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Ausgabe:

1980

Spalte:

104-105

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Holladay, William L.

Titel/Untertitel:

The architecture of Jeremiah 1-20 1980

Rezensent:

Herrmann, Siegfried

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Theologische Literaturzeitung 105. Jahrgang 1980 Nr. 2

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oder eng zusammengehörende Satzkomplex, in dem p"^ zu finden
ist, für die Aussage der ganzen Einheit besitzt, wird die Absieht
der Einheit erarbeitet. Dies geht so vor sich, daß gleichsam konzentrische
Kreise immer enger gezogen werden, bis nur noch das Wort,
gebildet mit Hilfe der Wurzel pTIS übrigbleibt. Auf diesem Wege
werden auch die einzelnen Verse der Texteinheit erörtert. Besonderes
Interesse gilt dem p"i^-haltigen Vers, bzw. den für das Hebräische
kennzeichnenden stilistischen Querverbindungen. Als Ergebnis
wird das für die jeweilige Einheit zutreffende ,Kleinwortfeld'
angegeben werden können" (19/20). Für ,Kleinwortfeld' möchte der
Vf. präziser ,kontextueller Worthorizont' sagen. Für dessen Darstellung
verwendet Reiterer einen schematischen tabellarischen
achtspaltigen Raster, dessen Grundelemente er von M. Ossege
(Linguistica biblica 34,1975, bes. 96 f) übernimmt. Die Zusammenschau
der kontextuellen Worthorizonte läßt die Wortfelder des
Dichters erkennbar werden und macht darüber hinaus bewußt, daß
sdq verschiedenen Verwendungsbereichen zugehört. Innerhalb dieser
muß nach der Funktion gefragt werden, die sdq jeweils erfüllt
(20).

Ein besonderer Akzent liegt auf der Untersuchung der deutero-
jesajanischen Belege (24—116). Nach der Abgrenzung von Texteinheiten
und ihrer gattungsmäßigen Bestimmung folgt die Eruierung
des Wortgebrauchs, sehr differenziert und detailliert durchgegliedert
und oft zusammengefaßt zu Ergebnissen der Untersuchung
, wobei dann der genannte Raster Anwendung findet. Eingeschoben
ist öfter die Untersuchung von Parallel-Termini (z. B.
'öz, däbär, saTom, mispätu. a. m.) oder solchen Wörtern, die auf die
Erfüllung der Funktionsaufgabo von sdq in der Texteinheit einen
besonderen Einfluß nehmen (z. B. auch jada'). Diese Termini werden
jeweils in ihrem Gesamtgebrauch in Jes 40-55 und ihrem
Spezialgebrauch bei der untersuchten Texteinheit vorgeführt.
Überhaupt wird auf die Verdeutlichung der Äquivalenz- und Oppositionsbeziehungen
der Wurzel sdq in den untersuchten Texteinheiten
Wert gelegt.

Auch auf dem anderen Teil, nämlich auf der Untersuchung vor-
deuterojesajanisehen Gebrauchs von sdq im Alten Testament, liegt
ein starker Akzent (118-205). Doch muß die Vorführung dieses
Materials, seiner Untersuchung und Ergebnisbezeichnung wesentlich
kürzer sein als in dem vorangegangenen Teil, da sonst die Arbeit
ungeheuer anwachsen würde. Der Vf. meint aber, mit Hilfe der
Schematisierung das , Gerüst der Überlegungen' doch anschaulich
genug vermitteln zu können. Dort liegen freilich Unsicherheitsmomente
für den Leser, der an dieser Stelle stärker auf das Zutrauen
zur Arbeit des Autors als auf deren Nachvollzug angewiesen
ist. Nach der Untersuchung des Gebrauchs von sdq in den o. g.
Literaturkomplexen steht jeweils ein Ergebnis, das sofort mit Deu-
terojesaja verglichen wird. Im Gegensatz zu dem vorangegangenen
Teil folgt auf diesen keine abschließende Zusammenfassung. Als
eine solche könnte der letzte sehr kurze Teil der Arbeit angesehen
werden, ,Die Tradition und Deuterojesaja' (208-216), in welchem
Reiterer Positionen der jüngeren Forschungsgeschichte und Ergebnisse
der eigenen Untersuchungen gegenüberstellt und schließlich
Deuterojesajas Stellung in der Tradition zu orten versucht. Den
Beschluß machen ein Literaturverzeichnis sowie je ein Register zu
den ausführlicher behandelten Stellen und hebräischen Wörtern
(217-226).

Als Ergebnis kann festgehalten werden, daß sdq bei Deuterojesaja
sowohl im ,gerichtstechnischen' als auch im ,geschichts-
theologischen Anwendungsbereich' funktioniert. Es zeigt sich, daß
der Gebrauch von sdq in diesen beiden Anwendungsbereichen weitgehend
im Traditionellen verbleibt, welches freilich seine Spezifik
und Präzision durch die geschichtliche Situation der Exilszeit erhält
. Gerade für die geschichtstheologische Dimension bedeutet sdq
Befreiung, Rettung und ungetrübtes Heil, das Jahwe seinem in
Babylonien gefangenen Volk zuwenden wird. Nur in einer Hinsicht
geht der Prophet über die bisherige Tradition hinaus. Er erwartet
durch sdq und sdqh umschriebenes Heil auch für die Völkerwelt und
wirkt darin für nachdeuterojesajanische Traditionen (etwa in bestimmten
Psalmtexten repräsentiert, Ps 96; 98) stark beeinflussend
. Erwähnt werden sollte, daß Reiterer immer wieder mit der
Literatur im Gespräch ist und daß er, manchmal bis in das Verständnis
der Einzclstelle hinein, bisher vertretene Positionen nennt
und sie mit seinen Untersuehungsergebnissen konfrontiert. Was für

