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Ausgabe:

1980

Spalte:

900-902

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Geerlings, Wilhelm

Titel/Untertitel:

Christus Exemplum 1980

Rezensent:

Lorenz, Rudolf

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Theologische Liteiaturzeitung 106. Jahrgang 1980 Nr. 12

900

erscheinen könnte. Ohne sein Bekenntnis zu echter Transzendenz
ohne jede Einschränkung zu würdigen, kann Cusanus nur scheinmodern
verzeichnet werden.

Die Neuauflage schließt mit einem Schlußsatz ,,Zum Weiterlesen
". Damit ist auf das Notwendige hingewiesen, eingeleitet
durch den Vermerk auf die „respektheischende Biographie" des
französischen Verfassers Edmond Vansteenberghe (Paris 1920).
Im Blick darauf bezeichnet Meuthen sein Werk nur als „Skizze
einer Biographie". Das trifft jedoch nur äußerlich zu. Wer sich eingehend
und wiederholt in das wenig umfangreiche Buch von
Meuthen vertieft, hat das Wesentliche zum Verständnis des Cusa-
ners. Wer danach verlangt, Cusanus in deutscher Übersetzung zu
lesen, sei besonders auf die in der Philosophischen Bibliothek des
Meiner Verlags in Hamburg erschienenen Schriften hingewiesen.

„Im Wissen um seine eigene Schwäche, die den Zweifel an der
Richtigkeit seiner Entscheidung doch nur mit jener Aufforderung
. .. bewahren kann: .Bewahret Haltung!' tritt er uns nicht nur als
Philosoph, sondern vor allem als Mensch nahe. Dort liegen die
tiefsten Gründe für seine Sehnsucht nach Konkordanz und Koinzidenz
.. ." (Meuthen, S. 136).

Dresden Rudolf Graba

Torrell, Jean-Pierre, O. P.: Theorie de la prophetie et philosophie de
la connaissance aux environs de 1230. La contribution d'Hugues
de Saint-Cher (Ms. Douai 434, Question 481). Edition critique
avec introduetion et commentaire. Leuven: Spicilegium Sacrum
Lovaniense 1977. XL, 304 S. gr. 8° = Spicilegium Sacrum
Lovaniense. fitudes et Documents, 40.

Hugo von St. Cher (H.) gehört sicher nicht zu den bekanntesten
Scholastikern. Selbst Vf. kann in dem umfangreichen Literaturverzeichnis
seiner Veröffentlichung nicht viel Spezialliteratur über
ihn selbst und seine Theologio anführen. H. gilt als sehr zurückhaltend
, ja ablehnend dem aufkommenden Aristotelismus gegenüber
, seine Schriften bezeichnet Geyer als „ultrakonservativ". H.
lehrte in Paris und war dort nach Roland von Cremona der zweite
Lehrer des Dominikanerordens, 1244 wurde er als erster seines
Ordens Kardinal. Ein guter Teil seiner Schriften ist ungedruckt
geblieben, bekannt geworden sind besonders sein Sentenzenkommentar
und seine Bibelkommentare.

So ist es verdienstvoll, wenn sich Vf. gerade diesem Theologen
zuwendet und uns damit die Zeit vor den großen Lehrern seines
Ordens, Albert und Thomas, erhellt. Es gelingt ihm, unsere Kenntnis
von der Theologie des zweiten Viertels des 13. Jh. zu erweitern.

Dies tut Vf. an Hand einer Quaestio aus dem umfangreichen
Manuskript Douai 434, mit dem sich besonders P. Glorieux schon
längere Zeit beschäftigt hat. Vf. ediert die Qu. 481 „De prophetia",
und es gelingt ihm wohl überzeugend, H. als deren Autor durch
Vergleich mit seinen übrigen Werken zu bestimmen. Dem Vf. ist
das Resultat eines bloß literarischen Vergleichs selbst problematisch
, aber er findet bei H. und in Qu. 481 die gleiche dogmatische
Position. Vf. verschweigt dabei nicht die Unterschiede und Abweichungen
, aber sie verdunkeln seiner Meinung nach nicht die tieferen
Übereinstimmungen.

Vf. stellt fest, daß H. zahlreiche Anleihen, insbesondere bei
Wilhelm von Auxerre und Philipp dem Kanzler, genommen hat.
Überhaupt gilt H. ja als großer Kompilator. Wilhelm und Philipp
hatten erst kurz vor H. jeweils dieses Thema abgehandelt gehabt.

