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Ausgabe:

1980

Spalte:

886-889

Kategorie:

Judaistik

Autor/Hrsg.:

Urbach, Ephraim E.

Titel/Untertitel:

The Sages. Their Concepts and Beliefs, I and II 1980

Rezensent:

Mayer, Reinhold

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Theologische Litoraturzeitung 105. Jahrgang 1980 Nr. 12

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Die hier zur Besprechung anstehende Untersuchung beschäftigt gewissermaßen „zwischen den Zeilen", was unser Sprachempfin-

sich mit dem Buch des Propheten Hosea, der als einziger unter den den nicht mehr völlig mit hören kann. Dazu zählen freilich auch die

alttestamentlichen Schriftpropheten dem Nordreich entstammt. Anspielungen und Doppeldeutigkeiten der hebräischen Sprache.

Der Autor meint hier einen nordisraelitischen Dialekt anzutreffen, In dieser Richtung hin hat Vf. manches gewagt, und dafür sei ihm

den es mit den kanaanäischen Nachbaridiomen zu vergleichen gilt, aufrichtig gedankt. Dennoch muß methodisch hier noch manch

Das Hosea-Buch birgt für Exegeten ja schon je eine erhebliche eine Klärung geschaffen werden.

Anzahl von cruces interpretum, da sein Text so uneben überliefert ^ (gaa,e) Gerhard Wallis
»orden ist. So haben die Ausleger zu allen Zeiten zu - teilweise
erheblichen - Eingriffen in die Überlieferung Zuflucht nehmen
müssen. H. S. Nyberg hat in seinen Studien zum Hoseabuch

U935) den Versuch unternommen, bei möglichster Belassung des . . >

Konsonantentextes dem Hosea-Buch eine sprachlich sinnvolle JUuCHCa
Deutung abzugewinnen.

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guter?" . ^ (KAT XIII/1'. 19f' rff11* dOT ,A?t0 Foundation in the Hebrew University of Jerusalem. Lw. S 30.-.
guter rvenntnis der nordwestsemitischen Philologie und der phom-

Z'sch-punischen und der ugaritischen Texte ausgestattet, an aus- E. E. Urbach kommt aus der großen Tradition der Wissenschaft

gewählten Perikopen des genannten Buches das prophetische Zeug- des Judentums. Er studierte in Breslau, sowohl im Rabbinersemi-

nis zu erhellen. Ja, er möchte darüber hinaus die „Sprachfeinhei- nar als auch an der Universität, an welch ersterem er auch bis zu

ten ' (118) oder die „stilistischen Feinheiten" (125f u. ö) heraus- seiner Emigration ins Israelland als Lehrer wirkte. An der hebräi-

arbeiten. Diese bestehen nach K. einerseits in einer silbenzählenden sehen Universität Jerusalem lehrte er Aggada und rabbinische

Poetischen Struktur des Textes, die dann auch ganz neue Versab- Literatur, zuletzt als Professor für Talmud. Er begründete die

trennungen ermöglicht bzw. auch bedingt, was die Uberzeugungs- Bewegung für Tora-Judentum, die neue Werte in Religion und

kraft der Ausführungen jedoch nicht erhöht. Andererseits versucht Politik setzen will.

vf. auf Grund von Wortanklängen an hebräische und außerhe- In zahlreichen Artikeln und Werken hat sich E. E. Urbach als
bräische Wurzeln (s. dazu 57ff) eine Doppcldeutigkeit und Tief- ganz hervorragender Kenner der gesamten talmudischen Welt
grundigkeit der prophetischen Rede auszuloten. und Literatur ausgewiesen. Seine Bedeutung für die wissenschaft-
So sieht Vf. in Hos 4,8 („Die Sünde meines Volkes essen sie") liehe Erforschung dieser für Christen immer noch kaum erschlos-
'n der Verwendung des Wortes ha}{a't „Sünde" eine Anspielung senen Materie kann kaum überschätzt werden. Wenn hier ein Vorauf
hifß „Weizen", das Symbol der Fruchtbarkeit (45 vgl. dazu gleich erlaubt wäre, dann müßte wohl festgestellt werden, daß
108), unter dem Israel besagte Sünde begangen habe. Weiterhin E. E. Urbach für den Talmud, was G. Scholem für die Kabbala
sieht der Vf. auf Anregung von M. Dahood in Hos 7,3 hinter der geleistet hat: mit modernen Methoden erarbeitete er ein Gesamt-
»erwendung der hebräischen Wurzel kahas „Lüge", „Trug" eine bild dessen, was die pharisäischen Lehrer über Gott, Welt und
Anspielung auf die im Biblisch-Hebräischen nicht weiter fixierte Menschen dachten.