eine immense Arbeit hinter dieser Studie steht, ist deutlich zu verspüren
. Es ist sympathisch, eine solche .Begriffsuntersuchung' einmal
auf Grund moderner sprachtheoretischer Methoden vorgeführt
zu erhalten, und es ist auch ersichtlich, daß beachtenswerte
Ergebnisse mit Hilfe dieser Methodik zu erzielen sind. Doch möchte
man fragen, ob solche Resultate nicht auch auf herkömmliche
Weise zu erreichen sind, und ob Aufwand und Effekt in vertretbarem
Verhältnis zueinander stehen. Wichtiger als dies scheint jedoch
die Frage nach den Grenzen dieser Methode zu sein, die sich
der Vf. auch redlicherweise selber stellt, wenn er an einer Stelle auf
die Grenzen der Schematisierung (213) zu sprechen kommt. Die
Analyse mit all ihren Quantifizierungen und Durchschematisierun-
gen läßt vielleicht vieles bewußter in das Blickfeld treten, als dies
bisher der Fall war. Und gewiß ist auf diese Weise die sprachtheoretische
Anatomie eines Textes möglich und beschreibbar. Doch wird
der Text nach einer solchen .Behandlung' wieder leben? Wie entkommt
man der Begrenzung, die der Schematisierung innewohnt?
Welche methodischen Schritte sind zu unternehmen, um zu einer
richtigen Deutung des Schemas zu gelangen? Auch dies sollte methodisch
durchdacht und bewußt gemacht werden. Insgesamt darf
man aber dem Autor für die vorgelegte Arbeit dankbar sein.

Leipzig Siegfried Wagner

Holladay, William L.: The Architecture of Jeremiah 1-20. Lewisburg
: Bueknell University Press; London: Associated Uni versity
Presses [1976]. 204 S. 8°. Lw. £ 6.50.

William L. Holladay ist bereits durch zahlreiche Arbeiten zum
Buche Jeremia hervorgetreten. Hier legt er eine umfangreichere
Studie zum Aufbau des Jeremiabuches Kap. 1-20 vor. Hinter dem
für deutsches Empfinden anspruchsvollen Wort „architecture"
verbirgt sich die alte Frage nach deutlich aufweisbaren Grundlinien
der Disposition des Prophetenbuches. Dabei orientiert sich
der Vf. zunächst im wesentlichen an den bereits geläufigen Großformen
: Berufung Jerl; der Zyklus 2-6; Tempelrede 7; der Komplex
8-10; das Material der Kapitel 11-20. Innerhalb dieser Einheiten
findet, er jedoch Strukturen und Zusammenhänge, wie sie
bisher in solcher Form noch nicht eruiert wurden.

Anregend wirkte J.R.Lundbom: Jeremiah. A Study in Ancient
Hebrew Rhetorie (Society of Biblical Literature and Scholars
Press, 1975), von dem H. das Prinzip der „inclusio" übernommen
hat. Darunter ist eine Art von „Wiederaufnahme" einmal verwendeter
Begriffe, Versteile oder ganzer Verse zu verstehen, die zugleich
als Merkmale für die Gliederung eines Textes benutzt werden
können („inclusio", which balances the end of a unit with its
beginning. Lundbom a.a.O. S.l). So wird eine „great inclusio"
zwischen der Berufungserzählung Jer 1,4—10 und dem Text der
letzten „Konfession Jeremias" in 20,14-18 erkannt. Dies3 Stellen
bilden gleichsam die Eckpfeiler der ersten großen Textsammlung
im Jeremiabuch und rechtfertigen die Begrenzung der ganzen hier
vorgelegten Studie auf die Kapitel 1-20. Innerhalb dieser Großform
beobachtet H. an Hand der Wiederaufnahme oder bewußten
Einsetzung von Stichworten Dispositionsprinzipien der Sammlung,
die sich nur teilweise aus der thematischen Zusammengehörigkeit
der entsprechenden Stücke erklären; hauptsächlich waren es klangliche
Assoziationen von „key words" oder „key words" selbst, die
die Komposition der kleineren Einheiten zur heute vorliegenden
Großform veranlaßten oder unterstützten. Am besten sei das an
dem folgenden Beispiel demonstriert.

Im Berufungsbericht Jerl weist der Begriff na'ar „jungerMann"
vor aus auf das Wort ne>ürn ';k ..deine Jugend" in 2,2. In der ersten
Vision Jerl,11.12 leitet das Wort niaqqel „Zweig" den Vf. auf Hos
4,12 hin, wo von einem „Stab" die Rede ist, der Orakel gibt. Weil
dort die Fortsetzung lautet: „denn ein Geist der Hurerei hat sie
irregeführt" findet H. in der Jeremia-Vision vom „Zweig" (die
Näherbestimmung als., Wacholdorzweig" maqqel säqed bleibt unbeachtet
!) eine vorausweisende Anspielung auf den von ihm so genannten
„harlotry-cycle" in Jer 2-3. Die zweite Vision Jer 1,13.14
antizipiert mit dem Bild vom kochenden Topf den sog. „foe-cycle"
in Jer 4-6 „(note, at this point, missäpön and (hä) rö'd in 1,14 and
4,6)" S. 28. H. folgert (S. 29): „I suggost, then, that the earliest