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Ausgabe:

1980

Spalte:

111-112

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Christian, Paul

Titel/Untertitel:

Jesus und seine geringsten Brüder 1980

Rezensent:

Merk, Otto

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Theologische Literaturzeitung 105. Jahrgang 1980 Nr. 2

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Wertvolle (oder fast alles), was über die johanneische Wahrheit
geschrieben worden ist, wird hier gründlich besprochen. Wichtig
erscheint mir die Verinnerlichung der Wahrheit bei Johannes, die
der Vf. herausstellt (637-787). Der falsche Weg, den manche Kirchenväter
oder moderne Kommentatoren eingeschlagen haben,
wird auch deutlich markiert. Ein großes Plus des Buches ist, daß es
sich nicht, wie leider so oft in der neueren Forschung in Frankreich,
Deutschland oder England, an enge sprachliche Grenzen hält. Hier
werden italienische, skandinavische, holländische oder spanische
Beiträge mit demselben Ernst behandelt wie deutsche, französische
oder englische (natürlich auch lateinische und griechische). In dem
Sinne liegt hier eine im besten Sinne „ökumenische" Arbeit vor.
Der Vf. will nichts auslassen, um sein wichtiges Thema „wahrheitsgemäß
" zu behandeln. Er weiß, mit L. Laberthoniere, den er am
Anfang des Buches als Motto zitiert, daß die Welt mehr denn je die
Wahrheit des Christentums braucht, um zu leben. Darum unternimmt
er diese großartige Kleinarbeit an dem zentralen Thema der
Wahrheit bei Johannes.

Lund Rene Kieffer

Christian, Paul: Jesus und seine geringsten Brüder. Mt 25,31-46
redaktionsgeschichtlich untersucht. Leipzig: St. Benno-Verlag
1975. XXIX, 108 S. 8° = Erfurter Theologische Schriften, 12.
M 12,75.

Vorliegende Untersuchung ist einer seit Jahren lebhaft diskutierten
Perikope gewidmet, die auch durch das II. Vaticanum (bes.
Mt 25,40) zu einiger Bedeutung gelangt ist. Eine Aufarbeitung der
Forschung war darum angezeigt und dient dem Autor als „Teil
einer umfassenderen Abhandlung über das Thema ,Das Gericht
des Menschensohnes Mt 25,31-46. Ein Beitrag zum Verhältnis von
Christologie und Ethik im Mattäusevangelium'" (S.V). Die Darlegungen
berücksichtigen die Literatur bis 1971. Ist auch die Forschung
zur anstehenden Perikope in den letzten Jahren nicht unerheblich
fortgeschritten (vgl. bes. U.Wilckens, Gottes geringste
Brüder - zu Mt 25,31-46, in: Jesus und Paulus. Festschrift für
Werner Georg Kümmel, 1975, 8. 363-383, und die grundlegende,
wohl vorerst die Bemühungen um Mt 25,31-46 abschließende Untersuchung
von Joh. Friedrich, Gott im Bruder? Eine methodenkritische
Untersuchung von Redaktion, Überlieferung und Traditionen
in Mt 25,31-46, Calwer Theologische Monographien, Reihe
A: Bibelwissenschaft, Bd.7, Stuttgart 1977), und ist manche Ausführung
des Autors inzwischen teilweise überholt, so behält doch
die hier anzuzeigende, geraffte, in nüchternen Urteilen klare Bestandsaufnahme
ihren eigenen Wert. Sie kann, weil neueste Untersuchungen
vorliegen, kurz zusammengefaßt werden:

Nach einer die anstehenden Probleme umreißenden,. Einleitung"
(1-10) werden diese selbst in zwei Abschnitten zentriert in kritischem
Referat vorg estellt. Der „1.Abschnitt: Mt 25,31-46 - Gerichtsmaßstab
für Heiden oder für alle Völker?" (11-36 [Anm. S.
77-94]) führt unter besonderer Berücksichtigung des mt Kontextes
und der Deutungen von n&vra xa s9-vj], &Xd%iOToe und iahXcpoc; zu
dem Ergebnis, daß das Gericht auf alle Menschen bezogen und
nicht auf die Heiden beschränkt ist und daß „die geringsten Brüder
" insgemein die Notleidenden, nicht aber im besonderen die
Christen (oder ihre Missionare/Boten) meinen. - Im „2. Abschnitt"
werden unter der Voraussetzung der „Identifizierung des Königs
mit den Geringsten" (37-56 [Anm. S. 94-103]), nämlich „Jesu mit
den Geringsten" und zwar „speziell" in seiner Funktion „des königlichen
Menschensohnes" (37; vgl. 56) die wichtigsten Deutungen
älterer und neuerer Zeit (gelegentlich zu kurz) diskutiert, wobei auf
den Ausführungen über „Die Identifizierung des Königs mit den
Geringsten im Kontext des Mattäusevangeliums" (48ff) der redaktionsgeschichtlichen
Fragestellung des Vf. entsprechend das
eigentliche Gewicht liegt. Denn die den Autor bewegende Frage
zielt darauf, wie die genannte Identifizierung des Königs sich zu
der „Forderung der Liebeswerke" verhält, wie die Zuordnung von
Christologie und Ethik im MtEv unter Berücksichtigung der anstehenden
Perikope gelöst wird (56-65): „Die Synthese von Gottes-
und Nächstenliebe" (59; vgl. 64) in Mt 25.31-46 wirkt sieh positiv
auf das ganze MtEv aus. Denn „Ziel der Ethik ist nach Mattäus . . .

die Gemeinschaft mit dem, der sich als der ,Gott mit uns' [sc. Emmanuel
, Mt 1,21; vgl. 49] geoffenbart hat, durch die Werke der
Nächstenliebe. Darin scheint das mattäische Verhältnis von Christologie
und Ethik bestimmt zu sein" (64).

