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Ausgabe:

1980

Spalte:

69-70

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Autor/Hrsg.:

Hindman, Sandra

Titel/Untertitel:

Text and image in fifteenth-century illustrated Dutch bibles 1980

Rezensent:

Thümmel, Hans Georg

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BS

Theologische Literaturzeitung 105. Jahrgang 1980 Nr. 1

71)

Hindman, Sandra: Text and Image in Fifteenth-Century
Illustrated Dutch Bibles. Leiden: Brill 1977. XII, 154 S.,
56 Abb. a. Taf. 4° = Corpus Sacrae Scripturae Neerlan-
dicae Medii Aevi. Miscellanea, 1. Lw. hfl. 56,—.

Bei der Betrachtung von Buchillustrationen wird meist
die Frage nach dem Verhältnis von Text und Bild vernachlässigt
. Entweder ordnen Kunsthistoriker die Illustrationen
stilistisch und ikonographisch ein, oder Philologen widmen
sich den Problemen der Textgeschichte. Nicht anders verhielt
es sich mit der niederländischen ,Ersten Historienbibel
', einer im 15. Jh. weitverbreiteten volkssprachlichen
Bibelrezension wechselnden Umfanges, deren einzelnen
Abschnitten die entsprechenden Passagen der Historia Scho-
lastica des Petrus Comestor kommentierend beigegeben
sind. Zwölf zwischen 1431 und 1474 entstandene illustrierte
Exemplare sind erhalten. Bei vier von ihnen beschränkt sich
die Illustration auf eine Miniatur am Anfang jeden Buches,
die anderen sind fortlaufend illustriert. Ihnen, deren Zahl
an Miniaturen bis zu 491 beträgt, gilt das besondere Interesse
der vorliegenden Arbeit.

Eine Untersuchung des Textes ordnet die Erste Historienbibel
in die Entwicklung der meist voneinander abhängigen
niederländischen Erzähl-Bibeln ein, die von kommentierten
Ubersetzungen des narrativen Stoffes mit erbaulich-didaktischer
Abzweckung (den Grundstock bilden die historischen
Bücher des AT) zu kritisch-philologischen Bibelausgaben
führt. Für die Erste Historienbibel ist charakteristisch, daß
Bibeltext und Kommentar streng getrennt sind, wobei letz-
terer vor allem den sensus historicus erläutert, dem die anderen
sensus, soweit sie überhaupt Erwähnung finden, strikt
untergeordnet werden.

Die Illustration scheint hier weniger der Prachtentfaltung
als der Unterstützung der Erzählung zu dienen. Text und
Bild sind so als Einheit verstanden. Das Bild bevorzugt die
narrativen Details. Manches davon entstammt nicht direkt
der Bibel, sondern der Interpretation der Historia Scho-
lastica, so etwa die Szenen: Lamech erschlägt Kain und
einen Knaben (Gen 4,23); der Herr hindert Sisera durch
Sturm und Hagel (Jdc 4,15); das Kind Moses legt glühende
Kohle in seinen Mund; der Selbstmordversuch des Herodes
u. a. m. Die Miniaturen sind jeweils genau an der Stelle in
den Text eingeschoben, die sie illustrieren. Ein so enges
Verhältnis von Text und Bild gibt es sonst kaum.

Weiterhin werden die verschiedenen Elemente eines Realismus
untersucht, der sich in der Häufung der Genreszenen
, der Bevorzugung von Bizarrem. Grausigem, in
Raum- und Landschaftsdarstellung, psychologischer Charakterisierung
der Personen u. a. äußert. Dabei meint die
Vfn., in der unterschiedlich starken Verwendung der ja
doch auch sonst in dieser Zeit nachweisbaren einzelnen
realistischen Elemente etwas für die volkssprachlichen Bibeln
Typisches, sich aus ihrem Charakter Ergebendes erkennen
zu können, das diese von anderen Gruppen illustrierter
Handschriften (Stundenbüchern, lat. Bibeln, Erbauungsschriften
) unterscheidet. Das ist die Bevorzugung
des realistischen Gegenstandes, die im unmittelbaren Dienst
des Narrativen, der Verständlichkeit steht.

Die Untersuchung der Schreiber- und Besitzvermerke
führt zu dem Ergebnis, daß die meisten illustrierten Exemplare
Klerikern und Bürgern gehörten, die meisten nichtillustrierten
klösterlichen Gemeinschaften. Vfn. kann die
Historienbibeln mit der Devotio moderna verbinden. Gegenüber
der Unterschätzung der Bibel für die Devotio moderna
in der jüngeren Literatur arbeitet sie deren Bedeutung
bei führenden Vertretern heraus. In Gerard Zerbolts
weitverbreitetem Traktat Super modo vivendi erfuhr die
Ubersetzung der Bibel in die Volkssprache eine theoretische
Begründung, und das Konstanzer Konzil gab 1418 seine Zustimmung
.

