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Ausgabe:

1980

Spalte:

820-823

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Bousset, Wilhelm

Titel/Untertitel:

Religionsgeschichtliche Studien 1980

Rezensent:

Lohmann, Theodor

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Theologische Literaturzeitung 105. Jahrgang 1980 Nr. 11

820

R. Mcl. Wilson ist dafür zu danken, daß er wiederum
auf den Zusammenhang zwischen Gnosis und Bibel hingewiesen
hat. In seinem Beitrag „The Gnostics and the Old
Testament" (164—168) geht es um die Frage, welche Texte
des Alten Testaments von den Gnostikern benutzt und speziell
zitiert wurden. Daraus ergeben sich weitere Fragen:
Waren manche gnostischen Schulen biblischer orientiert als
andere? Stammen die alttestamentlichen Zitate in den Gno-
sisreferaten der Häresiologen erst von diesen oder bereits
aus den gnostischen Quellen? Welche Formen der Zitierung
des AT finden sich? Das sind wichtige Fragen, die W. auf
vier Seiten und mit so geringem Aufwand natürlich nicht
erschöpfend behandeln kann. Abschließend warnt der
Autor vor dem Trugschluß, alttestamentliche Zitate in
gnostischen Texten schon als Beweis des jüdischen Ursprungs
der Gnosis anzusehen. Solches Gut kann genau so
gut durch christliche Gemeinden vermittelt sein (LXX!). —
„Observations on Some Gnosticizing Passages in Plutarch"
(169-178) führt H. D. B etz an Hand von drei Texten vor.
Nach B. drücken die ausführlich behandelten Passagen eine
Sicht der Dinge aus, die stärker, als es bei Plutarch sonst
der Fall ist, in die gnostische Richtung weisen. Das zeigt
Plutarchs Offenheit für das gnostische Verständnis von
Welt und Mensch, auch wenn er selbst die Grenze zur Gnosis
nicht überschreitet. — Am Schluß des Bandes (179 f.) informiert
M. K r a u s e über den Stand und Fortgang zweier
Publikationsreihen: The Facsimile Edition of the Nag Ham-
madi Codices und Nag Hammadi Studies.
Berlin Karl-Wolfgang Tröger

Strolz, Walter [Hrsg.]: Schöpfung und Sprache. Freiburg —
Basel-Wien: Herder [1979]. 159 S. 8°. Kart. DM 24,-.

Das Bändchen enthält zwei alttestamentliche Beiträge:
W. H. Schmidt handelt von „Schöpfung durch das Wort
im Alten Testament" (15—43), N. Füglister über „Schöpfungssprache
in den Psalmen" (45—80). Da der Anlaß des
Buches jedoch eine Begegnung zwischen zwei Alttestament-
lern und drei Vertretern der neueren Literaturwissenschaft
war, folgen drei germanistische Beiträge: G. Baumann:
„Goethe: Sprache der Schöpfung — Schöpfungen der Sprache
" (81—97), W. Kohlschmidt: „Das säkularisierte
schöpferische Wort in Gedichten des 20. Jahrhunderts" (99
bis 124), W. Strolz: „Schöpfungserneuerung aus dem
Quell der Sprache — Eine Interpretation von Hermann
Brochs Hauptwerk ,Der Tod des Vergil'" (125—150). Umrahmt
ist das Ganze durch eine Einführung des Herausgebers
(7—13) und eine abschließende Meditation von
G. Baumann : „Glaube und Sprache (Vorüberlegungen)"
(151-158).

Ein Symposium zwischen Vertretern der biblischen Exegese
und der neueren Literaturwissenschaft über das Thema
der Sprache ist gewiß ein reizvolles Unternehmen. Die
Exegese des Alten (und Neuen) Testaments hat nie verleugnet
, daß sie entscheidende Impulse und einen Großteil
ihrer methodischen Grundlagen der Literaturwissenschaft
verdankt und von der Nachbarwissenschaft an wichtigen
Wendepunkten immer wieder neue Anstöße empfing. In älterer
Zeit wußte auch die Literaturwissenschaft, was sie der
Bibel und ihrer Auslegung verdankte, was sie im „Forschen
nach dem Sinn" mit ihr gemeinsam hat (Kohlschmidt, 101).
Dieses Wissen ist allerdings immer mehr zurückgegangen
und hat häufig auf Seiten der Philologie einer weitgehenden
Entfremdung von der gesamten Theologie Platz gemacht.
Offensichtlich spiegelt sich darin eine allgemeine, von
W. Strolz in der Einführung als „nachchristlich" angesprochene
und mit Nietzsches „Gott ist tot" gekennzeichnete (12)
Situation. Sie hat ihre Entsprechung in der modernen Dichtung
, deren schöpferisches Wort, wenn denn Welt und
menschliche Existenz in ihr nicht mehr als Schöpfung und
Geschöpf Gottes geglaubt wird, angesichts von Sprachohnmacht
und des Verlustes alternativer Sprachmöglichkeiten

(11) an die Grenzen seiner Möglichkeiten von Welt- und
Selbsterfahrung gelangt, die nun einmal im Bereich menschlicher
Gegebenheit eingeschlossen sind (vgl. Kohlschmidt,
101 f.).

