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Ausgabe:

1980

Spalte:

892-894

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Merklein, Helmut

Titel/Untertitel:

Die Gottesherrschaft als Handlungsprinzip 1980

Rezensent:

Strecker, Georg

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Theologische Literaturzeitung 105. Jahrgang 1980 Nr. 12

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griechischen Wiedergabe von rnis = (zumeist) dia&rixri in der
Septuaginta und überhaupt außerhalb des Neuen Testaments und
dann vor allem dem neutestamentlichen Gebrauch von äiuiirixt]
zu. Ist die ursprüngliche Bedeutung von rvna im AT, auch in den
wegen der neutestamentlichen Bezugnahmen wichtigen Stellen
Ex 24,6-8 und Jer 31.31-34, nicht Bund, so folgt daraus gewiß
noch nicht, daß diese Bedeutung dann auch im NT nicht angenommen
werden darf. Dazu bedarf es der besonderen Wortfeld-
und Textuntersuchungen. Solche werden mit großer Sorgfalt und
unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Stellen
durchgeführt. Besondere Aufmerksamkeit wird den Vorkommen
von dV«,'vijxf| in den Abendmahlstexten gewidmet, und hier kommt
K. zu Einsichten, die auch über die ihn primär bewegende Thematik
hinaus bedeutungsvoll sind: Die beiden Ausprägungen der
Einsetzungsworte - Mk/Mt und Pl/Lk - deuten die Abendmahlseinsetzung
jeweils typologisch von Ex 24 her - Blut des „Bundes"

- oder nach dem Schema Verheißung-Erfüllung - neue dta&tfxrj -
unter Bezugnahme auf Jer 31. Als Gesamtergebnis für den neutestamentlichen
Bereich wird formuliert: Sowenig wie it" im
AT, bedeutet auch die in Septuaginta und im NT häufigste Übersetzung
diatH^xtj Bund im Sinne eines wechselseitigen Verhältnisses
oder gar einer Vereinbarung, sondern dieser Begriff meint
die einseitige göttliche Setzung. Verfügung, Willenskundgebung,
Verheißung, deren Inhalt, wie insbesondere die Abendmahlsworte
lehren, Vergebung der Sünden ist.

Auch wenn man das Anliegen von K.., der das mit dem Wort
Bund nahegelegte Mißverständnis eines Vertragsdenkens abwehren
will, versteht und teilt, stellen sich doch einige kritische Rückfragen
. Auch K. bestreitet nicht, daß rp~Q im profanen Gebrauch
gelegentlich auch die wechselseitige Verpflichtung bedeuten kann,
und geht in diesem Zusammenhang auf 1 Kön 5,20b ein. Es
mutet darum etwas künstlich an, wenn auch in diesem und in
ähnlichen Fällen die Bedeutung Bund bestritten wird. Das AT
kennt aber auch eine theologische Verwendung vonrna, welche
die konsequente Bestreitung der Bedeutung „Bund" in Schwierigkeiten
bringen muß. Das gilt nicht zuletzt von Ex 24,6-8; Jer
31,31-34 - Stellen also, welche für die Argumentation von K. von
besonderem Belang sind. Wenn in Ex 24 von zwei Hälften des
Blutes gesprochen wird, deren eine auf dem Altar, deren andere
auf das Volk gesprengt wird, so kann man dies doch wohl kaum
anders denn als zwei Akte eines einzigen Ritus mit wechselseitiger
Wirkung verstehen. Daß ein Teil zur Opferhandlung gehören soll,
die „mit dem Folgenden nichts zu tun" hat, überzeugt nicht recht.
K. gerät hier in dieselben Schwierigkeiten wie vor ihm bereits
Lothar Perlitt, Bundestheologie im AT, WMANT36, 1969, S.
190ff. Und wenn in Jer 31 als Inhalt von rrm die sog. Bundesformel
(K. spricht von „Zugehörigkeitsformel") ausgesprochen wird,
so drängt sich auch hier die Bedeutung von Bund eher auf als
„neue Bestimmung, Verpflichtung". Von daher, aber sogar ohne
diesen alttestamentlich-hebräischen Hintergrund, kann man fragen
, ob wirklich auch im NT die von K. hier ebenfalls betonte Einseitigkeit
des ötafMiXi,-Begriffes („Setzung") immer ausreicht. Insbesondere
gilt das für die Einsetzungsworte, die sich ja auf die
(alte) d'iaVrixit zurückbeziehen. Gewiß ist hier wie auch sonst kein
Bund im Sinne von Vertrag oder Vereinbarung gemeint; die
AoftjMj ist als neue und eschatologische Setzung Gottes gewiß
einseitig, aber setzt sie nicht Gott und Mensch ins - rechte -
gegenseitige Verhältnis? Anscheinend war der schwierig übersetzbare
Begriff rP*Oi der ja bezeichnenderweise anders als „Gesetz
" usw. mit „mit" und „zwischen" konstruiert werden kann,

- und in dessen Gefolge auch Aatajxq - theologisch besonders
geeignet, sowohl die Einseitigkeit der göttlichen Stiftung als auch
das gestiftete Mitsein Gottes zum Ausdruck zu bringen. Daß dies
nicht mit einem Vertrag verwechselt werden darf, hat K. mit
wünschenswerter Deutlichkeit, und sei es auch etwas überspitzt,
eingeschärft. Er hat zugleich ein wichtiges Hauptstück gesamtbiblischer
Theologie geschrieben, wofür ihm besonderer Dank gebührt
.

