Tilman: Die Entwicklung der organologischen Staatsauffassung
im Mittelalter. Stuttgart: Hiersemann 1978. VIII, 349 S.
gr. 8° üi Monographien zur Geschichte des Mittelalters, 16. Lw.
DM 154.-.

Die Stuttgarter Habilitationsschrift untersucht mittelalterliche
Quellen, die den natürlichen Organismus des Menschen und den
Aufbau der Gesellschaft vergleichen. Es ergibt sieh ein „Überblick

über die Entwicklung der mittelalterlichen Staatsvorstellung" (1).
Struve umreißt die antiken Grundlagen, zumal die Unterschiede
zwischen Plato und Aristoteles (17). In der Linie stoischer Godan-
ken verwendete Paulus „den Organismusvergleich zur Kennzeichnung
der zwischen den einzelnen christlichen Gemeinden und Christus
bestehenden besonderen Beziehung. Hiernach wird die Kirche
in ihrer Gesamtheit als ,Leib Christi' gedeutet, dessen Haupt Christus
darstellt" (21/22). Die römische Linie führt über Livius, Cicero
und Tacitus zu Soneca, dessen Schrift „de dementia" analysiert
wird unter der Überschrift: „Der organische Gedanke im Dienste
der antiken Herrscherethik" (36-43). Dio antiken Gedanken hatten
jedoch auf direktem Wege „zunächst nur geringen Einfluß auf dio
mittelalterliche Anschauung vom Staat" (44). Die Anschauung
vom Staat als Organismus wurde dem Mittelalter über zwei Brük-
ken vermittelt: Durch Schriften Augustins (45-67) unter der mißverständlichen
Uberschrift „Die christliche Staatslehre Augustins"
sowie den bisher kaum beachteten Timaios-Kommentar des Calci-
dius (67-71). der das Prinzip der stufenweisen Unterordnung der
einzelnen Teile unter ein Zentralorgan in den Vordergrund stellte
und so „einen Anknüpfungspunkt für die Ständelehre des frühen
und hohen Mittelalters" bildete (71). Der beachtliche Einfluß auf
den arabischen Philosophen AI Farabi (f 950) blieb für das Abendland
ohne Bedeutung (71-86).

Das frühe Mittelalter wird pauschal abgehandelt: „Dio antike
Anschauung vom Staat als Organismus, die wesentlich durch den
Gedanken einer in Kintracht und Harmonie verbundenen Vielheit
der Glieder bestimmt wurde, fand im Mittelalter keine unmittelbare
Fortsetzung" (87). Der in der Antike ausgebildete Organismusgedanke
wirkte „lediglich im Rahmen der von der Bibel und
der Patristik überlieferten Vorstellung von der Ecclesia als corpus
(!hristi fort" (87). Zwei Quellenzitate bringt St. für die „Tendenz,
dem weltliehen Oberhaupt die Leitung der Ecclesia zu übertragen"
(91, Anm. 24 und 25). Dazu hätte sich doch mehr finden lassen!
Die Zweigewal tentheoric des Gelasius494 soll von Jonas von Orleans
im 9. Jh. weitergeführt worden sein in dem Sinne, daß dem Prie-
stertum ein Vorrang zukomme, „da dieses auch für das Seelenheil
der Könige verantwortlich ist" (94). Das steht doch aber auch
schon bei Gelasius! Gründlichere Quellenanalysen bietet St. für
die Zeit des Investiturstreites. Radikale Forderungen von päpstlicher
Seite bewirkten, daß man sich auch auf die Eigenständigkeit
des Staates besann. Das bezeugt die im Kloster Farfa entstandene
„Orthodox* defensio imperialis" (101-106). Humbert, Ivo von
Chartres. Wilhelm von Conches, Hugo von Fleury. Alanus ab Insu-
lis und Bernardus Silvestris kommen zu Wort (107-122). Einen
..Durchbruch der organologischen Staatsauffassung" brachte die
Schrift „Policratius" des Johann von Salisbury (123-148). Heidnisch
-römische Traditionen wurden wiederbelebt. Johann von
Salisbury begriff „den Staat als einen nach dem Vorbild der Natur
und der mikrokosmisohen Struktur des menschlichen Organismus
gestalteten beseelten Körper, der aus Haupt und Gliedern besteht
und in seiner Gesamtheit der Leitung der Vernunft unterworfen
ist" (124). Freilich soll dann die Kirche als „Seele" des Staates eine
besondere Bedeutung haben, die aber nicht zu einer Vorherrschaft
des Klerus über den Staat führen sollte.

Einen neuen Anstoß brachte 1260 die Übersetzung der „Politik"
des Aristoteles ins Lateinische. Thomas von Aquino begann 1265
eine Schrift „De regimine prineipum" für den König von Cypern
(150-165). Gedanken des Aristoteles werden mit christlichen Traditionen
verschmolzen. Die angefangene Schrift wurde von Tolo-
meo von Lucca fortgesetzt (165-178). Der im Sinne des Aristoteles
als Organismus verstandene Staat wurde in ein kirchlich geprägtes
Ordnungssystem einbezogen. „Die aristotelische Anschauung, wonach
alles Organische notwendig von einem ersten leitenden Prinzip
bestimmt werde, diente Tolomeo von Lucca somit nicht nur zur
Kennzeichnung der staatlichen Ordnung, sondern in gleicher Weise
auch zur Begründung des päpstlichen Primats" (178). Ein anderer
Thomas-Schüler zog andere Konsequenzen: „Die Begründung der
Erbmonarchie in dem aristotelisch beeinflußten Fürstenspiegel des
Aegidius Romanus" (178-196). Die Selbständigkeit des französischen
Königs sollte hier gestärkt werden. Der gelehrte Abt Engelbert
von Admont zog andere Konsequenzen: „Die Verbindung der
aristotelischen Staatslehre mit dem Gedanken der Weltherrschaft
. .." (196-210). Über ihn hinaus führte Dante Alighieri: „Die