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1980

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Systematische Theologie: Dogmatik

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 105. Jahrgang 1980 Nr. 1

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fung durchpulsende Macht. „Ihre Signatur ist nüchterne
Weltlichkeit und aufgeschlossene Menschlichkeit" (20), ihr
Anfang aber ist die Furcht Jahwes (Spr 1,7 u. ö.). Selbstzeugnis
der Schöpfung will Kraus mit Ps 19 verstanden wissen
als Gott zugewandte „Glossolalie der Schöpfung
" (25). In der sich selbst mitteilenden Macht und Wesenheit
der Weisheit ist nichts anderes und kein anderer
auf dem Plan als der fleischgewordene Logos, „in seinen
präexistenten Wirkungen" (25). I n der Finsternis „gibt es,
gibt e r die Lichtzeichen der Weisheit" (27) — die denjenigen
weise machen, der weiß, daß er nichts hat, was er nicht
empfangen hat (IKor 4, 7), und die teleologisch nicht etwa
nur auf menschliches Selbstverständnis, sondern auf Veränderung
der Welt weisen (vgl. S. 13. 27 f.).

H. Berkhof verficht mit seinem Vortrag .Barths Lichterlehre
im Rahmen der heutigen Theologie, Kirche und
Welt' bei stärkerem Eingehen auf Barth ein selbständiges
Anliegen. Er sieht durch G. v. Rads .Weisheit in Israel' (Neukirchen
1970) „das Selbstzeugnis der Schöpfung" (v. Rad)
zu dogmatischer Verarbeitung aufgegeben (30). Er versteht
es mit Calvin als Selbstbezeugung Gottes in der Schöpfung
(33). Und er sieht auch bei Barth entsprechende Ansätze.
Einmal in Barths letzten dogmatischen Vorlesungen (,Das
christliche Leben' = Gesamtausgabe Bd. 7, 1976, § 77, 2), wo
Gottes .objektives Bekanntsein' in seiner Schöpfung
betont wird (194 ff.). Nicht minder in Barths eigenem Lebenslauf
, wo nicht etwa nur in dem einen Licht des Lebens
die Lichter der Welt als Reflektoren zu leuchten anfingen,
sondern doch auch „durch die Leuchtkraft bestimmter Erfahrungen
... das vorher verdunkelte Evangelium neu beleuchtet
" wurde (38). Berkhof verfleht „Wechselwirkung
zwischen dem Licht und den Lichtern" als Weg der Offenbarung
(44): Da erschließen uns die Lichter das Licht. Dies
gewiß nicht ohne notwendigen „Streitprozeß" (42 ff.; man
vergleiche Emil Brunners „Eristik") — des Lichts gegen sich
verirrende Lichter. Aber nicht so, daß wir dadurch der
Wechselwirkung enthoben würden (43 f.). Simplex cognitio
Dei ist erst am Ende zu erwarten (46). Einstweilen belehrt
die Welt die Kirche chokmatisch ebenso gewichtig wie die
Kirche die Welt kerygmatisch (45 f.) — weit davon entfernt,
daß „die Kirche die Weisheit in Erbpacht hätte und der Verkehr
zwischen Kirche und der Welt grundsätzlich eine Einbahnstraße
wäre" (46)! Die Lichter bedürfen Jesu Christi
als des Mittelpunkts, er braucht sie als Umkreis (47).

Nun, ein Stückweit rennt Berkhof bei Barth offene Türen
ein. „Lektüre von ausgesprochen weltlicher Literatur,
der Zeitung vor allem, ist zum Verständnis des Römerbriefs
dringend zu empfehlen", hieß es beispielsweise im .Römer-
brief von 1922 (411). Es spricht indes für Berkhof, daß er
es unterläßt, Barth vor seinen Karren zu spannen, daß er
sieht und sagt (33), die Lichter der Welt seien für KD IV, 3
rein immanenter Art — „nur so etwas wie ein von Gott angeordnetes
Konkordat der Welt mit sich selber" (IV, 3,161).
Berkhof will zur Konfession erheben, was er bei Barth
(besonders in ,Das christliche Leben') nur als Konzession
findet (36. 48). Eine griffige Formulierung. Aber wird
sie Barth gerecht? Ist Barth nicht doch zu sehr Fundamentaltheologe
gewesen, um „Konzessionen" zu machen? Man
wird an den Streit mit E. Brunner erinnert, in dem Barth
betonte, es gehe nicht darum, gewisse umstrittene Sätze
(z. B. der Mensch sei nicht truneus et lapis) nicht zu sagen
(vgl. K.Barth, Nein! = ThEh 14, 1934, 11 ff.), sondern
welches nun das eigentliche Thema, wo nun der Herzschlag
einer Theologie sei und wohin ihr Gefälle weise. Da allerdings
steht bei Barth: „gerade angesichts einer Welt voll
drängender praktischer Aufgaben, angesichts des ,Unfalls
auf der Gasse', angesichts der Tageszeitung — der Römerbrief
" (,Der Römerbrief', 1922, 423). Entsprechend in KD
IV, 3 das Lob Jesu Christi als des Lichtes des Lebens —
durchaus nicht zum Schaden der Lichter; aber von einer
bzw. seiner „Lichterlehre" würde Barth selbst nicht gesprochen
haben.

