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Ausgabe: | 1980 |
Spalte: | 64-65 |
Kategorie: | Dogmen- und Theologiegeschichte |
Titel/Untertitel: | Histoire de l'exegese au XVI siecle 1980 |
Rezensent: | Holtz, Gottfried |
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Theologische Literaturzeitung 105. Jahrgang 1980 Nr. 1
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im geschichtlichen Ungleichwerden der Trinität begründet
und mit dem universalen Prozeß der Geschichte, dem „Eintreten
Gottes ins Werden" (M. Kahler, 166 Anm. 31), vermittelt
, wird sie ihm aber nicht zur „spekulativen Formel",
wie Breidert meint (182), sondern zum hermeneutischen
Schlüssel, um den „Wandlungen Gottes in der Geschichte"
(183) im Zusammenklang mit dem Zeugnis der ganzen
Schrift gerecht zu werden. Hofmann sucht keinen Ausgleich
zwischen dem historisch gewonnenen „Bild" Jesu und dem
Dogma (184). Sein originärer Ansatz läßt diese Bemühungen
hinter sich. Ob, wie Vf. dann doch moniert, die Schwierigkeiten
der Christologie durch Hof mann nur verschoben wurden
(184), ja gar „widersinnige Behauptungen" (183) zu
konstatieren sind, dies dürfte einer ausführlicheren Besinnung
wert sein.
Ob dagegen die gleichfalls mit kundiger Hand gezeichnete
„ewige trinitarische Kenosis" K. Th. A. Liebners (185 ff.)
mehr als antiquarisches und zuweilen auch ästhetisches Interesse
finden kann, mag sich daran entscheiden, ob es gelingt
, in dieser späten Spekulation den Versuch zur Herausarbeitung
der christlichen Kategorialität zu entdecken. Liebners
Sätze über Substanz, Subjekt und Liebe (186), über das
Verhältnis von Person und anderem (188), hätten eine wohlwollendere
und auch informierter mit Fichte, Hegel und
Schelling vergleichende Durchdringung verdient. Mit dem
Aufweis von „Einflüssen" (192 ff.) fängt das Geschäft des
Interpreten erst an! Die verständige Positivität seines eigenen
Geistes macht den Vf. oft recht ratlos und dann auch
vorschnell im Urteil (etwa S. 206). So bleibt dieses gewiß
sehr hochgemute Denken (vgl. S. 209 Anm. 167) im Blick auf
seine Motive und Impulse unerschlossen. Wichtig bleibt, daß
Liebner — wie schon Hofmann — am Ausgleich zwischen
kirchlicher Christologie und Leben-Jesu-Forschung nicht
interessiert war (214).
Der von Biedermann als „apologetischer Klopffechter"
(230 Anm. 92) abgefertigte Reformierte Ebrard, der gegen
die Teilung der göttlichen Eigenschaften, wie sie Thomasius
vertrat, für die elegantere Lösung einer Modifikation der
„metaphysischen Eigenschaften bei der Menschwerdung"
(216) eintrat, verfiel doch wohl auf den Ungedanken einer
Verwandlung des Logos in eine Menschenseele (222), obwohl
„rabulistische" (215 Anm. 3) Unterscheidungen zwischen
dem „menschlichen Bewußtsein Jesu" (228) und der
fortdauernden „ewigen Willensbestimmung des Logos"
(ebd.) die Zauberei in Grenzen halten sollten.
Ähnlich wie bei Hofmann fordern dagegen die wenn auch
zuweilen nur widerwillig das Format des Denkers anerkennenden
Sätze über F. H. R. Frank die wissenschaftliche Neugier
des mitarbeitenden Lesers heraus. Der letzte große
Erlanger setzt die Kenose des Sohnes Gottes exklusiv in die
„Umsetzung seines ewigen Sohnesbewußtseins in die Form
zeitlich werdenden, endlichen Menschenbewußtseins" (236).
Man mag diese Reduktion des Problems bedauern, die von
Breidert konstatierten Halbheiten (238) sind vielleicht doch
konsistenter, als der Kritiker zugeben möchte. Auch die
Förderung, die Frank einem angemessenen Verständnis der
Unveränderlichkeit Gottes angedeihen ließ (244 ff.), verdiente
eine gründlichere Notierung. Daß Frank sich nur
durch Zurückhaltung und Vorsicht auszeichne (247), wird
als Schlußurteil nicht bestehen bleiben, denn die unterstellte
Spaltung der Person Christi (246 f.) muß als monistisches
Vorurteil vermutet werden.
