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Ausgabe:

1980

Spalte:

772-775

Kategorie:

Systematische Theologie: Ethik

Autor/Hrsg.:

Spiegel, Yorick

Titel/Untertitel:

Hinwegzunehmen die Lasten der Beladenen 1980

Rezensent:

Fritzsche, Hans-Georg

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Theologische Literaturzeitung 105. Jahrgang 1980 Nr. 10

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tclische Metaphysik" und die Orientierung an „vorreforma-
torischen" Quellen (151) bestimmend gewesen sein, denn wer
mag in den Strukturen theologischen Denkens sich davon frei
nennen: entschiedener dürften ihn auch im dogmatischen (und
ethischen) Ansatz die biblischen Quellen bestimmt haben. Davon
ist er jedenfalls nach Selbstaussage überzeugt gewesen.

Zutreffender und auch überzeugender als die — immerhin
auch als widersprüchlich empfundene — Nähe zur abendländischen
Mystik (vgl. 116) wird Schlattcrs Standort im 19. Jh.,
speziell zu Kant und zum Deutschen Idealismus, in der Auseinandersetzung
mit dem Luthertum seiner Zeit, mit A. Ritsehl
und Harnack geschildert (in Teil C). Erfreulich ist auch die
durch den Zeitabstand mit Recht kritische Begrenzung Schlatters
, besonders am Mißverständnis Luthers, deutlich gemacht.
Im Ganzen führt diese beachtliche Schiatterstudie neue Traditionszusammenhänge
vor und vermittelt damit der Forschung
wertvolle neue Impulse.

Jena Horst Beintker

Morse, Christopher: The Logic of Promise in Moltmann's
Theology. Philadelphia: Fortrcss Press [1979]. XI, 179 S. gr.
8°. Lw. $ 11.95.

Moltmann hat den eschatologischen Horizont der Verheißung
als Schlüssel für das Verständnis der biblischen Überlieferungen
und als „sachgemäfjeste generative Idee" systematischer
Theologie herausgestellt. Das klassische fides quaerens intel-
lcctum wird „eschatologisiert" zum promissio quaerens missio-
nem. Vf. meint, daß Moltmann die logischen Implikationen
seines Verheißungs-Ansatzes nicht ausziehe.

In Kap. 1 wird die Verheißung als theologischer Topos aufgewiesen
, bei J. Weiß, in der dialektischen Theologie, im
Bloch- und Marxismus-Dialog usw. (1 ff). Dann folgen die
bekannten Abgrenzungen: Der Gott der Bibel offenbart sich
nicht epiphanisch, sondern in Vcrheißungs- und Sendungsgc-
stalt (31 ff). Entsprechend geschieht Reden von Gott nicht lehr-
mäßig (deskriptiv), sondern in Hoffnungssätzen (37 ff). Und
entsprechend begegnet Gott uns nicht als ewig-transzendente
Ichhcit (selfhood), sondern als geschichtliche Selbigkeit (faith-
fulness) (41 ff). Damit ist aber die Frage gestellt nach dem
Verhältnis von theologischer und logischer Sprachstruktur,
das mittels analytisch-linguistischer Untersuchungen aufgearbeitet
werden muß (Kap. 3). Desweiteren muß das Verhältnis
von Verheißung und Geschichte (history) bzw. Erfahrung geklärt
werden (Kap. 4). Und schließlich ist zu fragen, wie sich
futurische Wirklichkeitsbeschreibung und „eschatologischc Cytologie
" zueinander verhalten (Kap. 5).

Verheißung als Sprachereignis bringt die Erfahrung der
Geschichte als Verheißungswirklichkeit Gottes für und mit uns
Menschen hervor (49 ff). Freilich bleiben exegetische Fragen
und systematische Bedenken (60 ff), etwa im Blick auf die
logische Struktur der Verheißung (in Diskussion mit Barths
Wort-Verständnis), auf den Charakter der Verheißungssprache
als „Verweisung" oder als „Folgerung" (Rückschluß, etwa bei
Pannenberg), auf das Verhältnis des Novum (Bloch) zur Zukunft
(advcntus bei Moltmann). Insgesamt: „Die Bedeutung
der Umgangssprache (sc. mit den linguistischen und ontolo-
gischen, gcschichtsphilosophischen Implikaten) für die Offenbarungs
-Sprache bleibt unentfaltet" (66), was durch die Analysen
etwa von Austin, Evans oder Scarle .nachgeholt' werden
muß (67-81).

