Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1980

Spalte:

770-771

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Kindt, Irmgard

Titel/Untertitel:

Der Gedanke der Einheit 1980

Rezensent:

Beintker, Horst

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

709

Theologische Literaturzeitung 105. Jahrgang 1980 Nr. 10

7711

Barth and Bultmann (15—41); 2. Vernon C. Grounds, Pace-
scttcrs for thc Radical Thcologians of the Sixties and Scvcntics
(45-101); 3. Stanley O b i 11 s , The Meaning and Use of Reli-
gious Language (105-153); 4. Harold B. Kuhn, Secular
Theology (157—193); 5. David P. Scaer, Theology of Hope
(197—234); 6. Norman L. G e i s 1 e r , Process Theology (237 bis
284); 7. David F. Wells, Recent Roman Catholic Theology
(287-324). Abschließend wird in einem 8. Kapitel von Harold

0. J. Brown, The Conservative Option (327-360), dargestellt.
Freilich bleibt die Frage, ob es im Blick auf die Zielangabc
des Buches (s. o.) methodisch und auch didaktisch ausreicht,
als Abschluß jedes Kapitels eine mehr oder weniger intensive
Kritik an den dargelegten theologischen Richtungen zu vermitteln
, die über Pauschalanfragen und -urteile eigentlich nie
hinausführt. Ebenso ist auch das 8. Kap. nicht geeignet, der
vermittelnden bzw. hermeneutischen Funktion zu entsprechen,
denn „Rebuilding from the foundations" (349-358), d. h. die
Entwicklung von „cardinal points" allein wird da keinen Schritt
weiter führen, auch dann nicht, wenn beschwörend betont
wird: „These cardinal points may appear as guideposts for
belicf, as guardrails warning us not to plunge from the safe
path, and even as frontier stones reminding us where we must
stand and defend biblical territory against renewed encroach-
ments by the secular mind-set" (350). Das Problem mag den
Hrsgg. schon deutlich sein, aber es wird (wie auch im Forcword
von R. Nicole, 7—8) apodiktisch angepackt und fördert auf diese
Weise keinesfalls das berechtigte Anliegen (9—11).

Die Ausdehnung des Materials, das geboten wird, kann hier
der Kürze wegen nur angedeutet werden. Liest man die Beiträge
ohne die Bezugnahme auf das leitende Interesse der
Hrsgg., so kann man erfreut sein über die zügige, gut lesbare
und kompetente Aufbereitung von z. T. recht komplizierter
Materie. Im Kap. 1. geht es um einen theologiegeschichtlichen
Überblick, der bei der Aufklärung einsetzt. Dem Vf. gelingt
hier, was in diesem Band und auch sonst kaum anzutreffen
ist, in kontrastreichen Linienführungen die europäische und
anglo-amcrikanische (protestantische) Theologiegeschichte gemeinsam
vorzustellen, wobei (für kontinentales Denken wichtig
) auch die eigenständigen Themen der englischen und amerikanischen
theologischen Entwicklung zu ihrem Recht kommen
(The Confrontation with Evolution, The Theologians of Ortho-
doxy [des Anglikanismus und in Holland]). Kap. 2 bietet auf
je etwa 10 Seiten ein Statement zur Theologie Bultmanns,
de Chardins, Bonhoeffers und Tillichs. Die Kapp. 3 und 6 sind
insofern gemeinsam zu nennen, als hier allein die amerikanische
Entwicklung im Mittelpunkt steht (auch wo es europäische
Denkwege zu diesen Themen gibt), im Kap. 3 zur Frage nach
der religiösen Sprache und deren linguistischen Analyse (ausgehend
vom kontinentalen Denken im altprotestantischen Zeitalter
und der ersten Hälfte des 20. Jh.), im Kap. 6 die Entfaltung
der „Process Theology (herkommend von lebensphilosophischen
Ansätzen) besonders durch A. N. Whitehead, Ch.
Hartshornc, J. Cobb, N. Pike, Sch. M. Ogden und N. Pittcngcr.
Das Kap. 4 vereinigt unter dem Titel „Secular Theology" die
(ausschließlich) amerikanische „Dcath-of-God-Theology" sowie
Bonhoeffers, Bischofs Robinsons, Cox' und Macquarrics Konzepte
. Kap. 5 überrascht insofern, als hier unter die /Theologen der
Hoffnung' neben Moltmann, Metz und Alvez auch Pannenberg
gerechnet wird. Das Kap. 7— geschrieben von einem evang. Theologen
— versucht die sehr vielfältige katholisch-theologische
Szene vorzustellen, zum größten Teil am Vaticanum Secundum
orientiert.