Die im ganzen nützlichen Informationen (von einigen offenen
Fragen abgesehen) verlangen freilich eine Präzisierung und Weiterführung
im Hinblick auf das Verhältnis von „Redaktion und Tradition
" (trotz S. 56 f). Diese Fragestellung kommt in der bewußt
redaktionsgeschichtlich ausgerichteten Untersuchung zu kurz (es
ist nicht verwunderlich, daß gerade hier in der neuesten Diskussion
über Mt 25,31-46 Lücken in der Forschung der letzten beiden Jahrzehnte
gesehen wurden; vgl. Joh. Friedrich, a.a.O.). Eine traditionsgeschichtlich
ausgewiesene Verifizierung seiner redaktionsgeschichtlichen
Erörterungen hätto dem Vf. nicht nur methodisch
das Erarbeitete unterbaut, sondern hätte auch Anlaß zu der gezielten
Rückfrage geboten, inwieweit die Perikope (oder Teile derselben
) einen Anhalt in der Verkündigung Jesu hat. Vielleicht kann
der Autor in seine o. g. angekündigte Untersuchung diese Fragestellung
einbeziehen.

Errata: S. XX: lies: Kuinoel, Chr. Th., Evangelium Matthäi ..., Leipzig
■1816. - S. XXI: lies: Neirynck (der Name ist durchgehend falsch geschrieben). -
S. XXV: lieB: Graß, H., Ostergeschehen und Osterberichte, Güttingen «1962. -
S. 40, Z.Z. v.o.: lies: Feuillet. - S, 82 Anm. 108 fehlt der Scitenverweis. -
-S.97 Anm. 276: lies: G. Stählin.

Erlangen Otto Merk

Synofzik, Ernst: Die Gerichts- und Vcrgeltungsaussagen bei Paulus.

Eine traditionsgeschichtliche Untersuchung. Göttingen: Van-
denhoeck & Ruprecht [1977]. 167 S. gr. 8° = Göttinger Theologische
Arbeiten, 8. Kart. DM 22,-.

Synofzik geht es in seiner 1973 in Göttingen angenommenen und
inzwischen leicht überarbeiteten Dissertation um die Frage der
Integration der Gerichts- und Vcrgeltungsaussagen in die paulini-
sche Theologie. Auffällig ist sofort die Anlage der Arbeit: Synofzik
geht nicht „von einer übergeordneten einheitlichen systematischen
Fragestellung" aus, da er dabei die Gefahr sieht, „die paulinischen
Texte in eine ihnen nicht angemessene, von außen herangetragene
Schablone zu pressen" (12). Eine solche Gefahr sieht er in den in
jüngerer Zeit erschienenen größeren Arbeiten zum Thema von
C. Haufe, Die sittl. Rechtfertigungslehre des Paulus, 1957, und bes.
L. Mattern, Das Verständnis des Gerichts bei Paulus, 1966, insofern
gegeben, als etwa in der Unterscheidung eines „christlichen"
und „christlicheren" Verhaltens (Mattern, 198), von dem das Gericht
abhängt, eine synergistische Lösung gegeben sei (11). Stattdessen
arbeitet Synofzik form- und traditionsgeschichtlich, d. h. er
ordnet die entsprechenden paulinischen Aussagen unter formgeschichtlichen
Gesichtspunkten und fragt dann jeweils im einzelnen
nach ihrer Tradition und deren Interpretation durch Paulus
(12). Er behandelt demnach die Gerichtsaussagen innerhalb der
Danksagungen, Gebetswünsche und Lobsprüche (16ff), der Polemik
(31 ff), der aktuell-persönlichen (39 ff) wie der allgemeinen
Paränese (65ff), der Aussagen über die Rechtfertigung (78ff) und
Christologie (91 ff). Ein als Zusammenfassung gedachter Abschnitt
über die Aufnahme traditioneller Gerichts- und Vergeltungsaussagen
durch Paulus und ihren Ort innerhalb der paulinischen Theologie
beschließt die Arbeit (104 ff).

Einige wesentliche Ergebnisse des Buches: Im Gegensatz zu der
in der Forschungsgeschichte immer wieder auftauchenden Interpretation
des Gerichts nach den Werken als Relikt aus der jüd.
Vergangenheit des Paulus betont Synofzik, daß schon die Verwendung
dieses Gedankens an zahlreichen Stellen und sehr verschiedenen
formalen und inhaltlichen Zusammenhängen mehr sei als bloßo
Tradierung (106; freilich: Beweist das, daß der Gerichtsgedanke
kein Relikt ist?). Paulus habe die Gerichtsaussagen „durchaus in
seine Theologie integriert . . ., indem er diese Aussagen nicht nur
tradiert.'sondern auch durch Zusätze und durch seine Argumentation
im Kontext interpretiert hat" (106). Z. B. habe Paulus 2Kor
5,10 mittels'der'Hinzufügung „rä ihä xoü mbftutos" zu der trad.
Gerichtsaussage die Verantwortlichkeit vor Gott betont (74 ff) -
eine sicher richtige Aussage, doch wird damit schon eine Integration
in die panh Theologie resp. Rechtfertigungslchro gezeigt? Daß