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Ausgabe:

1980

Spalte:

827-828

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Eißfeldt, Otto

Titel/Untertitel:

Kleine Schriften, VI 1980

Rezensent:

Wagner, Siegfried

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Seite 1

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827

Theologische Literaturzeitung 105. Jahrgang 1980 Nr. 11

828

wissen Breite und vieler Wiederholungen auf die wissenschaftliche
Begründung und Diskussion weithin verzichtet.
Die Begründung und zugleich Veranschaulichung wird
gern — und pädagogisch wirkungsvoll — in allgemeinen
phänomenologisch-semantischen Betrachtungen, etwa über
Gebet (22 f.), Wunder (47) und Gesetz (159), gegeben, in denen
W. ein Meister ist. Aber dabei handelt es sich mehr um
dogmatische oder richtiger religionsphänomenologische Reflexion
als um historisch-kritische Exegese. Überhaupt tritt
das eigentlich historische Moment, wenngleich Grundlinien
der Geschichte einiger wichtiger Institutionen und Redeformen
gezeichnet werden, hinter dem phänomenologischen
deutlich zurück. Natürlich ist das eine legitime Möglichkeit,
aber an gedanklicher Systematik kommt dabei unwillkürlich
wohl doch mehr herein, als man nach dem Programm
erwarten sollte. Zwischen historisch-kritischer Exegese und
systematischer Theologie ist für W. kein Niemandsland. Er
bewegt sich dort mit großer Unbefangenheit, ohne sich von
den auf beiden Seiten konventionellen Methoden und Meinungen
sonderlich beeindrucken oder gar bestimmen zu lassen
. Wer auch nur die obige Liste von Begriffspaaren liest,
kann sich leicht eine ganze Reihe sehr ernsthafter Fragen
vorstellen, die von beiden Seiten — in manchen Fällen vermutlich
sogar von beiden Seiten unisono — an diese Konzeption
zu stellen wären. Sie würden von der grundlegenden
Alternative „nominal-verbal" bis hin zu dem m. E.
bedenklich verharmlosenden Verständnis der urgeschichtlichen
Sünde reichen.

Je origineller eine Konzeption ist, um so weniger kann
sie in der Regel alle Themen und Tatbestände gleichmäßig
erfassen. So werden etwa die materiale Ethik (auf den Begriff
, vgl. 154, kommt es hier nicht an) und die chronistische
Theologie (189) übergangen, das Gottesverhältnis des Einzelnen
und die Weisheit thematisch nur in je einem kurzen
Exkurs behandelt (56, 85 f.), wobei besonders im Falle der
Weisheit der Verzicht auf alle Einzelheiten und auf eine
auch nur andeutende Diskussion der heute so heiß umstrittenen
grundsätzlichen Problematik schmerzt. Überhaupt erfolgt
die Auseinandersetzung mit der übrigen Literatur sehr
eklektisch und nicht immer gerecht. Daß in den „Theologien
" v. Rads und Zimmeriis ein selbständiger Abschnitt
über den Gottesdienst fehle (2113), kann man, wenn man sich
v. Rads umfangreiches Kapitel über die Gottesoffenbarung
am Sinai, speziell den Abschnitt über die Priesterschrift (wo
nach v. Rads Konzeption der Gottesdienst größtenteils abzuhandeln
ist) und Zimmeriis Paragraphen über das gottesdienstliche
und rituelle Gebot vergegenwärtigt, doch
schwerlich sagen; beide bieten auch sachlich kaum weniger
als W. (164 ff.). Bei dieser Gelegenheit sei vermerkt, daß die
Literaturangaben in den Anmerkungen formal sehr ungleichmäßig
und nicht immer korrekt sind (z. B. 12927 zu
W. Zimmerli: falsche Jahreszahl; Neudruck in den Gesammelten
Aufsätzen unerwähnt; Hinweis gerade auf die beiden
ersten Lieferungen des Ezechielkommentars unmotiviert
, zudem BK XIII/1.2 heute nicht mehr, wie in der Zitation
gemäß den Jahreszahlen gemeint, die beiden ersten
Lieferungen, sondern die beiden Teilbände des Kommentars
bezeichnet).

Das Buch wird zweifellos vielen Lesern einen Weg in das
Alte Testament und zu seinem theologischen Gebrauch eröffnen
. Gerade weil es so eigenständig ist, sei aber dem auf
wissenschaftliche Maßstäbe Bedachten dringend empfohlen
, zur Ergänzung und zur Kontrolle auch eines der anderen
Lehrbücher zu studieren; das ist sicherlich auch in
W.s Sinn.

Göttingen Rudolf Smend

Eißfeldt, Otto: Kleine Schriften, VI. Hrsg. von R. Seilheim
u. F. Maass. Tübingen: Mohr 1979. XVII, 186 S., 1 Porträt
gr. 8°. Lw. DM 92,-.

