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Ausgabe:

1980

Spalte:

833-834

Kategorie:

Judaistik

Autor/Hrsg.:

Schreckenberg, Heinz

Titel/Untertitel:

Bibliographie zu Flavius Josephus 1980

Rezensent:

Michel, Otto

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 105. Jahrgang 1980 Nr. 11

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net werden können, gab es aber bisher keine Übersicht, und
so ist die hier anzuzeigende Bibliographie aufs wärmste zu
begrüßen. Sie faßt den Begriff „Pseudepigraphen" zwar
weit (jüdische oder judenchristliche Schriften aus der Zeit
zwischen 200 v. Chr. und 200 n. Chr., die in Beziehung zum
Alten Testament stehen, inspiriert sein wollen und einer
alttestamentlichen Gestalt zugeschrieben werden), aber
doch im Sinn der überlieferten, aber heute nicht mehr haltbaren
Unterscheidung von „Apokryphen" (d. h. die in Sep-
tuagintahandschriften zu findenden Texte) und „Pseudepigraphen
", so daß die „Apokryphen" nicht mit berücksichtigt
werden (es fehlen also alle in den Lutherbibeln
unter den Apokryphen vorhandenen Schriften mit Ausnahme
des Manasse). Man mag das bedauern, doch bestehen
für diese Schriften (die freilich in die „Jüdischen Schriften
aus hellenistisch-römischer Zeit" einbezogen sind) ja andere
bibliographische Hilfsmittel, s.o.; und man mag die
Definition des Begriffs „Pseudepigraphen" anfechten (Pseu-
do-Phokylides etwa will schwerlich inspiriert sein und wird
auch keiner alttestamentlichen Gestalt zugeordnet). Aber
solche Einwände können den Dank für das Gebotene nicht
mindern. Charlesworth verzeichnet zunächst die allgemeine
Literatur der Jahre 1960—1975 zu diesem Schriftenkreis
, nach systematischen Gesichtspunkten geordnet, dann
aber vor allem die Literatur zu jeder einzelnen Schrift, wobei
die Grenze für die zu berücksichtigenden Schriften eher
zu weit als zu eng gezogen ist und darum einige Schriften
berücksichtigt werden, bei denen es fraglich ist, ob sie in
diesen Zusammenhang gehören (das gilt m. E. etwa für die
Apokalypse des Adam, das 3. Henochbuch und das Testament
Salomos; daß die Schriftsteller Josephus und Philo
und die Qumranschriften nicht berücksichtigt sind, ist dagegen
durchaus sachgemäß). Besonders dankenswert ist
aber, daß Ch. der Bibliographie zu den einzelnen Schriften
jeweils eine Erörterung der Überlieferung und der vermutlichen
Entstehungsverhältnisse der betreffenden Schrift voranstellt
, weil solche Erörterung nicht nur lehrreich, sondern
auch in vielen Fällen z. Z. die einzige leicht zugängliche Information
über diese Schrift darstellt. Das auch in den
fremdsprachigen Angaben fast fehlerfreie Buch ist darum
nicht nur hilfreich, sondern äußerst dankenswert.
Marburg Werner Georg Kümmel

Schreckenberg, Heinz: Bibliographie zu Flavius Josephus.

Supplementband mit Gesamtregister. Leiden: Brill 1979
XI, 242 S. gr. 8° = Arbeiten zur Literatur und Geschichte
des hellenistischen Judentums, XIV. Lw. hfl. 80,—.

Zunächst sei auf die von H. Schreckenberg 1968 erschienene
Bibliographie zu Flavius Josephus verwiesen, zu der
nunmehr ein Supplementband hinzukommt, der auf die
seither veröffentlichten Nachträge (seit 1966) und auf früher
veröffentlichte allgemeine Literatur hinweist. Während die
frühere Bibliographie chronologisch aufgebaut war, ordnet
der Supplementband jetzt alphabetisch. Darin liegt ein Unterschied
im Aufbau. Der Vf. setzt Schwerpunkte, ausführlich
z. B. geht er ein auf Cl. Thoma, Die Weltanschauung des
Josephus Flavius (Kairos 11, 1969, 39—52): die Besprechung
umfaßt 34 Zeilen. Anderes, z. B. Aufsätze und Bücher, die
auch von Bedeutung sind, z. B. das von W. C. van Unnik
beigesteuerte Material, wird erheblich kürzer behandelt.
Ich hätte etwa bei W. C. van Unnik, An Attack on the Epi-
cureans by Flavius Josephus (Festschrift J. H. Waszink 1973,
341—355) und anderen Beiträgen, vor allem Flavius Josephus
als historischer Schriftsteller 1978 (3 Zeilen Inhaltsangabe
!) ein eingehenderes Referat gewünscht. Van Unnik,
der jüngst verstorben ist, hätte das wohl verdient. Anderseits
fiel mir auf, wie weitgespannt die Erwähnung von
Literatur ist, die nicht unbedingt zur Thematik des Josephus

