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Ausgabe:

1980

Spalte:

890-891

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Kutsch, Ernst

Titel/Untertitel:

Neues Testament, Neuer Bund? 1980

Rezensent:

Gunneweg, Antonius H. J.

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Theologischo Literaturzeitung 105. Jahrgang 1980 Nr. 12

890

vor allem auf Grund von außerpharisäischen Quellen wie Apokryphen
und hellenistischer Literatur. Nur wenig wird aus rab-
binischen Werken herangezogen, und selbst dies ohne genügendo
Sachkenntnis, daher aus Sekundärliteratur, wie W. Webers Jüdische
Theologie, die in unhistorischer Art besonders die Gesetzlichkeit
des Judentums dartun will. F. Perles griff W. Bousset scharf
an, zeigte dessen Ignoranz, Tendenz und Judengegnerschaft,
kehrte apologetisch seines Gegners Schwarzweißmalerei um und
verdarb dadurch seinerseits die Sache. B. Jacob zeigte, daß die
Apokryphen und Pseudepigraphen eher geeignet seien, Christliches
als Jüdisches darzustellen, da sie ja von den Meistern ausdrücklich
verworfen worden sind. Nicht erkannt hat er die Bedeutung dieser
Literatur für die talmudische Zeit, in der sich die Meister damit
auseinanderzusetzen hatten und dadurch ihre Position gewannen.
Einen Wandel brachte das Werk von G. F. Moore, weil sich seine
Darstellung vorrangig auf rabbinische Literatur gründet, und
we'l er mehr als andere auf die Forschungen jüdischer Gelehrter
einging, um daraus für sich zu lernen. Auffallend ist seine Mäßigung
und Objektivität, und doch ist sein Konzept von einem
normativen Judentum so nicht haltbar. Anders als Moore, sah
J- Baer im 3. und 2. vorchristlichen Jahrhundert, also vor der Aufspaltung
des Judentums in Gruppen, da sich hebräischer Profetismus
und griechische Kultur befruchteten, die kreative Zeit, in der
schon der Grund für die Halacha gelegt wurde. Gleich wie Moore
unterschätzte Baer aber die Bedeutung der von außerhalb stammenden
Traditionen und das Problem der Sekten. Insgesamt hält
Baers attraktiver Entwurf, der den Problemen eine historische
Dimension verlieh, einer auf den Quellen basierenden Kritik aber
nicht stand. Finkelsteins Pharisäerbild ist zu einseitig und zu apologetisch
; seiner Meinung nach wäre die halbe Welt vom Pharisäertum
her bestimmt. Er war zu stark von Gegenwartsproblemen
bewegt, als daß er noch in der Lage gewesen wäre, die Lehre der
Pharisäer zu erklären.

E. E. Urbach grenzt sich mit diesem kurzen Aufriß der Geschichte
der Pharisäerforschung ab und stellte seine Methodik dar.
Nach ihm war Pharisäertum keine Weltreligion, sondern eine Welt
für sich, die Aufmerksamkeit erfordert. Zwar dürfen Forscher auch
predigen, aber sie müssen jeweils wissen, was sie tun. E. E. Urbachs
Methode ist philologisch-historisch. Wichtig ist die Herstellung
eines zuverlässigen Textes und seine Erhellung auf dem historischen
Hintergrund. Die Basis für die Lehre der Meister bildete die
hebräische Bibel, die sie in ihrer Zeit verwirklichen wollten. Dabei
beeinflußten sich gegenseitig religiöser Glaube und gesellschaftliche
Wirklichkeit.

Bei der Darstellung wird streng alle Art von Apologetik vermieden
- ein charakteristisches Zeichen für die Eigenständigkeit
und Sicherheit moderner jüdischer Forschung, die so in der Gegenwart
möglich geworden ist, wo das Israelvolk wieder im Israelland
lebt. Mit den philologischen Mitteln, die durch die Talmudforschung
entwickelt worden sind, soll gelernt werden, was die
Quellen bieten. Dabei ist auch auf die Methoden zu achten, die von
den Weisen selber benutzt wurden. Ohne philologische Untersuchung
und ohne Formkritik ist der Stellenwert einer Aussage nicht
zu ermitteln. Die Welt der Weisen, wiewohl gleichermaßen von
der Tora her bestimmt, ist reich und vielgestaltig; es gab Extremisten
und Kompromißbereite unter ihnen, manche betonten die
Strenge, andere die Liebe. Aber allesamt sahen sie die Komplexität
des Lebens, das ihnen den Anstoß gab für ihr Glauben und Denken.