Faszinierend zu lesen ist vor allem der Beitrag von
W. Kohlschmidt, der an ausgewählten Beispielen von Gedichten
, die das Thema „Wort" behandeln, die verschiedene
Wertung des Wortes bei verschiedenen modernen Dichtern
vor Augen führt: Von George, für den das Wort noch in
idealistisch-humanistischem Sinne reale Wirklichkeit zu
schaffen vermag, und Rilke, dem es in seiner Spätzeit von
einem existentialistischen Lebensgefühl her die Möglichkeit
einer „Verwandlung der Welt ins Unsichtbare" (110) als
letzten Existenzsinn des Menschen eröffnet, über den Expressionismus
Stadlers und des frühen Werfel, die das Wort
negativ werten (als einschränkende, hemmende Form, ja
als Verführung zur Lüge, zum Zer-Sagen) zu einem zweifachen
Ausgang: dem nihilistischen Benns, dem das Wort
nur noch einen letzten, vorläufigen Halt vor einem alles
umgebenden Nichts bedeutet, oder dem christlichen, wie ihn
der späte Werfel gewinnt. Er lernt das Wort neu als Gabe
aus der Hand des Schöpfers zu empfangen. Ähnlich eindrucksvoll
auch die Interpretation von Brochs „Tod des Vergil
" durch W. Strolz: des Versuchs einer dichterischen Bewältigung
des Todesproblems vor dem Hintergrund konkreter
persönlicher Erfahrung von Existenzbedrohung und
zugleich als Verarbeitung der Grenz- und Krisensituation
deutschen Judentums im Exil. Angesichts der Tiefendimension
, der die Sprache in diesen Werken der Dichtkunst Ausdruck
gibt, muß es fast betrüben, daß unsere theologische
Sprache oft nur so konventionell zu reden vermag, wie das
auch an den beiden in dem Band enthaltenen alttestamentlichen
Beiträgen sichtbar wird. Hängt das damit zusammen,
daß herkömmlicherweise noch immer der Gott Israels primär
als ein Gott der Geschichte, nicht der Natur angesehen
(Füglister, 66, vgl. aber 67), oder die Interpretation der
Schöpfung in der Urgeschichte als „Entmythisierung" verstanden
wird (Schmidt, 34) ?

Wenn denn Jahwe, der Gott Israels, nicht nur als Gott der
Berge, sondern auch als Gott der Ebene geachtet, d.h. die
Weltherrlichkeit Gottes (seiner Inkarnation!) ernst genommen
würde, könnten die Christen wirkungsvoller auch in
die scheinbar nachchristliche Welt hineinsprechen. Dann
könnte man von der Sprache des Glaubens ein neues Pfingst-
wunder erwarten (Baumann, Glaube und Sprache, 151 ff.).
Dazu wäre allerdings die volle Rückgewinnung der im Alten
Testament angelegten Schöpfungsdimension notwendig.
Eine Weiterführung des Dialoges nicht nur zwischen denen,
die sich professionell mit dem Geschäft der Sprache abgeben
, sondern auch im Kontakt mit den Menschen von
heute allgemein, deren Weltverhältnis, von den meisten
ohne klare Artikulation gelebt, von den Dichtern ins Wort
gefaßt wird, ist die zentrale Aufgabe einer gegenwartsnahen
Theologie. Nicht zufällig tritt dabei das Verhältnis zwischen
Schöpfung und Wort in den Blick. Das vorliegende Büchlein
ist eines von den vielen Zeichen heutzutage, daß die traditionelle
Theologie hier etwas vernachlässigt hat; zugleich
aber auch eine Ermutigung dazu, in der Nachfrage zurück
in die biblische Tradition hinein fortzufahren. Dabei stehen
wir im Hinblick auf die Welt offensichtlich erst am Anfang.
Bochum Henning Graf Reventlow

Religionswissenschaft

Bousset, Wilhelm: Religionsgeschichtliche Studien. Aufsätze
zur Religionsgeschichte des Hellenistischen Zeitalters
, hrsg. von A. F. Verheule. Leiden: Brill 1979. IX,
314 S. gr. 8° = Supplements to Novum Testamentum, 50.
Lw. hfl. 128,-.

Das vorliegende Buch ist Dr. Willem Cornelis van Unnik,
Professor für das Neue Testament zu Utrecht (gest. am