Mit dem Erscheinen dieses sechsten Bandes ist das umfangreiche
Werk der ,Kleinen Schriften' des einstigen großen
Hallenser Alttestamentiers und Religionshistorikers
Otto Eißfeldt abgeschlossen, und man kann die Herausgeber
— Schüler des Gelehrten — und den Verlag zur Vollendung
dieser literarischen Dokumentation einer ganzen Epoche
alttestamentlicher Wissenschaftsgeschichte, die dieser Mann
repräsentierte, nur beglückwünschen. Otto Eißfeldt hat das
Erscheinen dieses letzten Bandes selber nicht mehr erleben
können, er ist im Jahre 1973 verstorben. So ist das Vorwort
der Herausgeber zugleich ein Nachwort, ja geradezu ein
Nachruf. Es ist sinnvoll, die Traueransprachen des damaligen
Direktors der Hallenser Sektion Theologie (Prof. Dr.
Eberhard Winkler), des derzeitigen Lehrstuhlinhabers für
Altes Testament (Prof. Dr. Dr. Gerhard Wallis) und des
Bischofs der Kirchenprovinz Sachsen (Dr. Werner Krusche),
die während der Trauerfeier in der Laurentius-Kirche zu
Halle gehalten wurden, abzudrucken und dem Vorwort einzugliedern
. Haben die Autoren des Vorworts doch selber den
Versuch unternommen, eine Würdigung des Lebens und des
Werkes Otto Eißfeldts zu beginnen. Man wird ihnen in dem
Wunsch zustimmen, daß sich jemand finden möchte, der unter
wissenschaftsgeschichtlichen Aspekten die angedeuteten
Linien weiter auszuziehen imstande ist. Beeindruckend sind
noch einmal die statistischen Angaben über die immense
Publikationstätigkeit des Entschlafenen: alles in allem 55
Bücher und selbständige Schriften (mit Übersetzungen,
Neuausgaben und Nachdrucken), 282 Aufsätze in Zeitschriften
und Sammelwerken, eine Unzahl von Lexikonartikeln,
Rezensionen, Nachrufen und Vorworten bei der eigenen
umfänglichen Herausgebertätigkeit. Voller Staunen und Bewunderung
verharrt der Fachkenner vor dieser ungeheuren
Lebensleistung. Die Herausgeber haben bei den 176 in die
,Kleinen Schriften' aufgenommenen Aufsätzen eine glückliche
Hand gehabt. Wirklich Wichtiges, Aktuelles, Weiterführendes
, zum Nachdenken Anregendes und die einzigartige
Forscherpersönlichkeit Charakterisierendes ist in den
sechs Bänden aus dem Lebenswerk Eißfeldts zusammengetragen
und -gestellt worden.

Der Hauptteil des vorliegenden 6. Bandes besteht aus Registern
. Das ist sehr zu begrüßen. Erschließen diese Verzeichnisse
doch in wertvoller Weise den Zugang zu der umfangreichen
Aufsatzsammlung. Den Bearbeitern Marie-
Christine Schmidt-Henning und Karl-Martin Beyse gebührt
dafür aufrichtiger Dank. Hinzugefügt worden sind Ergänzungen
und Nachträge zum Verzeichnis der Schriften von
Otto Eißfeldt. Auch Druckfehlerberichtigungen und Nachträge
zu den Bänden 1—5 sind in diesen Band aufgenommen
worden. Willkommen sind dem Interessierten die Angaben
über die erschienenen Nachrufe auf Otto Eißfeldt und
Würdigungen des Gelehrten. Schließlich sei noch erwähnt,
daß zwei im Jahre 1973 erschienene Aufsätze aus der Feder
des Hallenser Forschers in dem vorliegenden Band wiederabgedruckt
worden sind, einmal der Beitrag zur Elliger-
Festschrift: „Kultzelt und Tempel" und sodann ein Aufsatz
aus der Orientalistischen Literaturzeitung: „Monopol-Ansprüche
des Heiligtums von Silo". Den Leser erfreut sogleich
zu Anfang des Buches ein Bild des Gelehrten, unter das der
faksimilierte Namenszug Eißfeldts gesetzt wurde — für viele,
die mit ihm korrespondierten, eine freundliche Erinnerung
an den großen Forscher, Lehrer, Freund und Kollegen.

Leipzig Siegfried Wagner

Barth, Hermann: Die Jesaja-Worte in der Josiazeit. Israel
und Assur als Thema einer produktiven Neuinterpretation
der Jesajaüberlieferung. Neukirchen — Vluyn: Neu-
kirchener Verlag 1977. XIV, 361 S. gr. 8° = Wissenschaftliche
Monographien zum Alten und Neuen Testament, 48.
Lw. DM 60,-.

Hier liegt eine Arbeit vor, die der heute vielfach verhandelten
redaktionsgeschichtlichen Problematik gewidmet ist.
Der Vf. will nachweisen, daß die von Jesaja überkommenen
Sprüche zur Zeit Josias eine — wie er sagt — „produktive