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Ausgabe:

1980

Spalte:

915-916

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Titel/Untertitel:

Gegenwart des Geistes 1980

Rezensent:

Dantine, Wilhelm

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Seite 1

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015

Theologische Literaturzeitung 105. Jahrgang 1980 Nr. 12

91C

Die Schlußfolgerungen für die theologische Anthropologie betreffen
1. „Die Vorausnahme der Lehre von der Sünde vor die
Lehre von der Gottesebenbildlichkeit"; 2. „Die ontologische Ortsbestimmung
des theologischen Redens vom Menschen". Mit dem
zweiten Anliegen erfolgt trotz gegenteiliger Versicherung Ebelings
m. E. eine gewisse Korrektur des ersten, denn diese theologische
Ortsbestimmung wird tatsächlich, wie der weitere Verlauf der
Anthropologie zeigt, dem Paragraphen vom „Menschen als Sünder
" vorangestellt (als § 14 B), so daß wenigstens etwas von der
soltsamen Reihenfolge § 15 „Der Mensch als Sünder", § 16 „Der
Mensch als Ebenbild Gottes" gemildert wird. Hier möchte man in
ein kritisches Gespräch mit dem Vf. kommen. Wenn er schon die
Rede vom Ebenbild Gottes nicht der Rede vom Menschen als
Sünder vorordnen will (wofür man Verständnis haben kann), dann
sollte er sie dieser auch nicht nachordnen. Das führt freilich zugleich
zu der weitergehenden Frage nach der Berechtigung der exklusiven
Aussage vom Menschen als Sünder, wie wir sie bereits in
der Formel von der „konstitutiven allgemein menschlichen Grundsituation
: der Sünde" (15) vorfanden. Sie war parallel formuliert
zu der konstitutiven Bedeutung des Namens Jesus Christus. Auch
hier besteht ja das Mißverständnis einer Engführung. Dazu hat
Ebeling selbst Stellung genommen (genaugenommen zu der analogen
Formulierung von Jesus Christus als Grund des Glaubens - 47)
und den Gedanken abgewehrt, als müsse entsprechend der Gottes-
und Schöpfungsglaube „christologisch abgeleitet" werden. Solche
Klarstellungen wären wohl in verschiedener Hinsicht auch für den
anthropologischen Bereich wünschenswert. Was dazu im 1. Band
der Dogmatik gesagt wird, läßt sich gewiß noch ergänzen. In der
Besprechung von Band 2 und 3 wird darauf zurückzukommen sein.
- Diese Anzeige des 1. Bandes hat hoffentlich gezeigt, welche
Herausforderung an alle theologisch Arbeitenden dieses Werk darstellt
.

Leipzig Krnst-Heinz Arnberg

Kasper, Walter [Hrsg.]: Gegenwart des Geistes. Aspekte der Pneu-
matologie. Freiburg - Basel - Wien: Herder [1979]. 204 S. 8° =
Quaestiones Disputatae, 85. Kart. DM 34,-.

Es ist das unbestreitbare Verdienst dieses Bandes, durch diese
Veröffentlichung der Hauptreferate einen breiten Leserkreis an
jenen Verhandlungen teilnehmen zu lassen, in denen Anfang Januar
1979 in München die Arbeitsgemeinschaft katholischer Fundamentaltheologen
und Dogmatiker sich mit dem bekannten und
an vielen Stellen in neuer Gestalt auftretenden Phänomen der
Spiritualität beschäftigt und auseinandergesetzt hat. Um es gleich
zu sagen: der pneumatologische Insider wird hier auf seine Rechnung
kommen, denn es wird eine Fülle hochinteressanten Materials
' dargeboten. Das betrifft sowohl die .Einführung' von
W. Kasper (7ff) als auch die ,Rückfrage nach dem Ursprung' von
G. Kretschmar (92ff), des einen evangelischen Referenten, als
auch für die systematische Entfaltung unter dem Titel ,Der Geist
als Gegenwart Jesu Christi' von A. Nossol (132ff). Es ist ebenfalls
dankenswert, daß allenthalben neue Überlegungen und Versuche,
auch aus protestantischer Feder, hier wie auch in den übrigen
Referaten aufgenommen und diskutiert werden! Dadurch verstärkt
sich der Eindruck, daß hier eine gediegene Information über
den gegenwärtigen Stand der katholischen Reflexion über das
Geist-Problem vorliegt.

