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Ausgabe:

1980

Spalte:

830-831

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Schüngel-Straumann, Helen

Titel/Untertitel:

Gottesbild und Kultkritik vorexilischer Propheten 1980

Rezensent:

Staudigel, Helgalinde

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Theologische Literaturzeitung 105. Jahrgang 1980 Nr. 11

830

Neuinterpretation" erfahren haben. Er rechnet mit einer,
möglicherweise aus der öffentlichen Verlesung der Jesaja-
Worte hervorgegangenen, wohlüberlegten redaktionellen
Kompositionsarbeit, vorgenommen an zwei bereits vorhandenen
Sammlungen und einzelnen Fremdvölkerworten, wobei
die redaktionellen Stücke, bestehend aus Erweiterungen,
Glossierungen und eigenen Schöpfungen, konstant an echte
Assur-Worte Jesajas angefügt worden seien. Dieses Unternehmen
nennt er Assur-Redaktion (= AR), denn er ist überzeugt
davon, daß es eine ganze Menge sekundärer Texte im
Protojesajabuch gibt, die aus vorexilischer Zeit stammen
und die Größe Assur im Blick haben, auch wenn nicht ausdrücklich
der Name genannt ist.

Auf eine die Fragestellung darlegende Einleitung folgt die
eingehende Analyse der „Assur-Texte" und im Anschluß
daran die Zeichnung der AR, wie sie sich Vf. darstellt. Ein
Schlußteil behandelt die weiteren redaktionsgeschichtlichen
Fragen des Ersten Jesaja sowie „die »Assur-Redaktion«
als produktive Neuinterpretation prophetischer Überlieferung
". Darauf folgt anhangsweise in Ubersetzung die von
der AR erstellte Form des Protojesajabuchs. Unter den
üblichen Verzeichnissen am Ende des Buches ist das Stellenregister
nach der lateinischen Bibel geordnet.

Zu der vom Vf. behaupteten AR gehört folgendes Gut:
5, 30; 7, 20* („im Gebiet jenseits des Stromes"); 8, 9 f.; 8, 23b
bis 9, 6; 10, 16-19; 14, 5. 6*. 20b. 21; 14, 24-27 (außer 25b) mit
10,4b; 17,12-14; 29,8; 30,27-33; 31, 5. 8b. 9; dazu 28,23-29
und 32,1—5.15—20. Es enthalte jerusalemische, altisraeli-
tisch-landjudäische und weisheitliche Einflüsse, habe Verbindung
zur prophetischen Tradition, ja, sei selbst Prophe-
tie und müsse etwa aus den Jahren 620—615 hergeleitet werden
.

Nun sagt Vf., analytisch könne eine Redaktionsschicht
nicht gefunden werden. Es bedürfe dazu eines Akts kreativer
Synthese, die hypothetisch die Vorstellung von einer
Redaktion entwirft, welche auf ihre Tragfähigkeit hin zu
prüfen sei. Seine Hypothese, die er schließlich in jedem Belang
bestätigt findet, lautet: „Ein nach Umfang und Gestalt
des näheren noch zu bestimmender Teil der Jesajaüberlie-
ferung hat am Anfang des vorletzten Jahrzehnts des 7. Jh.s,
unter dem Eindruck der Herrschaft Josias und angesichts
des nahenden Untergangs der assyrischen Macht in ihrem
Stammland, eine tiefgreifende, planvolle redaktionelle Bearbeitung
erfahren; ein Großteil der redaktionellen Stücke
ist, durch An- oder Einfügung, unmittelbar an Assur-Worte
Jesajas angesetzt; das Aussageinteresse der Redaktion geht
dahin, Unheil für das Assyrerreich, das im eigenen Lande
vernichtet werden wird, anzukündigen, Heil aber für Israel,
das gemäß dem übergreifenden Geschichtsplan Jahwes von
der assyrischen Fremdherrschaft befreit worden ist und
nunmehr vor jeder künftigen feindlichen Bedrohung durch
Jahwe geborgen sein und unter seinem königlichen Heilsherrscher
in umfassendem Wohlergehen leben wird" (209).
Die AR steht — näher ausgeführt — unter dem Eindruck
zweier einschneidend neuer Erlebnisse: des Abzugs der
Assyrer aus Israel und ihres bevorstehenden Zusammenbruchs
sowie der Wirksamkeit Josias, denn der König von
9, 5 f.; 11,1-5; 32,1-5.15-20 ist kein anderer als Josia (s.
241, 250). Sie tut die Weisheit des göttlichen Planens und
Wirkens dar, worin die Vernichtung der assyrischen Herrschaft
von vornherein ins Auge gefaßt war. Das durch die
Assyrer vollzogene Gericht Jahwes war eine notwendige
Zwischenstation. Jahwes Tun zielt auf die Realisierung des
Heils für Israel.