In Kap. 4 wird weitergefragt: Wie verhalten sich Zukunft
und Gegenwart (reality), Hoffnung und Erfahrung, wenn promissio
die missio setzt und fordert (82 ff)? Im Begriff der
Antizipation liegen beide .Ebenen' ineinander; ihre Vermittlung
geschieht in der Tendenz der Auferstehung des Gekreuzigten
(92 ff). Genügt aber der Hinweis auf eine „Tendenz"?
Hier ist die analytische Geschichtsphilosophie etwa von Gallie
oder Danto aufzunehmen: Jedes geschichtliche Ereignis geschieht
in Raum und Zeit, besitzt Konsistenz in sich und eine
gewisse Evidenz und (über Collingwood hinausgehend) Öffentlichkeitscharakter
. Diese vier Kriterien .falsifizieren' Molt-
manns Deutung der Auferstehung als Eröffnung von Geschichte.
Aber: Auch die Analytiker wissen um „erkenntnisleitcnde Interessen
" und darum, daß jeder Hoffnungssatz einen historisch-
deskriptiven Satz über Vergangenes in sich schließt (105 f).
Offenbarungssprachc ist eben zugleich berichtende (narrative)
und verheißende Sprache.

Abschließend wird die „eschatologischc Ontologie" behandelt
(109 ff). Der Gott der Verheißung als Zukunft: advcntus als
das Sein Gottes (in Abhebung von Blochs futurum) in der
Vermittlung mit unserer geschichtlichen Alltagszeit (111 ff). —
Gott als Person: Ist Gott ein „aktuelles Sein" (Prozeß-Theologie
) oder „lebendige Person" (114 ff)? — Gott als Gekreuzigter:
Das Kreuzcsgcschchen als Selbstunterscheidung Gottes führt
zu einer trinitätstheologischen Deutung (116 ff). — Gott als
Dreieiniger: a) Zwischen Gott und Welt besteht ein ontolo-
gischer Unterschied; b) Gott offenbart sich (ökonomische Trini-
tät) in dreifacher Relationalität (immanente Trinität), die nicht
von der Welt abhängt; c) diese Relationalität ist ewig und
unwiderruflich (122). Moltmann nimmt diese Barthschen Anliegen
auf und entfaltet eine immanent-ökonomische Trinität
mittels einer Inkarnationstheologie des Kreuzes. Auch die Bestimmung
der Weltwirklichkeit als eines geschichtlichen Prozesses
der Verheißungsgeschichte und -spräche Gottes enthält
ontologischc Bestimmungen und Bausteine (127ff). Haüptargu-
ment dieses Beitrages (der in der Moltmann-Debatte zu beachten
ist): Bei aller eschatologischen Verifikation ist eine Analyse der
Logik der Verheißung als Korrektur und Ergänzung der Molt-
mannschen Hoffnungs-Theologie notwendig und entsprechend
auch eine „narrative Unterbauung" und „ontologische Ausweitung
".

Stadt Rchburg-Loccum Uwe Gerber

Bohr, Konrad: Christliche Zukunftserwartung und politisches
Planen (StZ 105, 1980 S. 55-64).

Cordes, Paul Josef: Amtstheologie unter dem Einfluß empirischer
Kategorien (StZ 104, 1979 S. 829-841).

Honcckcr, Martin: Welche Bedeutung hat heute der Gedanke
des Reiches Gottes? (ZW 50, 1979 S. 240-252).

Kasper, Walter: Karl Rahner - Theologe in einer Zeit des Umbruchs
(ThQ 159, 1979 S. 263-271).

Küng, Hans: Auf dem Weg zu einem neuen Grundkonsens in
der katholischen Theologie? (ThQ 159, 1979 S. 272-285).

Pcrsson, Per Erik: The Uniquc Character of Christian Faith.
The Relation between History and Faith as a Problem in the
Theology of Gustaf Aulen. Lund: Gleerup 1979. 22 S. gr. 8".

Scripta Minora Regiac Socictatis Humaniorum Litterarum
Lundensis, 1978-1979:3.

Weger, Karl-Heinz: Die verdrängte Frage nach Gott (StZ 105,
1980 S. 32-44).

Systematische Theologie: Ethik

Spiegel, Yorick: Hinwegzunehmen die Lasten der Beladcnen.

Einführung in die Sozialcthik 1. München: Kaiser [1979].
357 S. 8°. Kart. DM 35,-.

Nachdem die sozialethische u. a. Literatur in der Theologie
der BRD schon vielmals und auf mancherleiweise Karl Marx zitiert
hat, liegt mit diesem Buch des Frankfurter Professors für
evangelische Sozialcthik (geb. 1935) die erste theologische
Sozialethik vor, die von einem marxistischen „Klassenstandpunkt
" aus alle Bereiche der Gesellschaft christlich normieren
möchte. Dem steht freilich das Bedenken gegenüber
, ob es nicht ein etwas zu theoretischer Marxismus ist
(„eine fortentwickeile marxistische Soziologie", 11), wenn keinerlei
Anstalten in der Richtung unternommen werden, die