Das neunte Kapitel entfaltet die Vielfalt der kenotischen
Theoriebildung (248 ff.), auch die „verwandten Anschauungen
", insbesondere Martensens (259 ff.) „Doppelleben" —
„der Sohn als Schöpfungsmittler weltschöpferisch, welterlösend
in der Christusoffenbarung" (265) — und Schöberleins
doppeltes Logosbewußtsein samt doppelter Logoswirklichkeit
(265 ff.) werden ausgebreitet. Korrekturen des
historischen Urteils werden für J. P. Lange, E. Böhl und
J. Bodemeyer gefordert (276 ff.).
Nicht befriedigen können die Ausführungen über den
„philosophischen Hintergrund der Kenotik" (278 ff.). Der
kriminalistisch präzise Aufweis, daß W. Kaspers Einwände
gegen einen „historischen Zusammenhang zwischen der
.Philosophie der Offenbarung' und der neueren Kenotik"
(278) nicht stichhaltig sind, macht zwar Spaß und dürfte
auch gelungen sein, aber was dann über Schellings Potenzenlehre
aufgereiht wird, ist doch sehr holzschnittartig, so
anerkennenswert jede lesbare Einführung in Schelling auch
sein mag. Vor allem aber kommt es nicht zur Durchleuchtung
der aufgewiesenen, aber weithin äußerlich bleibenden
Dependenz (288 ff.). Der Abschnitt über „die Auswirkungen
von Hegels Philosophie auf die Kenotik" (291 ff.) zieht die
gleichen Fragen auf sich. Auf drei Seiten läßt sich Hegel nun
eben nicht darstellen (292—294); so trägt denn etwa der Beleg
für Hegels angebliches Nein zur Zweinatuienchristolo-
gie viel weniger aus, als Vf. will (296 Anm. 139). Die „vergleichende
Zusammenfassung" (298 ff.) bietet dagegen ein
souveränes Fazit — jedenfalls soweit Breidert seine eigenen
Thesen zurückhält, in denen er Jesu Gottesverhältnis als
trinitarisch bestimmbares verabschieden möchte (392). Markant
indessen sein Widerspruch v. a. gegen Hirsch und Althaus
, ,mit dem Scheitern der neueren Kenotik sei die Aporie
des Dogmas an den Tag getreten' (304; ist diese löbliche Einsicht
auf S. 309 schon vergessen?). Besonnen, wiewohl nicht
völlig einheitlich scheinen mir die Überlegungen zum Thema
immutabilitas (305-308).
Das am Ende vertretene Programm einer Relations-
christologie zur Ablösung aller Spielarten der scheiternden
Identitätschristologie (308 ff.) — „ohne Hegel unter das
historische Kreuz von Golgatha" (313)! — weckt noch einmal
große Erwartungen. Sie sanken dem Rez. schnell dahin, als
er gewahr werden mußte, daß die „in dem ... unmittelbaren
Verhältnis Jesu zu Gott" (316) gesuchte „Gottheit
Jesu" der seit Schleiermacher wieder geöffneten Pandora-
büchse des Dynamismus entsprungen ist.
Güttingen Jörg Baur
Fatio, Olivier, et Pierre Fraenkel: Histoire de l'exegese au
XVle siecle. Textes du Colloque international tenu a
Geneve en 1976. Geneve: Droz 1978. 414 S. kl. 8» = Etudes
de Philologie et d'histoire, 34.
Nach 2 einleitenden Beiträgen der Hrsg. berichtet A.Go-
d i n über die Bedeutung des Origenes für die Exegese des
Erasmus. 8 Beiträge wenden sich dem AT zu, davon 6 dem
Psalter: G.B. Winkler, Das Psalmenargument des Erasmus
im Streit um den freien Willen; C. B e n 6, L'exegese des
Psaumes chez Erasme; G.Bedouelle.La lecture christo-
logique du psautier dans le Quincuplex Psalterium de Le-
fevre d'Etaples; G. Hobbs, Martin Bucer on Psalm 22;
J. Friedman, Servetus and the Psalms: The exegesis
of heresy; A. Sequenny, L'exegese spirituelle de Sebastian
Franck sur l'exemple du commentaire du Psaume
64. A. F. v o n G u n t e n nennt seinen Beitrag La contribu-
tion des .Hebreux' ä l'ouevre exegetique de Cajetan;
D. Augsburger berichtet über Calvin und das zweite
Gebot. Sechs Beiträge betreffen die Evangelien: J.-P. Massaut
, Histoire et allegorie dans les Evangiles d'apres
Lefevre d'Etaples et Clichtove; J. Chomarat, Les Annotation
de Valla, Celles d'Erasme et la grammaire; J. C.
Margolin, Bovelles et son commentaire de l'Evangile
johannique; G. Müller, Oslanders „Evangelienharmonie
"; H.H. Holfelder, Schriftauslegung und Theologie
bei Johannes Bugenhagen (1485—1558). Zur theologischen
Vorgeschichte seiner Kirchenordnungen; P. Denis, Le
recours ä L'Ecriture dans les Eglises de la Reforme au XVIe
siecle: Exegese de Mt. 18,15—17 et pratique de la discipline.
Die folgenden Beiträge betreffen die Briefe: H. Feld, Die
Hermeneutik Wendelin Steinbachs nach seinem Kommentar
über den Galaterbrief; J. P. P a y n e , The Significance
of Lutheranizing Changes in Erasmus' Interpretation of
Paul's Letters to the Romans and the Galatians...;
B. R o u s s e 1, La decouverte de sens nouveaux de l'epitre