Wuppertal-Schöller Jürgen Fangmeier

Bantle, Franz Xaver: Nichttheistisch Gott denken und aussagen
. Zu Eberhard Jüngels Buch „Gott als Geheimnis
der Welt" (MThZ 29, 1978 S. 412-426).

Drüe, Hermann: Der neuzeitliche Mensch und die Gottesbeweise
(ZKTh 101, 1979 S. 163-174).

Galot, J.: La realite de la souffrance de Dieu (NRTh 101,
1979 S. 224-245).

Hasenfuß, Josef: Die Stellung Mariens in der Heilsordnung
nach H. Schell (ThGl 69, 1979 S. 62-73).

Janssen, Friedrich: Von der Christologie zur Jesulogie? Zu
einer christologischen Akzentverschiebung (MThZ 29,

1978 S. 296-311).

Pache, Rene: The Person and the Work of the Holy Spirit.
Transl. by J. D. Emerson. Chicago, HL: Moody Press [1979].
223 S. 8°.

Petri, Heinrich: Fundamentaltheologie im Umbau? (ThGl

69, 1979 S. 95-105).
Riedlinger, Helmut: Zum gegenwärtigen Verständnis der

Geburt Jesu aus der Jungfrau Maria (ThGl 69, 1979 S. 22

bis 61).

Schachten, W.: Das Verhältnis von „immanenter" und „ökonomischer
" Trinität in der neueren Theologie (FS 61,

1979 S. 8-27).

Schäfer, Philipp: Der Zugang zur Christologie (ThGl 69,
1979 S. 74-88).

Schilson, Arno: Jesus Christus — Gottes Sohn (BiKi 34, 1979
S. 12-17).

Splett, Jörg: Die Absolutheit Gottes und die Kontingenz der

Schöpfung (ZKTh 101, 1979 S. 147-162).
Vögtle, Anton: Hat sich Jesus als Heilsmittler geoffenbart?

(BiKi 34, 1979 S.4-11).

Praktische Theologie: Seelsorge

Piper, Hans-Christoph: Gespräche mit Sterbenden. Göttingen
: Vandenhoeck & Ruprecht [1977]. 166 S. 8°. Kart.
DM 18,80.

Fünfzehn Gespräche bzw. Gesprächsteile, die jeweils von
einem Seelsorger aus subjektiver Erinnerung aufgezeichnet
wurden, sind hier zum Abdruck gebracht und in der
üblichen stilisierten Form für eine Gruppenauswertung
aufbereitet. Diese wird im Anschluß daran jeweils protokollartig
mit ihren Ergebnissen zusammengefaßt; in der
Regel in doppelter Länge gegenüber der Wiedergabe des
Gespräches. Voran steht jeweils eine Situationsangabe zu
Zeit, Ort und Personen, die für die Vorbereitung des Gespräches
eine Rolle gespielt haben: Seelsorger, Patient,
Pflegepersonal, Mitpatienten, Angehörige. Die Seelsorger
sind zum Teil Krankenhauspfarrer, aber auch Gemeindepfarrer
und -helfer. Die Patienten sind etwa zur Hälfte
über sechzig, die übrigen über dreißig Jahre alt. Fast alle
haben ein schweres Krebsleiden und sterben überwiegend
wenige Tage nach dem Gespräch, von dem berichtet wird.
Weithin sind sie noch bei vollem Bewußtsein. Vom Pflegepersonal
treten überwiegend Schwestern als Kontaktpersonen
, kaum Ärzte, keine Pfleger in Erscheinung. Die Ergebnisse
der Gespräche wirken auf die Seelsorger, die als Menschen
nur mit bestimmten Gefühlen, Überlegungen und
Gesprächshandlungen angedeutet, aber sonst nicht weiter
charakterisiert sind, etwa zur Hälfte mehr befriedigend als
frustrierend — im Urteil der Gruppe und ihrer selbst. In
einigen Fällen wird auch geschildert, wie sich nach Gruppen
- oder Supervisorenkontakt eine günstigere Art des Gesprächskontaktes
entwickelt hat. Die Seelsorger sind überwiegend
Männer, die Patienten überwiegend Frauen.

In einer Einführung (S. 9—16) beschreibt der Hrsg., der
die Gespräche zumeist kommentiert hat und dem diese Art
der Auswertungsmethodik mündlich und literarisch ihre
besondere Verbreitung verdankt, die Voraussetzungen für