Die vorgelegten Ausführungen haben einen ziemlichen
Umfang, da die Verfolgung des Zieles eingebettet und
durchzogen ist von einer ganzen Menge an Erörterungen,
die außerhalb der durch die Thematik gezogenen Grenze
liegen. Freilich enthalten sie auf Grund einer reichlichen
Verarbeitung an Literatur viele gute und bedenkenswerte
Einzelbeobachtungen. Hierzu gehört die Ansicht, das Gerüst
des späteren Protojesajabuchs habe schon am Ausgang
des 7. Jh. vorgelegen und sei dann nur im wesentlichen

durch separat tradiertes Material sowie redaktionelle Zusätze
aufgefüllt worden, und der S. 264 formulierte Satz:
.....uns will scheinen, als sei die Josiazeit mit ihren Anstößen
für die produktive Neuinterpretation der Überlieferungen
in der Exegese noch viel zu wenig in Anschlag gebracht
worden."

Die entfaltete These selbst ist dagegen auf ihre Wahrscheinlichkeit
hin zu prüfen. In vielen Fällen wünschte man
sich die Dinge vorsichtiger artikuliert. Die Darlegungen tragen
auch weithin den Stempel der vom Vf. bereits gewonnenen
Uberzeugung. Manches, was man in den Analysen
liest, ist nicht voll verständlich und wird es erst im Fortgang
, wo Vf. seine Auffassung von der AR ausbreitet, wovon
er in seiner analytischen Arbeitsweise offensichtlich
ausgegangen ist. Hier muß eine Frage an die Methode gestellt
werden. Die Behauptung einer planvollen Redaktionsarbeit
und die mögliche Unechtheit des Kehrverses in
10, 4b, der zum Teil in 14, 27 wiederkehrt, lassen z. B. den
Abschnitt 14, 24—27 nicht zwingend als sekundär erweisen,
viel weniger als aus der angenommenen AR hervorgegangen
. Und wenn es zu 28,23—29 heißt: „Eine solche unkonditionierte
, didaktisch-generalisierende Beschreibung des
Heilsplanes Jahwes kann nicht vom Jesaja der Worte 1, 21
bis 26; 28,14 ff.; 29,1—7; 31,1—4 + 8a usw. stammen, sie paßt
dafür um so besser zur AR" (211), so sind die dazu vorgebrachten
Argumente nicht stichhaltig. Den Leuten seiner
AR traut Vf. mehr zu als dem Propheten. Will man ihm in
allem folgen, so verliert Jesaja Wesentliches seiner Eigenart
und Größe.

Man legt das Buch aus der Hand mit dem Gedanken, hier
sei keineswegs schon das Gültige gesagt. Der Vf. selbst stellt
seine Hypothese zur Diskussion (s. 271). Die Zukunft muß
zeigen, inwieweit sich die entwickelten Gedanken durchzusetzen
vermögen.

Leipzig Wolfram Herrmann

Schüngel-Straumann, Helen: Gottesbild und Kultkritik vorexilischer
Propheten. Stuttgart: Kath. Bibelwerk [1972].
144 S. 8° = Stuttgarter Bibelstudien, 60. Kart. DM 12,80.

Die Arbeit gilt der Frage, worin nach der Botschaft vorexilischer
Schriftpropheten der wahre, Jahwes Anspruch
gemäße Kult bestehe. Die Studie ist in drei in sich unterteilte
Kapitel gegliedert: I. Die Herrschaft Jahwes in Israel
und die kultischen Institutionen (11—20), II. Die Kritik der
Schriftpropheten an den kultischen Institutionen (21—70),
III. Die religiöse Grundlage prophetischer Kultkritik und
die Frage nach dem wahren Gottesdienst (71-138). Literaturverzeichnis
und Stellenregister schließen das Ganze ab.
Befragt werden durchgängig Arnos, Hosea, Jesaja, Micha
und Jeremia, unberücksichtigt bleibt Zephanja. Das ist insofern
gerechtfertigt, als Vfn. Paradigmatisches aufzeigt
und konkordanzmäßige Vollständigkeit nicht anstrebt. Das
einleitende Kapitel gibt zunächst eine knappe Übersicht
über Israels Gotteserfahrung unter verschiedenen Aspekten
, die alle zum gleichen Ergebnis führen: Israels historisch
fundierter Glaube zielt auf Durchdringung der täglichen
profanen Wirklichkeit, die Jahwes Offenbarungsort
ist, nicht aber ein „sakral-ausgegrenzter" Bereich. Da sich
der Jahwe-Glaube nicht primär kultisch verwirklichen läßt,
..gibt es in vorstaatlicher Zeit so gut wie gar nichts Besonderes
, was mit ... Sicherheit für den Jahwe-Kult in Anspruch
genommen werden kann". (Auf Amphiktyonie-The-
sen geht Vfn. wohlweislich nicht ein.) Das Werden des Kultes
in Israel ist daher einerseits geprägt von der Umdeu-
tung sowohl eigener alter Bräuche als auch kanaanäischen
kultischen Gutes im Sinne des Jahwe-Glaubens, andererseits
von einer Bereicherung durch die kanaanäischen Kulte.
welche den Kern der Jahwe-Religion gefährdete. Kap. II
umreißt die prophetische Kritik an den verschiedenen kultischen
Einrichtungen: Bildern, Altären, Opfern. Festen sowie
an Priestern, Propheten und Kuliteilnehmern. Tempel
und Bundeslade. Schon bei Vorführung dieser Details wird