zuzurechnen ist (z. B. D. Plooij, De Chronologie van het Leven
van Paulus, 1918; Ch. Fr. Potter, The lost years of Jesus,
1963). Vielleicht hätte man hier den einen oder anderen Titel
entbehren können. Literatur, die nur kurz Josephus berührt,
wird einbezogen. In einem zweiten Teil werden Editionen,
Ubersetzungen, poetische Bearbeitungen, freie Nacherzählungen
und Auszüge aufgeführt (161-201). Wichtig wird
aber die Liste der Abkürzungen (205-214) und das Gesamtregister
(215-236). Dem Vf. sei für seine entsagungsvolle
Arbeit in den beiden Bibliographie-Bänden unser aller
Dank ausgesprochen.
Tübingen Otto Michel

Ben-Chorin, Schalom: Die Tafeln des Bundes. Das Zehnwort
vom Sinai. Tübingen: Mohr 1979. 191 S. 8°. Lw. DM
28,-.

Mit Recht hat Schalom Ben-Chorin seinem Buch über den
„jüdischen Glauben" nun eines über die Zehn Gebote folgen
lassen, da es im Judentum zentral nicht um Glaubensfragen,
sondern um die Verwirklichung des Glaubens im Gehorsam
gegen Gottes Gebot geht. Die Zehn Gebote sind Grundlage
der christlichen wie der jüdischen Ethik, und man könnte
meinen, hier gäbe es eine weitgehende Übereinstimmung
der beiderseitigen Auslegung. Aber christliche Leser, an die
sich Ben-Chorin vor allem wendet, werden auch hier beträchtliche
Unterschiede finden. Schon der Stellenwert des
Zehnworts innerhalb des Gesamtgefüges der Ethik ist verschieden
. Während es im Christentum neben der allgemeinen
Gottes- und Nächstenliebe als einziger Rest von den
konkreten Geboten der hebräischen Bibel verbindlich geblieben
ist, hat es im Judentum unter der Fülle der 613
biblischen Gebote kaum eine Sonderstellung. Eine Auszeichnung
besitzt es allerdings als Urkunde des Bundes,
den Gott mit dem Volk Israel geschlossen hat, und eingedenk
dieser Tatsache hat Ben-Chorin sein Büchlein auch
„Die Tafeln des Bundes" genannt.

Am auffallendsten sind die Unterschiede der jüdischen
und der christlichen Auffassung bei den beiden ersten Geboten
. Der erste Satz des Zehnwortes ist eine Selbstoffenbarung
Gottes als des Erlösers und bedarf für das Judentum
keiner Ergänzung. Die Abgrenzung gegen die Christo-
logie hat Ben-Chorin also in den ersten Abschnitt hereingenommen
, nicht in den zweiten, in dem er sich auf das
Bilderverbot beschränkt. Eine Fülle philologischer, historischer
, psychologischer, sozialethischer, rechtlicher Details
zeichnen die Kapitel über die Bedeutung des Gottesnamens,
Sabbatheiligung, Elternehrung und gerade auch über die
einfach scheinenden Gebote der zweiten Tafel aus, wobei
sich allerdings manchmal Wiederholungen ergeben. Bei
alledem wird klar, daß trotz der Fülle der Gebote, die dieses
Zehnwort im Judentum umranken, erweitern und aktualisieren
, es hier nie zu einer Radikalisierung gekommen ist.
die eine Erfüllung unmöglich gemacht hätte, sondern die
Tubarkeit des Gebotes steht im Mittelpunkt all der Vorschriften
, die den „Zaun um die Weisung" bilden, wenn
auch der einzelne Mensch stets hinter der Forderung zurückbleibt
und der Gnade Gottes bedarf.

Das Büchlein ist eine Bereicherung für die christliche Exegese
des Zehngebots, weil viel von der Auslegungs- und
Traditionsgeschichte der jüdischen Gemeinde eingebracht
ist, ausgewählt und dargeboten von einem Mann, der sich
mit der modernen Theologie beider Glaubensweisen und
aktuellen Fragen intensiv auseinandergesetzt hat. Das Gebot
Gottes, dargestellt als Herausforderung des Menschen
und der Gesellschaft, als unverrückbare Ordnung, gegen die
Menschen und Völker sich nicht ungestraft auflehnen — eine
für christliche Leser und besonders für Religionspädagogen
und Katecheten bedenkenswerte Lektüre.

Tübingen Annemarie Mayer