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Ausgabe:

1980

Spalte:

844-846

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Erbe, Michael

Titel/Untertitel:

François Bauduin 1980

Rezensent:

Wartenberg, Günther

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843

Theologische Literaturzeitung 105. Jahrgang 1980 Nr. 11

844

Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Projekt:
„Kommunikationssemantische Untersuchungen argumentativer
Interaktionen anhand von Grenzfällen", das im Institut
für Kommunikationsforschung und Phonetik der Universität
Bonn durchgeführt wurde. Die ignatianischen Exerzitien
bilden als ein konkretes Beispiel aus solchen Grenzfällen
einen in der Tat besonders lohnenden Untersuchungsgegenstand
.

Die Anwendung kommunikationstheoretischer und wissenssoziologischer
Untersuchungsmethoden lag nahe angesichts
der von Loyola angewendeten Exerzitienmethode. Sie
geht nicht den Weg fortgehender theoretischer Erklärungen,
sondern den der Einübung (exercitium) in eine Reihe praktischer
Handlungsanweisungen. „Loyola hat somit eine indirekte
Strategie der Beeinflussung technisiert, die zu den
Grundtypen persuasiver Kommunikation zu zählen ist"
(XI). Den bei Loyola vorflndlichen Grundtypus beschreibt
Vf. so: „Die systematisch geplante und durchgeführte Beeinflussung
der inneren Strukturen des Verstehens- und
Persuationsprozesses findet konkret in einer Art Dialektik
.Handeln—Einsicht' statt, die im Erlernen, Wiederholen und
Verinnerlichen bestimmter Übungen vollzogen wird" (XII).
Wenn man bedenkt, daß solche Einübung zwar mit einem
isolierten Einzelnen, aber mit diesem als einem in eine
Gruppe integrierten Menschen durchgeführt wird, dann
leuchtet das Urteil ohne weiteres ein, daß die Exerzitienmethode
Loyolas als „die bisher am weitesten entwickelte
Form einer Einübung" beurteilt werden kann, „mit der die
totale Integration eines Individuums in die Zielgruppe
erreicht werden soll" (XII). Der Jesuitenorden als
Kommunikationsgemeinschaft bestätigt die Richtigkeit dieser
Auffassung.

Die Untersuchung will das Ziel mit folgenden Schritten
erreichen: Teil I und II befassen sich mit einer „Einführung
in die Kommunikationsproblematik der Exerzitien" und
bieten eine „Zusammenfassende Darstellung der Hauptlinien
der Exerzitien". Grundlage dafür ist nicht nur eine
umfassende Quellenkenntnis, sondern die persönliche Erfahrung
des Vf., der zuerst mehrmals Exerzitien selber mitgemacht
hatte, um sie danach zu analysieren. Vorher aber
stellt er auf Grund seiner persönlichen Erfahrungen die
Hauptlinien des Exerzitienprozesses dar, was sich als eine
wesentliche Hilfe erweist für alle Leser, die an ignatianischen
Exerzitien selber nie teilgenommen haben. Vf. beurteilt
die „Exercitia spiritualia" des Ignatius von Loyola —
nach der eigenen Praxiserfahrung — als „eine Dienstvorschrift
für den Exerzitiengeber in einem grundsätzlich bei
allen Menschen anwendbaren, psychologisch meisterhaft
ausgedachten Verfahren" (16). Dies Verfahren wird ausführlich
beschrieben.

In Teil III eruiert Vf. den „Sitz im Leben" des ignatianischen
Werkes. Er ergibt sich aus dem geistigen Lebensweg
Loyolas, für den die „Kommunikation mit Gott" zum persönlichen
Problem geworden war. Als „Kern der Exerzitienproblematik
" findet Vf. eine Kurzformel für Problemstellung
und -lösung: Es geht darum, „den Willen Gottes über
uns Menschen existentiell zu erkennen und entsprechend zu
handeln" (43). Die Methode einer „groben Überrumpelung
der menschlichen Seele" durch überschwengliche Ausmalung
der himmlischen Seligkeit und durch Erweckung von Angst
vor den Höllenstrafen ließ keine bleibende Sinneswandlung
erwarten. Loyola suchte nach anderen Mitteln — neben
der Predigt — die „eine dauernde Leitung der Seele ermöglichen
konnten" (56).