Zupackender, anregend und vielleicht auch eher irritierend wird
diese Information, wenn H. Mühlen über ,den gegenwärtigen Aufbruch
der Geisterfahrung und die Unterscheidung der Geister'
(24ff) referiert. Schon der Einsatz bei einer Massenkundgebung von
charismatischer Qualität im Petersdom unter Vorsitz eines Kardinals
(28) läßt aufhorchen, um so mehr, als später noch deutlich
wird, daß hier auch theologisch eine neue Kategorie eingeführt
wird, wenn von der .Erfahrung der Erfahrung' die Rode ist (33)
und dieser zugleich eine fundamentale Novität zugesprochen erscheint
. Aufschlußreich ist zweifelsohne, daß sich hier eine neuartige
Erfahrung widerspiegelt, nämlich so etwas wie eine römischkatholische
Rezeption des sog. .Pfingstlertums'. Mit welchen Folgen
? Darüber hört man nun gar nichts! Man kann sich zwar vorstellen
, daß auf der Tagung darüber ernsthaft diskutiert worden ist,
aber darüber erfährt man natürlich nichts. Und in den beiden einschlägigen
, sozusagen zuständigen Referaten, in dem von M.Kehl:
,Kirche - Sakrament des Geistes' (155ff) und in dem von K. Lehmann
: .Heiliger Geist - Befreiung zum Menschsein, Teilhabe am
göttlichen Leben, Tendenzen gegenwärtiger Gnadenlehre' (181ff)
ist kaum etwas von dem zu merken, wofür Mühlen so energisch die
Trommel rührt (vgl. 26 Anm.2, wo bis zur Preisangabe für eine
Zeitschrift geworben wird!). Bei Kehl ist von einer ekklesiologi-
schen Relevanz einer solchen, für römisches Denken und Empfinden
wohl eigenartigen Sicht nichts zu spüren, dafür wird - und das
klingt nicht nur traditionell, sondern fast schon traditionalistisch -
die ,Kirche als Sakrament des Geistes' so weitgehend mit ihrer
,compago socialis' in eins gedacht (100), daß das hinter jenem
Ausdruck in LG 8 liegende Hierarchieproblem kaum mehr gesichtet
wird: was dann unter ,Kirehe als konkrete Freiheit des
Glaubens' (171ff) vorgestellt werden soll, bleibt mehr als vage und
damit offen für allerlei Befürchtungen; das protestantische Gedächtnis
, was denn in der Geschichte der Kirche schon alles mit
der Gleichung von Heiligem Geist und Sakrament abgedeckt worden
ist, darf da keinesfalls sich zum Schlafe hinlegen.

Auch im Beitrag von Lehmann sucht man vergeblich nach dogmatischen
Auffangsmöglichkeiten dessen, was etwa Mühlens These
von der ,Umkehr als Urform der Geisterfahrung' (39ff) für die
Gnadenlehre bedeuten könnte. Sein Interesse liegt freilich in einer
anderen Richtung, die sich zwar mit Mühlens Vorstellungen flüchtig
, aber auch nicht mehr, berühren kann. Dies zeigt seine Diskussion
mit Schillebeeckx, Küng, Rahner u. a. Auch hier steht man
unter dem Eindruck einer klugen Offenheit für veränderte Sicht-
weisen, ohne daß entscheidende Hinweise auf eine hier doch wohl
nötige Veränderung in der Grundstruktur des theologischen Traktates
über die , Gnade' sichtbar werden. Man erwärmt sich an Formulierungen
wie ,Gnade als konkrete Freiheit', oder als .geschenkte
Freiheit' (Greshake, vgl. 195), wo aber führt eine Brücke zum
Befreiungsgeschehen als Erlösung im Zeichen der Pneumatologie?

Mit Abstand der bedeutendste und zugleich mutigste Beitrag ist
derjenige des Innsbrucker Walter Kern: philosophische Pneumatologie
. Zur theologischen Aktualität Hegels' (54ff). Dies liegt
sicher vor allem an Hegel selbst, der auch von anderen Autoren
zitiert wird. Jedenfalls scheint hier die grundsätzliche Freiheit, im
Zeichen der Geisttheologie ,ein Neues zu pflügen', am stärksten -
entsprechend groß ist der Dank dafür 1

Zum Schluß noch eine eigenartige Feststellung und Frage: Wo
blieben die Moraltheologen? Hat der Heilige Geist gar nichts mit
ETHIK zu tun?

Wien Willielm Dantiue

Jacob, Friedrich: Glaubenslehre. Ein Leitfaden zum Verstehen der
christlichen Botschaft. Berlin: Evang. Verlagsanstalt [1976].
216 S. 8°. Lw. M 7,80.

Dieses Buch ist aus der kirchlichen Arbeit mit Erwachsenen
heraus entstanden. Daß es darauf wieder hinzielt, machen die
Literaturhinweise und die Arbeitsaufgaben zu den einzelnen Kapiteln
deutlich (208-212). Insofern handelt es sich um ein begrüßenswertes
Werk. Das gilt auch für einen anderen Gesichtspunkt: Ein
Pfarrer aus der Praxis faßt zusammen, was er theologisch denkt
und weitergeben möchte.

Daß dabei die Kirche nicht nur eine untergeordnete Rolle
spielt, drückt nicht Pragmatismus aus, sondern Annahme der
Situation, in der Christen weithin empirisch leben, und Aufnahme
lebendiger Tradition. Vf. entscheidet sich auch damit für eine umfassende
Darstellung der christlichen Botschaft. Er möchte diese
nicht auf derzeit eingängige Themen reduzieren, sondern die Fülle
des Bekenntnisses bieten. Damit ist ein theologisches Vademecum,
das durchgängig wie etwa eine altprotestantische Dogmatik befragt
werden kann, entstanden. So kann der Interessierte sich z. B.
auch über theologische Positionen zur Realität des Bösen informieren
(801), wie es nicht bloß aus Traditionsbeflissenheit geschieht
.1 Es ist eine lohnende Aufgabe, verantwortliche Gemeindeglieder
weitgehend zu informieren zu suchen, u. zw. von der Rolle
der Dogmatik innerhalb der Theologie und Kirche bis hin zur Vollendung
der Welt. Freilich wird im Grunde ein rein interner kirchlicher
Fragenkatalog behandelt - (dies von einem wohlinformierten