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Ausgabe:

1980

Spalte:

923-925

Kategorie:

Kirchenrecht

Autor/Hrsg.:

Potz, Richard

Titel/Untertitel:

Die Geltung kirchenrechtlicher Normen 1980

Rezensent:

Krämer, Peter

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Theologische Literaturzeitung 105. Jahrgang 1980 Nr. 12

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samte Liturgie von der Schrift getränkt ist, ja geradezu von ihr
getragen wird.

Ein Stichwortverzeichnis (S. 72-75) verweist auf wichtige Begriffe
in Text und Anmerkungen des Heftes C. Dieses Verzeichnis
würden wir gern auf die Anmerkungen in den Heften A und B
ausgedehnt und genauer durchgearbeitet sehen.

Leider ist die zunächst wohl vorgesehene Behandlung der byzantinischen
Kirchendichtung und ihrer einzelnen Formen auf die beabsichtigte
Ausgabe der Tagzeiten-Gottesdienste verschoben worden
. In den Anmerkungen aller drei Hefte finden sich dazu zwar
einige Angaben, die aber insgesamt kein geschlossenes Bild und
gelegentlich nur unzureichende Information geben.

Es wird interessieren, daß als Heft D in Kürze eine Übersetzung
der lutherischen (VELK-) Abendmahlsliturgie und derjenigen der
VVürttembergischen Landeskirche ins Russische erscheinen soll.
So wird auch für orthodoxe Christen eine Rezeption evangelischen
Gottesdienstes ermöglicht.

Die vorliegende Ausgabe wurde durch die Evangelische Kirche
der Union und das Außenamt der EKD gefördert. Gewidmet ist sie
dem Gedächtnis Lev A. Zanders, der sich als Orthodoxer besonders
darum bemüht hatte, es jungen Theologen anderer Kirchen zu ermöglichen
, „das ,Herz der Orthodoxie' in ihren Gottesdiensten
schlagen zu hören".

Wir halten es für sehr bedeutsam, daß die orthodoxe Eucharisti-
sche Liturgie in dem gleichen Jahre erscheint (1-979), da das sechste
theologische Gespräch zwischen dem Ökumenischen Patriarchat
von Konstantinopel und der EKD und das achte Arnoldshainer
theologische Gespräch zwischen der EKD und der Russischen
Orthodoxen Kirche stattfinden, das vierte Sagorsker theologische
Gespräch zwischen dem Bund der Evangelischen Kirchen in der
DDR und der Russischen Orthodoxen Kirche vorbereitet wird.
Die vorgelegte Ausgabe erleichtert es uns wesentlich, in das „Herz
der Orthodoxie" zu blicken. Theologische Erkenntnis, ökumenische
Zusammenarbeit und kirchliche Einheit können nur wachsen
und gedeihen im Raum des Gebets und der Anbetung, und das
heißt für orthodoxe Christen: im Raum der Liturgie.

Naumburg - Schafstädt Günther Schulz

Erfurt Peter Lober»

Aldenhoven, Herwig: Die spirituell-theologischen Konsequenzen
der Struktur des Eucharistiegebetes (IKZ 70,1980 S. 212-225).

Kraft, Sigisbert: Gratias Agamus (IKZ 70, 1980 S. 154-190).

Oeyen, Christian: Altkatholische Stellungnahme zur Theologie des
eucharistischen Hochgebets (IKZ 70, 1980 S. 191-211).

Schulz, Hans-Joachim: Das frühchristlich-altkirchliche Eucharistiegebet
: Überlieferungskontinuität und Glaubenszeugnis (IKZ
70, 1980 S. 139-153).

Kirchen recht

Potz, Richard: Die Geltung kirchenrechtlicher Normen. Prolego-
mena zu einer kritisch-hermeneutischen Theorie des Kirchenrechts
. Wien: Herder [1978]. 296 S. gr. 8° = Kirche und Recht,
15. Kart. ÖS 228,-.

Um es gleich vorweg zu sagen: es ist eine dankenswerte Aufgabe,
die von R. Potz vorgelegte Arbeit zu besprechen; denn sie vermag
den Leser immer wieder durch die Reichhaltigkeit an rechtshistorischen
Belegen und durch die Klarheit in der Gedankenführung
zu fesseln. P. geht davon aus, „daß die durch das 2. Vatikanum veränderte
Situation der Kirche und damit des Kirchenrechts eine
Neubestimmung von Geltung und Verbindlichkeit kirchenrechtlicher
Normen notwendig macht" (11). Entschieden wendet sich
der Vf. gegen einen „ahistorischen Codex-Zentrismus", der die
Kanonistik der letzten Jahrzehnte geprägt habe; es sei zu hoffen,
„daß die Neukodifikation des Kirchenrechts . . . diese Phase kirchlicher
Rechtsgeschichte beendet, indem sie den Codex Iuris Canonici
als ein Phänomen der kirchlichen Rechtsgeschichte, aber nicht
als deren Omega wertet" (21; vgl. 84).