Einige Anfragen und Richtigstellungen müssen noch genannt werden r

1. Es verwundert, daft Karl Barths Theologie nicht dargestellt wird, abgesehen
von der Nennung einiger Bezüge. Sodann kann man sicher in thcologic-
geschichtlichen Darstellungen auf den oder jenen Namen verzichten, was aber
im Blick auf Ludwig Feuerbach sehr zu fragen ist (genannt: 21.335). Auch der
europäische Zweig der Tod-Gottes-Theologie und der Name D. Solle müßten
einbezogen werden (zu 170). Sodann finden sich keinerlei Hinweise zu folgenden
Entwicklungen : Schwarze Theologie, Theologie der Befreiung, Ökumenische
Tendenzen, Wisscnschaftsthcoric. Dagegen wird Bonhoeffers Theologie gleich
zweimal erörtert (66-81, 170-74). - 2. An besonders fraglich erscheinenden
Urteilen bzw. Formulierungen ist mir aufgefallen s „Thus Bultmann become;
a John the Baptist for thc God-is dead movement" (56). Die Zeitangabe bezüglich
Nonhocffcrs Ermordung stimmt nicht (,.a weck before Hitler comrnitted suicidc
(67)). .Bekennende Kirche" muh wohl als feststehender Begriff Verwendung finden
, als Übersetzung allenfalls -Confessing Church", nicht .Confessional Church"
(67). „Perhaps Paul van Buren, William Hamilton and Thoma; J. J. Altizer
may very plausibly Claim that they are Bonhoeffer's legitimate heirs" (78), was
ja die grofje Frage ist! Zur Tillich-Biographie müßte es wohl heißen: .the war
and postwar years in Germany from 1914 to 1933" (82). - 3. Zur Zitierung
und Verwendung der Literatur: Aus den Angaben in den Anmerkungen (die
jedem Beitrag nach Abschluß zusammen mit einer kurzen Bibliographie beigegeben
sind) und der Bibliographie ist zu sehen, daß die Beiträge im wesentlichen
nach Sekundärliteratur gearbeitet wurden. Für Schweitzers -Geschichte
der Leben-Jesu-Forschung" sind die wichtigen deutschen Ausgaben zu nennen i
'1906, -1913 (stark erweitert); .The Quest for the Historical Jesu;" ist der
Titel der Übersetzung der 1. Aufl., die 1910 erschien (zu 28). Den Titel der
Bonhocffer-Schrift .Sanctorum communio" sollte man nicht übersetzen (vgl.
.Communion of Saints', 67). Moltmanns .Theologie der Hoffnung" erschien in
1. Aufl. 1964 (209). - 4. Folgender Namensgebrauch ist unüblich: Gotthold
Lessing (17.362), Georg Hegel (20.362). - 5. Druckfehler: Thielicke (35).
Gütersloh (40 Anm. 12), Wiefelstede (46). .Wer bin ich?" (67), Führer (67),
Johann B. Metz (195. 197. 225ff. 362), Urs von Balthasar (292. 361), Marxscn
(359), von Hofmann (362).

Ein vergleichbares theologiegeschichtliches Werk in deutscher
Sprache, das auch außereuropäische Theologie berücksichtigt,
fehlt. Vielleicht könnte dieses mit Einschränkungen (s. o.)
empfehlenswerte Buch den Anstoß zu solchem Unternehmen
geben.

Leipzig Martin Petzoldt

Kindt, Irmgard: Der Gedanke der Einheit. Adolf Schlatters
Theologie und ihre historischen Voraussetzungen. Stuttgart:
Calwer [1978] 237 S. 8°. Kart DM 34,-.

Dem Buch liegt eine vergleichende Untersuchung zugrunde,
die als neutestamentliche Arbeit von E. Käsemann angeregt
und „1977 auf Empfehlung von Prof. Dr. Gerhard Ebeling als
systematische Dissertation von der Universität Zürich angenommen
" wurde (1).

Vfn. versucht. Schlatters Theologie „von der Konzeption der
Einheit her darstellend zu deuten" (in Teil A). „Einheit" ist
dabei nicht allgemein oder kirchenverbindend, sondern philosophisch
-anthropologisch im Sinne einer Erkenntnislehre gemeint
, „wie Schlatter sie im Anschluß an Franz von Baader"
gewonnen habe (150). Schlatters hermeneutischen Ansatz arbeitet
Vfn. im Vergleichen von dogmatischen und Paulus auslegenden
Texten heraus. Dabei finden sich zwei interessante Exkurse
über „Schlatters Stellung zur natürlichen Theologie" und über
seine „Auseinandersetzung mit der Rechtfertigungslehrc
Luthers". (Daß gerade hier die früheren Arbeiten über Schlatter
nicht berücksichtigt wurden, ist schade, weil das die auch
kritisch schließende Beurteilung der Vfn. für die Forschung
sicherer machen könnte.) In Teil B wird „die Frage nach den
traditionsgeschichtlichen Voraussetzungen für sein Denken untersucht
" (151). Im ausführlichen Vergleichen nebeneinandergestellter
Texte stelle sich heraus, „daß Schlattcrs Theologie
maßgeblich von Franz Baader und der in ihm fortwirkenden,
von Saint-Martin und Octinger, über Böhme bis ins Mittelalter
reichenden thcosophisch-mystischcn Tradition, beeinflußt und
geprägt" sei (ebd.).

Das ist die thcologiegcschichtlichc Hauptthese. Sie dürfte zu
Überprüfungen führen und lebhafte Auseinandersetzungen nach
sich ziehen, z. B. auch in der Richtung, ob etwa Schlciermachers
Ansätze, die in der deutschsprachigen Theologie des 19. Jh.
wirkten, nicht genauso wirksam bei Schlatter gewesen sind
wie die vorab angeführten. Problematisch bleibt auch der Gedanke
„Einheit als zentrales Motiv" für die ganze Struktut
von Schlattcrs theologischem Denken. Ob das nun vorgelegte
Dcutungsprogramm zutreffender ist als A. Bailers Versuch,
„das systematische Prinzip in der Theologie" Schlatters mit
„Leben" als „Zentralbegriff" zu erheben (vgl. ThLZ 94, 1969
Sp. 859 f), ist insofern fraglich, als noch mehr als bei Bailer
mit dem Grundsatz gearbeitet wird, daß Schlatter selber sich
dieser maßgeblichen Einflüsse nicht bewußt gewesen sei. Mögen
immerhin „in seinem dogmatischen Denken", weil er »die
prägende Kraft der Synthese, die das abendländische Denken
hervorgebracht hat und die sich sowohl in seiner eigenen Terminologie
als auch in seiner hermeneutischen Methode widerspiegelt
", unterschätzte, die „Bindung an die platonisch-aristo-