Vfn. hat ein Gebiet in Angriff genommen, auf dem bisher
wenig getan wurde. Ihr Ausblick auf das Verhältnis von

Text und Bild in anderen Literaturgattungen zeigt, wieviel
hier noch zu tun bleibt.
Greifswald Hans Georg Thümmel

Blankenburg, Walter: Romantische Kirchenmusik heute

(MuK 49, 1979 S. 5-13).
Einhorn, Jürgen Werinhard: Die Holzschnitte des Wolf

Traut zur „Legend des heyligen vatters Francisci" nach

Bonaventura, Nürnberg 1512 (FS 60, 1978 S. 1-24).
Feid, Anatol: Ethik der Wahrheiten - Die Welt des Albert

Camus (WuA 20, 1979 S. 17-27).
Fischer, Reinald: Barocke Franziskus-Zyklen (FS 60, 1978

S. 25-30).

Frühwald, Wolfgang: Leben im Zitat. Anmerkungen zum

Werk Clemens Brentanos (ZW 50, 1979 S. 73-89).
Hegener, Hans: Der Typus des Franz von Assisi in bildender

Kunst und Literatur (FS 60, 1978 S. 186-201).
Van Hoorickx, Reinhard: Franziskanische Themen in Franz

Schuberts Musik (FS 60, 1978 S. 43-54).
Jenny, Markus: Das „nachrevidierte" Neue Testament der

Luther-Bibel als kirchenmusikalisches Problem (MuK 49,

1979 S. 116-120).
Kada, Söt. N.: Eikonografemeno Proskunetario tön Agiön

Topön (Kod. 159 tes Monis Gregoriou (Kl. 9, 1977 S. 370

bis 432).

Koch, Traugott: Die Bedeutung der Musik für die evangelische
Frömmigkeit (MuK 49, 1979 S. 106-115).

Kohlschmidt, Werner: Tod und Ewigkeit bei Brentano (ZW
50, 1979 S. 103-119).

Kranz, Gisbert: Walisisches Erbe. Erster Blick auf David
Jones (StZ 104, 1979 S. 394-402).

Pf äff, Maurus: P. Desiderius Peter Lenz. Zum fünfzigsten
Todestag des Meisters von Beuron am 28. Januar 1928
(EuA 54, 1978 S. 186-199).

Schade, Herbert SJ: Gesichter als Gesichte. Eine Betrachtung
über die Individualbildnisse und die Bibelporträts
von Emil Wächter (GuL 51, 1978 S. 426-443).

-: Emil Wächter - Theologie in Beton (StZ 104, 1979 S. 147
bis 160).

Scherer, Bruno Stephan: Reinhold Schneider — der Künstler
in der Kirche (EuA 54, 1978 S. 459-471).

Schultz, Hartwig: Einsamkeit und Liebe bei Brentano (ZW
50, 1979 S. 89-102).

Thomas, Michael: Franziskus als Anreger christlicher Kultur
(FS 60, 1978 S. 31-42).

Ziegler, Klaus Martin: Zur Funktion der Musik im Gottesdienst
heute (MuK 49, 1979 S. 53-57).

Philosophie, Religionsphilosophie

Landgrebe, Ludwig: Der Weg der Phänomenologie. Das

Problem einer ursprünglichen Erfahrung. Gütersloh: Gütersloher
Verlagshaus Gerd Mohn [1978]. 208 S. 8° = GTB
Siebenstern 295. Kart. DM 12,80.

Husserl hat anfangs Anlaß gegeben, seine Phänomenologie
, die er zur universalen philosophischen Methode auszugestalten
suchte, in den Verdacht eines metaphysikfeindlichen
Positivismus zu bringen; so wenn er schrieb: „Tiefsinn
ist ein Anzeichen des Chaos ... Echte Wissenschaft
kennt ... keinen Tiefsinn. ... Die Ahnungen des Tiefsinns
in eindeutige rationale Gestaltungen umzuprägen, das ist
der wesentliche Prozeß der Neukonstitution strenger Wissenschaften
" (bei Landgrebe S. 75). Doch muß man auf die
Alternativen seiner Zeit achten. Husserl will den Naturalismus
und Psychologismus des ausgehenden 19. Jh. (143) sowie
den Sensualismus (135) überwinden. Aber er gerät hierbei
in das Spannungsfeld, „auf der einen Seite in der Kritik
der psychologistischen Lehren die Idealität des Logischen
ein für allemal festzustellen, auf der anderen Seite doch erst
in subjektiv gewendeten Untersuchungen (die ja noch in der
1. Aufl. der Logischen Untersuchungen als psychologische