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Ausgabe:

1980

Spalte:

903-905

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Hamm, Berndt

Titel/Untertitel:

Promissio, pactum, ordinatio 1980

Rezensent:

Junghans, Helmar

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903

Theologische Literaturzeitung 105. Jahrgang 1980 Nr. 12

004

dung Christi (99ff), noch (e) Adams Vorauswissen von der Menschwerdung
ohne ihre Ursaohe im Sündonfall (107ff) eindeutigo Argumente
für die unbedingte Inkarnation. Die Gründe für diese lnkar-
nationslehre im Sinne einer metaphysischen Geschichtstheorie
werden nach SThIIIl,3 von „alii" vorgebracht. W. Mostert
nimmt in seiner Studie eine dogmen- und theologiegeschichtliche
Identifizierung dieser „alii" vor; es handelt sich um die Symbolisten
Rupert von Deutz und Honorius von Autun, um Alexander
von Haies, Albertus Magnus und auch Bonaventura. Sie integrieren
die Menschwerdung der zweiten trinitarischen Person in eine
spekulative Geschichtskonstruktion der Perfektion des Menschengeschlechts
.

W. Mosterts eigener methodischer Ansatz wird in dem Einleitungssatz
deutlich: ,,Die Christologie als Lehre ist eine Folge der
Heilserfahrung und darum essentiell soteriologisch" (14); Christologie
und Soteriologie gehören also für W. Mostert untrennbar zusammen
. In historisch-dogmatischer Arbeitsweise macht W. Mostert
dies am Beispiel Thomas von Aquins deutlich; es geht ihm
dabei aber um die „aktuelle Versöhnung des Sünders mit Gott"
(16) auf dem Hintergrund christlicher Existenzerfahrung. Denn
für den Ebelingschüler sind innerhalb des hermeneutischen Gesamtzusammenhangs
Erfahrungs- und Glaubensaussagen nicht
voneinander zu trennen. Das christologische Interesse am Inkarnationsthema
wird für W. Mostert so zum fundamentaltheologischen
mit philosophischen und dogmatischen Implikationen (29).

Das Buch stellt eine höchst präzise und detaillierte Interpretation
von SThlll 1,3 dar, zugleich basiert es auf einem breiten
Quellenstudium scholastischer Theologie und Philosophie. Eingeordnet
wird das Inkarnationsthema in den gegenwärtigen Diskussionsstand
. W. Mosterts Studie ist wohl eine historisch-dogmatische
Spezialuntersuchung, aber dennoch sehr klar und anregend
geschrieben. Sie vermittelt ein differenziertes Thomasbild und behandelt
gleichzeitig ein hochaktuelles Sachthema, gibt es doch
nicht nur in der römisch-katholischen Theologie der Gegenwart,
sondern auch in der evangelischen viele Unklarheiten in der heute
zu verantwortenden Hamartiologie und den Motiven der Menschwerdung
Gottes. Die Ablehnung der unbedingten Inkarnation,
wie Mostert sie bei Thomas von Aquin herausarbeitet, ist in einer
Zeit ökumenischen Lebens, Denkens und Zusammenarbeitens ein
wichtiger Beitrag für die evangelische Theologie der Gegenwart.
W. Mosterts Buch Sollte darum Beachtung finden.

Heidelberg Michael Plathow

Hamm, Berndt: Promissio, Pactum, Ordinatio. Freiheit und Selbstbindung
Gottes in der scholastischen Gnadenlehre. Tübingen:
Mohr 1977. XVI, 527 S. gr. 8° = Beiträge zur historischen
Theologie, 54. Lw. DM 86,-.

Da der Vf. den Inhalt seiner im Herbst 1974 beim Fachbereich
Evangelische Theologie in Tübingen eingereichten Dissertation für
die Leser dieser Zeitschrift in einer Selbstanzeige bereits dargeboten
hat (ThLZ 102, 1977 Sp. 150-152), kann auf das Referat verzichtet
werden.

Der besondere Wert der vorliegenden Arbeit liegt zunächst in der
sorgfältigen und differenzierenden Untersuchung der Bedeutung
des Gedankens von der Selbstbindung Gottes im 12. und 13. Jh.
von Bernhard von Clairvaux (um 1090-1153) bis Bonaventura
(1217/18-1274). Es wird dabei deutlich, wie Veränderungen in der
Vorstellung über den Inhalt eines Begriffes sich auf die Bestimmung
anderer Begriffe auswirken. Während z. B. unter Gnade
zunächst alles verstanden wurde, was Gott den Menschen umsonst
(gratis) schenkt, engt sich der Gnadenbegriff allmählich auf das
ein, was zum ewigen Leben führt. Dadurch tritt die freie Selbstbindung
Gottes in Beziehung zu dem im Menschen aufgrund der
Gnade Vorhandenen, was der Vf. als restriktive Selbstbindung
Gottes bezeichnet. Das 8. Kap. bringt als Zusammenfassung keine
neuen Erkenntnisse, sondern bietet die Entwicklung der einzelnen
Begriffe in dem untersuchten Zeitraum dar. Es ist dadurch ein
Lexikon ausgewählter scholastischer Begriffe entstanden (391-462)
das genutzt werden sollte.

