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Ausgabe:

1980

Spalte:

839-840

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Léon-Dufour, Xavier

Titel/Untertitel:

Wörterbuch zum Neuen Testament 1980

Rezensent:

Delling, Gerhard

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Seite 1

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839

Theologische Literaturzeitung 105. Jahrgang 1980 Nr. 11

840

(96), einerseits in die reine Spekulation, andererseits kaum
zu verantwortbaren Handlungsmodellen.

Die beiden nächsten Untersuchungen arbeiten im wesentlichen
redaktionsgeschichtlich. A. W e i s e r („Die Nachwahl
des Mattias [Apg 1, 15-26]" 97—110) geht von der These
einer Verknüpfung einer Judas-Tod- und einer Mattias-
Wahl-Überlieferung mit Hilfe einiger redaktioneller Formulierungen
aus. Ohne daß er die historische Frage des
Zwölferkreises thematisiert, besteht nach Weiser „kein hinreichender
Grund, die Historizität der Ersatzwahl des Mattias
zu bestreiten" (109).

Ein glänzendes Beispiel dafür, was eine redaktionsgeschichtliche
Untersuchung leisten soll und kann, ist der Beitrag
von Karlheinz Müller („Jesus vor Herodes" 111 bis
141). Hier wird mit Hilfe sprachlicher, historischer und theologischer
Analysen gezeigt, warum Lk diese Szene 23, 6—12
in seine Passionsgeschichte einfügt: als ein Element einer
römischem Recht entsprechenden gerichtlichen Untersuchung
. Uberraschend, aber doch einleuchtend ist M.s Interpretation
des „Prunkgewandes" (23,11) nicht mehr als Teil
der Verspottung wie in der Tradition, sondern als Ehrengewand
, das „dem römischen Prokurator die Überzeugung
des Antipas von der Schuldlosigkeit Jesu" (137) signalisieren
soll.

J. Blank („Zum Problem ,Häresie und Orthodoxie' im
Urchristentum" 142—160) gibt einen weitreichenden Überblick
über die Bestimmung des Verhältnisses von Häresie
und Orthodoxie bei den Kirchenvätern und in der modernen
Forschung seit Harnack. Es verwundert jedoch sehr,
daß B. nicht eingeht auf die verschiedenen Arbeiten von
H. Köster, bei dem einiges zu den in der knappen abschließenden
„Problemskizze" angerissenen Themen zu finden
ist, was mindestens der Diskussion wert sein sollte.

Ein Buch also, das von den Ambitionen der Herausgeber
her hohe Erwartungen weckt, sie dann aber in keiner Weise
erfüllt. Unklar bleibt eines der gegenwärtigen Grundlagenprobleme
: wie sich historische Aussagen gewinnen lassen
in Korrelation zu traditionsgeschichtlichen, literarkritischen,
religionsgeschichtlichen usw. Vielleicht, wäre das Vorwort
nicht, würde man einige gute Einzelbeobachtungen und Problembeschreibungen
unbefangener aufnehmen.

Corrigendum: S. 118, Z. 17 v. o. lies „Pilatus" statt „Antipas
".

Bethel Dieter Lührmann

Leon-Dufour, Xavier: Wörterbuch zum Neuen Testament,

übers, v. E. Beck u. E. Sitarz. München: Kösel [1977]. 470 S.
8°.

Noch ehe die Rezension in ThLZ 103, 1978 Sp. 27 f. erschien
, kam die deutsche Ausgabe des Dictionnaire du
Nouveau Testament von X. Leon-Dufour. Es wurde „ins
Deutsche übertragen von Eleonore Beck und Eugen Sitarz"
(S. 4). Mehr wird über ihre Arbeit an dem Band und
deren Grundsätze nicht ausgeführt. Nur gelegentlich
kann man vermuten, daß eine etwas andere Fassung
auf den Autor zurückgeht (so der Ausbau und die Präzisierung
der Ausführungen sub ,ewig' Abs. 2). Daß häufig
Formulierungen der französischen Ausgabe umgedacht
sind (auch in bildlichen Ausdrücken), geht aller Wahrscheinlichkeit
nach auf die Übersetzer zurück (s. etwa
... sont transformes ,haben einen anderen Stellenwert bekommen
', S. 141). Sie geben die französische Vorlage des
öfteren je nach dem Zusammenhang frei wieder (so z. B.
divinite: .göttliches Leben' Kol 2,9, S. 203) ^ Weithin entspricht
indessen die deutsche Fassung lexikalisch und im
Stil der französischen. Einige Fremdwörter, die aus ihr
übernommen sind, wären wohl vermeidbar. Freilich ist die
Sprache der Übersetzer auch sonst nicht immer einfach (s.
etwa le faisant etre ,der ins Sein setzt', sub ,Jahwe' zu Ex
3,14), trotz des Bemühens um Verständlichkeit für Nicht-
theologen (etwa durch die Auflösung verschränkter Satzgebilde2
).