Vf. läßt uns in seiner Studie in die Arbeitsweise H.s einblicken.
Wir erkennen seine Methode und seine geistige Welt, erkennen, wie
er die Autoritäten benutzt (die Beziehungen zu Augustin, zu Gregor
d. Gr. und zur Glosse sind traditionelles Erbe, Zeichen der
Kontinuität seiner Lehre), ja, wie er ohne Skrupel ihre Werke
durch zahllose Anleihen ausbeutet, wobei er auch vor Verfälschungen
ihrer Texte nicht zurückscheut. Man erlebt, wie zu dieser Zeit
disputiert wurde. Vf. ist überzeugt, daß H. jeweils sehr bewußt
seine Auswahl der benutzten Quellen getroffen hat. Das zeigen die
Auslassungen und Zusätze ebenso wie die für ihn bezeichnenden
Verbesserungen, in denen H. seine eigene Meinung zu erkennen
gibt. „La,Situation de la prophetie' dans l'equipement subjectif du
croyant, dans le cadre bien ordonne de ses connaissances philoso-

phiques et religieuses, en relation Jüerarchisee et pour ainsi dire
,naturelle' au monde des anges et des demons, a la fonetion bien
definie dans le deroulement de l'histoire que Dieu conduit, toiit
cela revele une .Weltanschauung' dont l'origine se perd pour une
large part dans les siecles passes" (283).

Nach einer Einleitung mit Bibliographie (V-XL) ediert Vf. zuerst
die Quaestio (3-58): Art. I: Quid sit prophetia; Art. II: Quid sit
viderein speculo; Art. III: De speciebus prophetie; Art. IV: De
officio prophetarum. Die Quellen werden sorgsam im Apparat vermerkt
; Register II bis IV beziehen sich auf die in Qu. 481 zitierten
Werke, Themen und wichtigsten Begriffe. Dann gibt Vf. einen literarischen
, historischen und dogmatischen Kommentar, wobei er
im ersten Teil die Qu. 481 in ihren literarischen und dogmatischen
Kontext einordnet. Er behandelt dabei ihre wichtigsten Quellen,
die Schriften Wilhelms von Auxerre und Philipps des Kanzlers, erweist
H. als Autor der Quaestio und weist auf andere Quaestionen
De prophetia aus dem Anfang des 13. Jh. hin: Wilhelm von
Auvergne, Alexander von Haies, Gottfried von Portiers, Stephan
Langton, Ps.-Langton und Peter von Capua (61-145).

Der zweite Teil „Eine Theorie der prophetischen Erkenntnis am
Vorabend der Hochscholastik" (151-280) behandelt in Kap. 1 die
prinzipielle Frage: „Was ist Prophetie?", in Kap. 2 „Eine selbstverständlich
augustinische Anthropologie" (wobei er auf Zweideutigkeiten
des Begriffs spiritus aufmerksam macht), in Kap. 3
„Das Schauen in speculo", in Kap. 4 „Eine zur Erkenntnislehre
gehörende Einzelheit", in Kap. 5 „Die Situation der Prophetie"
(ein Charisma; Prophetie und Glaube; Glaube, Prophetie und verschiedene
andere Arten der Erkenntnis; Prophetie und Heilsge-
sehichte) und in Kap. 6 „Ein Vorläufer" (wobei Vf. auf Theologen
aus H.s Umwelt und schließlich auf Thomas zu sprechen kommt).
Mit einer Zusammenfassung (281-284) und fünf Registern beschließt
Vf. die Edition und den Kommentar.

H.s Zeit war eine Übergangszeit, „oii les Solutions des futurs
grands de la scolastique s'essayaient plus ou moins maladroite-
ment sans toujours parvenir ä la reussite" (284). In diese Zeit uns
an Hand eines Textes bzw. eines Themas geführt zu haben, bleibt
das Verdienst des Vf. Freilich könnte man fragen, ob für diesen
Text ein so ausführlicher Kommentar nötig war.

Schlettau Karl-Hermann Kandier

Mieth, Dietmar: Meister Eckharts Ethik und Sozialtheologie
(ZW 51. 1980 S. 87-102).

Wehr, Gerhard: Deutsche Mystik. Gestalten und Zeugnisse religiöser
Erfahrung von Meister Eckhart bis zur Reformationszeit .
Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus Gerd Mohn [1980]. 107 S.
m. 21 Abb. 8° = GTB 365. DM 8,80.

Zapf, Josef: Meister Eckhart und die mystischen Traditionen des
Ostens (ZW 51, 1980 S. 102-115).

Dogmen- und Theologiegeschichte

Geerlings, Wilhelm: Christus Exemplum. Studien zur Christologie
und Christusverkündigung Augustins. Mainz: Matthias-Grünewald
-Verlag [1978]. X, 276 S. 8° = Tübinger Theologische
Studien, 13. Kart. DM 42,-.

Der Forschungsüberblick, welcher diese Tübinger katholischtheologische
Dissertation einleitet, beschäftigt sich vor allem
mit den Monographien von Scheel1 und Van Bavel'2. Scheels
Urteil, Augustin setze in seiner Christologie beim platonischen
Logosbegriff ein, sei durch die Herausarbeitung der verschiedenen
Logosbegriffe des Plotin und Porphyrius überholt. Freilich erfährt
man hierüber nichts Sicheres (auch nicht auf S. 98ff)*. Scheel
übertreibe zudem die Tendenz, Augustin vom Neuplatonismus
her zu verstehen; der biblischen Uberlieferung müsse stärkeres
Gewicht beigelegt werden. Van Bavel habe zwar das Verdienst, die
volle menschliche Natur des Erlösers in Augustins Christologie
hervorgehoben zu haben, beachte aber nicht genügend die Abwertung
des Sinnlich-Sichtbaren und der Historie durch den Kirchen-