Der Vf. wendet sich zu Recht gegen eine thomistische Bewertung

des Hochmittelalters, die als Vorläufer der Blüte im 13. Jh. nur die
anerkennt, die auf das Denken des Thomas von Aquin hinführen,
Er tritt dafür ein, neben Philipp den Kanzler (1160/85-1236) mit
seiner ontologischen Sicht der Gnade gleichberechtigt Wilhelm von
Auvergne (um 1180-1249) mit seiner personalen Sicht der Gnade
zu stellen und beide Traditionslinien gleichberechtigt gelten zu
lassen, zumal sie tatsächlich nebeneinander bestanden und hervorragende
Vertreter hatten.

Von hier aus ergeben sich allerdings auch neue Aufgaben. Die
Entwicklung eines Gedankenkomplexes im Längsschnitt im Rahmen
einer Schule zu verfolgen, trägt die Gefahr in sich, daß die
ordnende Logik des Darstellenden eine Traditionslinie entwirft, die
zwar einsichtig ist, die sich aber im Denken der einzelnen Vertreter
innerhalb einer solchen Linie ganz anders vollzogen hat. Die Fortführung
ererbter Anschauungen ist eine Seite, die Auseinandersetzung
mit den Zeitgenossen eine andere. Der Vf. stellt im 6.
Kap. zwar auch eine Konzeption vor, die auf den Gedanken einer
freien Selbstbindung Gottes verzichtet, doch dient das mehr als
schwarzer Hintergrund für die Kap. 2-5. Die gegenseitige Beeinflussung
, die Herausforderungen und die Antworten darauf sind
noch nicht zum Gegenstand der Darstellung geworden, d. h., der
dialektische Denkprozeß wird noch nicht aufgespürt.

Die Arbeit will zugleich ein Beitrag zur Geschichte des Augustinismus
sein. Das Ergebnis ist allerdings für den nicht sehr ermutigend
, der gehofft hat, in der behandelten Frage im 12. und 13. Jh.
eine ausgeprägte Augustinrezeption vorzufinden. Der Vf. resümiert
: „Die Kontinuität, die Augustin mit den Vertretern dieser
Tradition verbindet, sehen wir weniger in der Übereinstimmung
von Einzellösungon - gerade hier zeigt sich ein bedeutsamer Wandel
-, als im Festhalten an seinem alle Bereiche der Theologie
gestaltenden Anliegen, Gottes souveräne Freiheit gegenüber dem
Beroich des Geschaffenen adäquat zum Ausdruck zu bringen.
Dieses Interesse gibt den Rahmen ab, in welchem die Konzeption
der freien Selbstbindung Gottes im 12. und 13. Jahrhundert ihre
Bedeutung als Gestaltungsprinzip der Theologie gew innt." (495).
Das ist ein sehr allgemeiner theologischer Gedanke, für den zwar
auch Augustin bei einigen Scholastikern die Quelle sein mag, der
aber ebenso aus der Beschäftigung mit der Heiligen Schrift beständig
Anstoß erhält, zumal wenn eine ontologisch geprägte Theologie
dazu herausfordert. Ist der Begriff „Augustinismus" noch hilfreich,
wenn er in einem so umfassenden Sinn gebraucht wird? Trägt es
nicht mehr zum Verständnis der Nachwirkung Augustins bei,
wenn die Bezeichnung „Augustinismus" auf das Fortleben spezifischer
Gedanken und Lösungen Augustins - z. B. den integrati-
ven Selbstbindungsgedanken - und die bewußte, unter Berufung
auf Augustin sich vollziehende Rezeption beschränkt bleibt?

Der Vf. zieht im Kap. 7 noch die Linie von Bonaventura bis
Luther aus, wobei er notgedrungen sich auf die Durchsicht anderer
Untersuchungen stützen muß. Immerhin ergeben sich noch zwei
interessante Gesichtspunkte.

Als „Nominalisten" wurden zunächst Scholastiker bezeichnet,
für die der Allgemeinbegriff keine res, sondern ein nomen war. Sie
wurden einer ganzen Anzahl von Ketzereien beschuldigt, die angeblich
aus diesem Ansatz folgten. Doch die Erforschung des Spätmittelalters
hat in den letzten 50 Jahren gezeigt, daß die sog. Nominalisten
in vielen Fällen einerseits einen engen Zusammenhang
von außermentaler Welt und Begriffen lehrten - also Konzep-
tualisten waren -, und andererseits der Zusammenhang zwischen
Erkenntnistheorie und Theologie nicht so eng war, wie er von der
thomistisch gefärbten Forschung beargwöhnt wurde. Als „Nominalisten
" galten nun die Spätscholastiker, die durch die Anwendung
der Unterscheidung zwischen einer potentia absoluta dei und
einer potentia ordinata dei charakterisiert werden konnten. Es
wurde also versucht, ihre Eigentümlichkeit unter Beiseiteschieben
ihrer Erkenntnistheorie zu beschreiben. Dieser Entwicklung tritt
nun die vorliegende Untersuchung entgegen, weil sie gezeigt hat,
daß vieles des angeblich Nominalistischen im 12. und 13. Jh. bereits
vorgebildet oder gar ausgeprägt wurde, so daß es nicht mehr
als Eigenheit für eine Gruppe im Spätmittelalter in Anspruch genommen
werden kann. Der Vf. vermutet daher, „daß nicht die
Selbstbindungskonzeption an sich, sondern die gedankliche Verknüpfung
des theologischen Selbstbindungsgedankens mit dem
philosophischen Universalienproblem für den Nominalismus des