An die Wiedergabe der griechischen Wörter ist sichtlich
besondere Sorgfalt gewendet. Die Ubersetzung eines Wörterbuchs
stellt ja den Übersetzer dadurch vor eine besondere
Aufgabe, daß er bei der Übertragung der Wörter der zu erläuternden
Sprache sozusagen in drei Sprachen denken
muß. Bemerkenswert ist dazu etwa die einheitliche Wiedergabe
von gloire durch Herrlichkeit (für doxa). An die Stelle
von figure tritt als Stichwort Typos (in dem Artikel begegnen
daneben verschiedene Übertragungen). Unter Umständen
ergibt sich etwa auch die Aufteilung eines Artikels
(fierte in ,Zuversicht' und ,Ruhm'). Daß übersetzen zugleich
interpretieren heißt, wird mannigfach sichtbar. Das alles
setzt sachkundige Übersetzer voraus.

Die Erörterung der einen oder anderen Stelle, an der man
fragen kann, ob die Vorlage sprachlich richtig wiedergegeben
ist, würde unnötig Raum beanspruchen; sie mindern
nicht die Verwendbarkeit der Ausgabe. Überdies wären sie
durch eine Fülle von Beispielen aufzuwiegen, an denen die
Sorgfalt der Übersetzer in der Weitergabe der Aussagen des
Autors und ihr Bemühen um eine im deutschen Sprachbereich
brauchbare Gestaltung des Sachwörterbuches augenfällig
wird, dessen Bedeutung in ThLZ 103 herausgestellt
worden ist.

Halle (Saale) Gerhard Delling

1 Ein Vorzugswort ist .Begriff'.

1 Dabei kann allerdings auch die Beziehung der Aussagen zueinander
weniger deutlich werden.

Howard, George: Paul: Crisis in Galatia. A Study in Early
Christian Theology. Cambridge — London — New York —
Melbourne: Cambridge University Press [1979]. XII, 114 S.
8° = Society for New Testament Studies. Monograph Se-
ries, 35. Lw. £ 5,95.

Die vorliegende Studie, deren eigentlicher Text den Umfang
eines etwas zu lang geratenen Aufsatzes nicht übersteigt
, unternimmt den Versuch, die historisch-theologische
Grundfrage des Galaterbriefes noch einmal zu untersuchen.
Sie wurde 1976 abgeschlossen, doch erst 1979 veröffentlicht.
Dies ist darum eigens erwähnenswert, weil die wissenschaftliche
Diskussion überhaupt nur bis 1975 einschließlich konsultiert
wurde. Daß aber gerade in den letzten Jahren viel
zur paulinischen Theologie und der vita des Heidenapostels
publiziert wurde, ist allgemein bekannt. Darum hätte der
Autor eine gründliche Überarbeitung vor der Veröffentlichung
vornehmen sollen, um seinem Werk den Vorwurf,
hinter dem Diskussionsstand zurück zu sein, zu ersparen.

Dies wäre um so dringlicher gewesen, als die Thesen von
H. keineswegs immer innerhalb des üblichen Rahmens liegen
. So tritt H. wieder für die Frühdatierung des Gal ein
und bestreitet die Identität von Gal 2,1—10 und Apg 15 (IX).
In beiden Fällen wird ihm nach Ausweis des Diskussionsstandes
kaum viel Gefolgschaft zuteil werden. Umgekehrt
ist H. im methodischen Ansatz mit Recht heute breiteste Zustimmung
gewiß: „Paul's genius is seen best when his theology
is allowed to arise from the historical setting of his
struggles with opponents and his methods in preaching the
gospel" (IX).

In vier Abschnitten versucht H. die galatische Situation
aufzuhellen: Er handelt von den Gegnern des Paulus, dem
paulinischen Heidenapostolat, der Rechtfertigung durch den
Glauben und vom paulinischen Gesetzesverständnis. Die
historische Grundthese lautet dabei: Die Gegner sind christliche
Judaisten mit Jerusalemer Unterstützung. Sie wollen
dabei gar nicht Paulus feindlich sein. Sie nehmen vielmehr
an, der Apostel habe wegen seiner Krankheit die auch von
ihm in Übereinstimmung mit den Jerusalemern gepredigte
Beschneidung an den Galatern noch nicht vollzogen, sondern
nur für einen späteren Besuch aufgeschoben. So wollen
sie im Sinne des Paulus nun dessen Werk vollenden. Für
sie kommt darum die paulinische Gegnerschaft und scharfe
Polemik völlig unerwartet. Denn im Gal stellt Paulus sie vor
einen total neuen Entwicklungsstand der Mission. Nach-