Bonn A. H. J. Gunneweg

Merklein, Helmut: Die Gottesherrschaft als Handlungsprinzip.

Untersuchung zur Ethik Jesu. Würzburg: Echter [1978]. 339 S.
gr. 8° = Forschung zur Bibel, 34. DM 48.-.

Diese in Würzburg eingereichte theologische Dissertation aus
dem WS 1976/77 stellt sich der Frage nach der „Ethik Jesu" unter
der Voraussetzung, daß Jesus „kein ethisches System im Sinn
einer Norm- und Tugendlehre" gelehrt habe; wohl aber seien die
ethischen Aussagen Jesu als „Modell" anzuerkennen, um so mehr,
als sich ihr „Ort" im Rahmen der Gesamtverkündigung Jesu bestimmen
lasse, so daß von hier aus ihre „grundlegenden Prinzipien
" und „übergeordneten Aussageintentionen" zu erfragen
seien (13). Im Zentrum der Vorkündigung Jesu steht, wie der Vf.
nicht unbegründet vermutet, die Botschaft von der „Gottesherrschaft
". Entsprechend ist die Ethik Jesu eschatologisch qualifiziert
(295). - Als exegetische Grundlage für diese These wählt der
Vf. Mk 1,15 (c. 1; S. 17ff), einen Vers, der als Bestandteil des
markinischen Summariums freilich kaum eine solche Beweislast
tragen kann, auch wenn zuzugestehen ist, daß der Vf. im Gegensatz
zur konservativen Forschungsmeinung nur den Satz fjyyixiy fj
ßttatX&ia tov frtov als vormarkinisch und authentisch bezeichnet
(19). Allerdings meint der Vf., darüber hinausgehend aus dem
„Befund der synoptischen Tradition" ableiten zu können, daß in
allen Schichten der synoptischen Uberlieferung der Begriff „Gottesherrschaft
" „durchgängig und häufig" bezeugt wird, so daß
nicht bezweifelt werden könne, daß Jesus von der (tctatXtia rofl
&eoC gesprochen habe (21) und dieser Sprachgebrauch nicht auf
die nachösterliche Gemeinde zurückzuführen sei.

Dennoch ist die Bedeutung von Mk l,14f für das Verständnis
der Verkündigung Jesu stark strapaziert, wenn der Vf. über das
Gesagte hinausgehend behauptet, „innerhalb der synoptischen
Tradition stellt iyyixev t) ßaoäiiu toH &tov die einzige zusammenfassende
Thematisierung der gesamten Verkündigung Jesu
dar" (33) - als ob nicht auch dem Herren-Gebet (Mt 6,9-13 par)
eine derartige zusammenfassende Funktion zugesprochen werden
könnte (unabhängig von der Frage, ob die Versuche von W. Grundmann
und G. Bornkamm, von hier aus die Struktur des Corpus
der Bergpredigt zu bestimmen, gelungen sind); und wenn die
„Goldene Regel" (Mt 7,12) die entscheidende Spitze der Verkündigung
des Bergpredigeis ist, so erschöpft sich doch darin nach
matthäischem Verständnis ihre Bedeutung für die Verkündigung
Jesu nicht. Daß schließlich Lukas die „Antrittspredigt" Jesu in
Nazaroth unter das Schriftwort Jes61,lf stellt (Lk4,18f), steht
zwar nicht im Widerspruch zur „Gottesreichverkündigung Jesu",
impliziert aber in der Hervorhebung des orjuennr (Lk4.21) einen
präsentischen Aspekt, der in Mk 1,15 gerade nicht ausgesprochen
ist.

Natürlicli kann solche Relativierung des Ausgangspunktes dieser
Untersuchung die grundlegende Funktion der ßc«jMiic<-Verkündi-
gung im Auftreten Jesu nicht aufheben, auch wenn die eschatologische
Ethik Jesu nicht einfach die weisheitlich-ethische Jesus-
Uberlieferung absorbiert hat, wie der Vf. zu Recht hervorhebt und
durch die freilich nicht eindeutige Differenzierung zwischen „Normenethik
" und der „eschatologischen Ethik" Jesu nachzuvoll-
ziehen sucht (42ff). Wie aber läßt sich Jesu Botschaft von der
Gottesherrschaft mit dem ethischen Handeln in Beziehung setzen?
Der Vf. geht sorgfältig vor, indem er zunächst die Gottesherrschaft
als „formales Handlungsprinzip" darstellt und das Proklamative
der Verkündigung Jesu, das eine Umwertung der bisherigen Ordnung
einschließt, anhand der Seligpreisungen aufweist (c. 2; S.
47ff); auch die Nachfolgeforderungen Jesu verlangen „Distanz
vom Bisherigen" (56ff), und durch Jesu Stellung zur Tora wird
eine durch die /3«o</l£i«-Verkündigung motivierte „souveräne
Distanz" zum Ausdruck gebracht, obwohl der Vf. andererseits
zugesteht, daß die Gebote der Tora „benutzt" werden (97.105).

Die Beantwortung der Frage nach der „Motivation der Neuorientierung
des Handelns" versucht die „Eigenart der Botschaft
Jesu von der Gottesherrschaft" sichtbar zu machen (c. 3; S. 109ff).
Danach ist die Gottesherrschaft die „absolute Prärogative Gottes",
die, anders als die analoge jüdische Vorstellung, durch das Fehlen
des rabbinischen Terminus vom „Aufsichnehmen (des Joches) der
Gottesherrschaft" (wie aber verhält sich dazu der vom Vf. nicht
genannte Vers Mt 11,29?) und durch das Fehlen des nationalen