Wurzel Ichs (Vokalisierung unbekannt) entsprechend dem ugariti- Das Hauptwerk, 1969 unter dem Titel Hazal, Pirkei Emonut
sehen kht „Thron" (89f). Demzufolge übersetzt er auch in Hos 9,2 vo-Deot erschienen, kann einerseits als eine Zusammenfassung der
j'kaheseüa Verbum denominativum mit „thronen" (109-113). Ein wichtigsten Studien gelten, die E. E. Urbach seit 1946 über das
Anklang wird auch in der Verbform he'sirü an das Nomen mr „Be- religiöso und soziale Denken der pharisäischen Meister veröffent-
amter" gesehen und mit „einen Beamten einsetzen" wiedergege- lichte, andererseits ist es ein neuer Entwurf, für den das früher
ben. Ob es berechtigt ist, ^däqa nicht nur mit Gerechtigkeit, son- Veröffentlichte teils nur als Materialsammlung diente. Eine 2.,
dern auch mit „Fülle/Fruchtbarkeit", „rechte Zeit" (123) zu über- verbesserte und erweiterte Auflage erschien schon zwei Jahre spä-
setzen, das mag der Leser selbst entscheiden, wie es ihm auch über- ter. Auf letzterer basiert die vorliegende Übersetzimg, die sich
lassen bleibt, sich mit den auf S. 105 aufgeführten Anspielungen nach Inhalt und Form möglichst nahe an den Urtext hält, der
des Hosea-Buches auseinanderzusetzen. seinerseits einen bemerkenswerten Beitrag zur modernen hebräi-
Zumindest muß man bei allen anregenden Beobachtungen sehen Literatur darstellt. Vor allem versuchte der Übersetzer, die
grundlegende methodische Erwägungen anstellen. Füllen nicht Mehrschichtigkeit der Sprachgestalt des Textes auch im englischen
gerade nahe verwandte Idiome gleiche Wurzeln oder Worte mit Stil nachzuahmen. Denn fast auf jeder Seite lassen sich etwa die
einem zwar ähnlichen, dennoch durchaus unterschiedlichem Inhalt? drei Sach-, Zeit- und nun eben auch Sprachschichten unterschoi-
Es ist daher sprachwissenschaftlich zumindest überpriifenswürdig. den: 1) Bibelzitate und -anspielungen, 2) Sprüche der Weisen und
zwischen verwandten Dialekten so unmittelbare Relationen herzu- 3) des Verfassers Kommentar, Analyse und allgemeine Diskussion,
stellen, besonders wenn dies notwendigerweise jeweils auf Einzel- Dementsprechend ist die Wiedergabe im Englischen gestaltet:
stellen beschränkt bleibt und bei solchen Deutungsversuchen der Elisabethianisches, leicht antiquiertes und modernes Englisch
Kontext nicht immer gebührend berücksichtigt wird. Häufig ge- wechseln. Die Lektüre wird dadurch nicht allein ungemein reizlangt
Vf. zwar zu verblüffend neuen Sinngebungen; ob es bessere voll; sondern zudem wird der Leser durch den ständig sich än-
sind, mag dahingestellt bleiben. Noch schwieriger wird es, wenn dernden Stil fast unbewußt in diese vieldimensionierte Welt ein-
die verglichenen Texte nicht allein aus unterschiedlichen Regionen bezogen.

stammen, sondern auch aus durchaus einander fernliegenden Zeiten. In den letzten Jahren und Jahrzehnten ist die Arbeit an der

Rühren doch die Texte von Ugarit ungefähr aus der Mitte des 2. Literatur der Pharisäer vor allem in Israel und in den USA wieder

vorchr. Jahrtausends und die Reden des Propheten Hosea aus dem intensiv aufgenommen und vorangetrieben worden. Eine Fülle

8. vorchr. Jahrhundert! Dies ist um so bemerkenswerter, als Vf. von Texten wurde neu herausgegeben, aber auch über diese Texte

selbst feststellt, „daß eben auch ein Hosea in seinen Formulierun- sind hervorragende Arbeiten geschrieben worden. So hat etwa

gen und Vorstellungen nicht frei und unabhängig von seinem Kul- J. Neusner durch seine immense formkritische Forschung wesent-

turkreis Neues schafft, sondern daß er bewußt-unbewußt auch aus liehe Aspekte zu einer sachgemäßen Betrachtung der Texte bei-

dem Schatz an Denkformeu, Motiven und sprachlichen Wendun- getragen. Diese Schau wird nun hervorragend ergänzt und korri-

geu seiner Zeit schöpft." (51f). giert durch das eher synthetisch angelegte Werk von E. E. Ur-

Es fragt sich, ob die hier angewendete, mitunter recht hypo- bach, - Christen würden wohl von einer Systematik sprechen;

thetische vergleichende Methode der Wortdeutung vertretbar ist. aber die pharisäischen Meister haben weniger systematisch, viel

Gehören nicht auch die silben-oder die akzentzählenden Versmaße eher pragmatisch, dann aber analogisch und dialogisch gedacht,

der Vergangenheit an, zumal etliche von K. abgegrenzte Zeilen Entsprechend ist E. E. Urbachs Werk zwar umfassend thematisch

auch erst nach Eingriffen in die überlieferte Textlesung entstehen? angelegt, streng untergliedert in Kapitel und Abschnitte, aber

Nun mag sicher hinter dem Text mancherlei an Aussagen stehen, doch kein monolithisches Ganzes. Aus Treue zu den Quellen sollte