Mit einer ausgereiften Methodik wurden die alten Texte neu
angegangen, alles, was von Archäologie, Epigraphik, Papyrologie
unser Wissen vom Leben der Meister bereichern kann, einbezogen,
umfassend berücksichtigt, was aus den mannigfachen Beziehungen
der Meister mit ihrer Umwelt erstand, die gesamte frühere Talmudforschung
verarbeitet. Alles, was zu diesem Thema bisher geschrieben
worden ist, wird zwar Seinen Wert behalten im Rahmen
der Forschungsgcschichte, ist aber hier aufgenommen und aufgehoben
worden, soweit es belangreich und bedeutsam war. Wer
zukünftig umfassend und zuverlässig über das Denken und Glauben
der pharisäischen Weisen unterrichtet sein und seinerseits
zum sachgemäßen Unterricht befähigt sein will, der wird E. E.
Urbachs Werk über die Weisen sich erarbeiten müssen.

Tübingen Reinhold Mayer

[Buber, Martin:] Die Schrift. Verdeutscht von Martin Buber gemeinsam
mit Franz Rosenzweig. Neuausgabe. 1: Die fünf Bücher
der Weisung. 583 S. m. Beilage: Zu einer neuen Verdeutschung
der Schrift. 46 S. 2: Bücher der Geschichte. 524 S.
3: Bücher der Kündung. 784 S. 4: Die Schriftwerke. 703 S. m.
Beilage: Zur Verdeutschung des letzten Bandes der Schrift.
20 S. Heidelberg: Schneider 1976-79. 8°. Kassette Lw. DM168,-.
Einzelbd. DM 46,-.

In seinen autobiographischen Fragmenten beschreibt Buber in
einer sein Leben bestimmenden Szene, wie Worte aus der Tiefe der
eigenen Erfahrung wachsen. Auf dem Altan des großväterlichen
Hauses stehend hört er die Worte eines älteren Mädchens über seine
Mutter wie ein Gottesurteil: „Sie kommt niemals zurück" - so
setzt es Sich fest und wächst im Iimeren seines Herzens. Buber ist
seiner Mutter nicht „begegnet", sondern „vergegnet". Das erlittene
und der Wirklichkeit abgerungene und abgetrotzte Wort „Ver-
gegnung" baut sich von diesem kindlichen Urerlebnis her auf. Die
Sprache also lautet Geschehen. Darum kann man auch - und
Buber will es ganz und gar nicht - die hebräische Bibel nicht einfach
übersetzen und in eine andere, der Geschichte dieser Sprache
fremde Welt übertragen. Denn hinter den Worten liegt die Tiefe
ihrer Vergangenheit. Die Schrift kann, soll sie deutsch hörbar
werden, nur verdeutscht werden. Das Wort ist nicht geschrieben,
sondern es lautet, und laut muß es wieder werden. Diese Voraussetzung
macht die Eigenart und Größe der Buberschen Bibelverdeutschung
, um nicht Übersetzung - was es doch aber auch ist -
zu sagen, aus. Man muß die Worte schmecken auf der Zunge, riechen
und fühlen, so wird einem eine Welt, eine jüdische Welt und
keine christliche, aufgetan. Ein Beispiel nur: Elia am Horeb, die
berühmte Geschichte, verdeutscht lautet es so:

„Heraus,

steh hin auf den Berg vor MEIN Antlitz!
Da

vorüberfahrend ER:

ein Sturm braus, groß und heftig,

Berge spellend, Felsen malmend,

her vor SEINEM Antlitz:

ER im Sturme nicht -

und nach dem Sturm ein Beben:

ER im Beben nicht -,

aber nach dem Feuer

eine Stimme verschwebenden Schweigens."

DIE Schrift zu lesen, ist nicht nur ein Spracherlebnis, sondern auch
eine Glaubenserfahrung. Hier begegnet Gott „mir stets gegenüber"
(Ps 16,8) als lautendes Wort - und die Uberzeugung wächst, daß
dies Wort ewig ist. Dem ist nichts mehr hinzuzufügen.

Halle (Saale) Gerhard Begrich

Neues Testament

KuUch, Ernst: Neues Testament - Neuer Bund? Eine Fehliiber-
setzung wird korrigiert. Neukirchen-Vluyn: Neukirchener Verlag
des Erziehungsvereins [1978]. X, 179 S. 8°. Kart. DM 44,-.

Wie kaum ein anderer Wissenschaftler ist E. Kutsch für die in
dem hier anzuzeigenden Buch gestellte Frage zuständig. Seit über
einein Jahrzehnt hat er sich mit diesem Problemkreis befaßt und
seine früher bereits in einigen Aufsätzen veröffentlichten Uber-
legungen und Ergebnisse in BZAW 131, 1973 zusammengefaßt
und erweitert . Auch der Artikel r—i- in THAT stammt aus seiner
Feder. Hier bereits lautete das wichtigste Ergebnis, das üblich
gewordene Verständnis von fp*ia als Bund sei unhaltbar, dieses
Wort bedeute vielmehr Verpflichtung, u. zw. Selbstverpflichtung,
Zusage oder Verpflichtung, die einem anderen auferlegt wird, oder
schließlich wechselseitige Verpflichtung. Auch die Linien, die über
pactum oder foedus bei Hieronymus zu der Übersetzung Bund
gefülirt haben, waren früher bereits durchgezogen worden. In
seinem neuesten Buch wendet sich K. nunmehr den Fragen der