Nach einer Einführung in die Problemstellung und Methodik
der Arbeit (11-22) stellt P. zunächst die wichtigsten rechtsphilosophischen
Geltungstheorien dar, wobei er sich selbst einem kritisch-
hermeneutischen Ansatz verpflichtet weiß (23-82). Kennzeichnend
für diesen Ansatz ist, daß es bei der Geltung einer Rechtsnorm
nicht allein auf die positive Setzung, sondern vor allem auf den
hermeneutischen Verstehensprozeß ankommt; d. h. auf die Art
und Weise, wie eine Rechtsnorm von der betreffenden Gemeinschaft
gestaltend aufgenommen wird; damit ist zugleich eine kritische
, auf Veränderung abzielende Distanz zur Rechtsnorm gegeben
(62ff; vgl. auch 18ff). - Sodann vermittelt P. einen Überblick über
die Entwicklung der kanonistischen Geltungslehre (83-141) und
weist nach, daß die Notwendigkeit der Anerkennung für die Geltung
einer Rechtsnorm (Anerkennungstheorie) immer stärker von
den unterschiedlichen Formen einer Zwangstheorie zurückgedrängt
worden ist, die mehr oder weniger ausschließlich auf die positive
Setzung einer Rechtsnorm durch die zuständige Autorität abstellt.
Auf diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, wenn c. 8 § 1
CIC zur Charakterisierung eines kirchlichen Gesetzes lediglich das
Erfordernis der Promulgation herausstellt (127; versehentlich wird
hier c. 9 CIC angeführt).

Von besonderem Interesse sind die Überlegungen des Vf. zur
kirchenrechtlichen Geltungstheorie nach dem II. Vatikanischen
Konzil (143-259). In diesem Zusammenhang werden grundlegende
Aussagen des Konzils über die Communio-Struktur der Kirche und
den „sensus fidelium" aufgegriffen und für eine kirchenrechtliche
Geltungstheorie fruchtbar gemacht. Insofern die Konzilsbeschlüsse
durch „Vorläufigkeit" und „Offenheit" bestimmt sind (167ff), müssen
sie, wie P. betont, von der Glaubensgemeinschaft rezipiert und
konkretisiert werden; damit ist freilich keine passive Annahme gemeint
, sondern ein aktives Geschehen, durch welches die Konzilsbeschlüsse
überhaupt erst zur Wirklichkeit werden. „Die Aussagen
des 2.Vatikanums werden also in der Konkretisierung durch den
auf göttliche Zusage sich stützenden sensus fidelium des Volkes
Gottes zur kirchlichen Wirklichkeit" (181). Es geht um eine „konkretisierende
Rezeption", die die rechtliche Relevanz der Konzilsbeschlüsse
zum Vorschein bringt und die für die Geltung kirchenrechtlicher
Normen von maßgeblicher Bedeutung ist (173ff, 181ff).
- Nach diesen mehr grundsätzlichen Ausführungen wendet sich P.
Einzelbeispielen zu, die zeigen, wie konkretisierende Rezeption auf
alle Normbereiche bzw. Bereiche der Rechtsfortbildung („ius divinum
", kirchliche Gesetzgebung, Gewohnheitsrecht, Rechtsprechung
) zu beziehen ist (186ff). Was die Rechtsfortbildung hinsichtlich
der Neukodifikation des kirchlichen Rechts betrifft, warnt P.
vor einem „Endgültigkeitsoptimismus"; wenn die Offenheit der
Rechtsfortbildung auch nach Abschluß der Reformarbeiten nicht
beachtet werde, sei vorauszusehen, „daß dem neuen Codex Iuris
Canonici eine noch kürzere Lebensdauer beschieden sein werde als
dem des Jahres 1917" (238).

Die Feststellung, daß auch die Geltung des „ius divinum" in
dem dargelegten Sinn von konkretisierender Rezeption abhängig
sei, ist wohl nicht selbstverständlich. Sie ist aber insofern durchaus
zutreffend, als uns das „ius divinum" nur im „ius humanuni" gegeben
ist und demgemäß keine scharfe Trennungslinie zwischen
göttlichem und menschlichem Recht gezogen werden kann (216 bis
220; hier hätte übrigens noch stärker das Vaticanum II berücksichtigt
werden können; vgl. P. Krämer, Theologische Grundlegung
des kirchlichen Rechts. Die rechtstheologische Auseinandersetzung
zwischen H. Barion und J. Klein im Licht des II. Vatikanischen
Konzils, Trier 1977, 109.1 llff). Wenn der Vf. die „lex Cari-
tatis" als den Kernbereich des „ius divinum" herausstellt, um den
sich dann Normenbereiche gruppieren, die aufgrund göttlicher
Grundverfügung für die Kirche unverfügbar geworden sind, so bedarf
es sicherlich noch weiterer Überlegungen darüber, wie sich die
„lex Caritatis" zur unverfügbaren Verfassungsstruktur der Kirche
verhält. Doch ist der Auffassung uneingeschränkt zuzustimmen:
„Der damit grundgelegte Aufbau der Kirche bleibt für jeweils konkretisierende
Gestaltung offen, so etwa der Primat im Amt der
Einheit oder die episkopale . . . Struktur" (262f).

Bezüglich der Geltung bloß kirchlich-rechtlicher Normierungen