So kam es zu einer durchdachten „Strategie der Ignatianischen
Exerzitien", die in Teil IV erläutert wird. Ausgehend
von einer „Krise", die die bis dahin als gültig erachtete
Lebensführung in Frage stellt, ergibt sich als wesentliches
Moment der Strategie, „daß der Exerzitiengeber diesen
Prozeß der Krise induziert, und zwar dadurch, daß er
den Exerzitanten zu einem Kommunikationsprozeß mit
Gott führt" (57). Den Fragen der Durchführung dieser Methode
sind die Untersuchungen der folgenden Teile gewidmet
: Vf. analysiert die Funktionen des Exerzitiengebers für
den notwendigen Prozeß, daß zunächst der Exerzitiengeber
mit dem Exerzitanten kommuniziert. Dann wird die Anpassungsstrategie
behandelt, mit deren Hilfe die zwischenmenschliche
Kommunikation ermöglicht wird. Wichtig ist,
daß der Exerzitant das Eingeübte „nicht nur auf die innere
Kommunikation mit Gott" anzuwenden lernt, „sondern
auch auf die zwischenmenschliche Kommunikation", so daß
sich „die Basis der Kommunikationsgemeinschaft einer
apostolischen Gruppe" bildet (127). Die Integration in die
Gruppe vollzieht sich wesentlich „durch die Erwerbung
einer spezifischen Mentalität, die den Eingeübten ähnlich zu
denken und zu entscheiden ermöglicht". Diesem Ziel dienen
u.a. „rationale Strukturen in den Exerzitien", die Vf. als
Teil VIII erläutert (129 ff.). Abschließend legt er eine „phänomenologische
Analyse der .Programmierung' der Erfahrung
des Exerzitanten" vor (Teil IX), um schließlich „semantische
Dimensionen des Kommunikationsprozesses in
den Exerzitien" (Teil X) zu analysieren. Hier wird ein Bereich
erschlossen, dem in der kommunikationswissenschaftlichen
Literatur häufig wenig Beachtung gezollt wird: die
gegenseitige Mitsteuerung innerer Prozesse! Damit thematisiert
er die Notwendigkeit einer „Einbeziehung der inneren
Elemente des Kommunikationsprozesses" (186). Daß es
eine Interaktion zwischen den Bewußtseinsgegebenheiten
von Kommunikationspartnern gibt, wird nirgends bezweifelt
; hier aber wird betont herausgestellt, „daß diese Interaktion
beider Bewußtseinsströme den Kern des Kommunikationsprozesses
bildet" (186).

Nicht unerwähnt sei der aufschlußreiche „Anhang: Vergleich
Psychoanalyse (Freud) — Exerzitien (Loyola) unter
kommunikationstheoretischem Aspekt" (203 ff.). Literaturverzeichnisse
und Register schließen die Arbeit ab und erschließen
die reiche Fülle ihres Inhalts dem Leser.

Erlangen Bernhard. Klaus

Kantzenbach, Friedrich Wilhelm: Einheitsbestrebungen im
Wandel der Kirchengeschichte. Gütersloh: Gütersloher
Verlagshaus Gerd Mohn [1980]. 138 S. 8° = Studienbücher
Theologie. Kirchen- u. Dogmengeschichte. Kart. DM 24,—.

In acht Kapiteln wird eine Linie gezogen von „Einheit
und Uneinigkeit in der alten Kirche" (14—27) bis in die Gegenwart
zum Weltrat der Kirchen (107—113), zum 2. Vatika-
num (119—124) sowie zur südindischen Unionskirche (125 bis
128). Es werden „Typen der ökumenischen Idee, wie sie sich
im Laufe der Kirchengeschichte herausgebildet haben, plastisch
" herausgearbeitet (10). Schwerpunkte sind die Reformationszeit
(36—74) sowie die Epoche von Hugo Grotius bis
zu Zinzendorf (75—95). Hervorgehoben sei die pädagogische
Zielsetzung des Bandes: Außer Literaturangaben werden
Lesevorschläge zu den Abschnitten gemacht. Das Selbststudium
soll durch 26 Selbstkontrollaufgaben (129—131) sowie
durch eine Zeittafel (132—133) erleichtert werden.

G. H.

Davis, D. Clair: The Task of Church History: Answering the
Threat of Historicism (WThJ 41, 1978/79 S. 221-227).

Hoberg, Hermann: Das Vatikanische Archiv als Geschichtsquelle
(RQ 74, 1979 S. 1-15).

Hornus, Jean-Michel, et Rodolphe Peter: Le fonds Jean-
Louis Medard de la bibliotheque de Lunel et l'histoire du
protestantisme (EThR 54, 1979 S. 243-254).

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Erbe, Michael: Francois Bauduin (1520—1573). Biographie
eines Humanisten. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus
Gerd Mohn [1978]. 312 S., 1 Porträt gr. 8° = Quellen und
Forschungen zur Reformationsgeschichte, 46. Lw. DM
78,-.