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Ausgabe:

1980

Spalte:

767-768

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Autor/Hrsg.:

Dyrness, William A.

Titel/Untertitel:

Christian art in Asia 1980

Rezensent:

Lehmann, Arno

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Seite 1

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7<i7 Theologische Literaturzeitung 105. Jahrgang 1980 Nr. 10 768

wegen der Bedeutung von arab. Daja = nutrix zu diesem
Wort übergegangen ist, das damit — ob ganz glücklich oder
nicht — bei ihm in die Gruppe der redenden Namen gehört.
Saladins Vater, historisch Ayyub, macht er namenlos, um die
Assoziation an Hiob zu vermeiden, und ebenso den Patriarchen
— historisch und in Lessings Vorarbeiten Heraklius —, bzi
dem man nun, je nachdem, an niemanden oder aber an Goeze
oder auch Semler denken kann. Die jetzt Nathan genannte
Hauptfigur hief) in der Vorlage in Boccaccios Decamerone
Melchisedek, wobei Lessing wegen dessen Eigenschaft als
König und wegen der neutestamentlichen Melchisedek-Christus-
Typologie nicht bleiben konnte; für die Wahl des Namens
Nathan macht B. die mögliche Doppelbedeutung nach dem
hebräischen Verbum ntn = „geben", „Geber" und „Gott gibt"
(auch „Gottergebenheit"?) und die Assoziation an den Propheten
Nathan geltend, der ja auch einem Herrscher eine Parabel
erzählt hat; der Titel des „Weisen" läfjt, wenngleich in zurückhaltender
Form, an die biblische Weisheit denken. Für das
Drama am wichtigsten sind die Überlegungen zu dem doppel-
namigen Geschwisterpaar Recha (= Blanda von Filneck) und
Curd von Stauffen (= Leu von Filneck). Recha und Blanda
bedeuten entgegen der bisherigen Meinung dasselbe (die Zarte),
und mit Curd und Leu wird auf den wirklichen Vater des
Tempelherrn, Wolf von Filneck = Assad, den verschollenen
Bruder des Saladin, angespielt (Curd = Wolf, Assad = Löwe).
In diesen Bedeutungsglcichheiten ist die Lösung des Konflikts
längst gegeben, bevor der Gang der Handlung sie bringt.

Daß Lessing nirgends selbst darauf hinweist und dag es den
Lesern und Zuschauern, ja auch der bisherigen Forschung verborgen
geblieben ist, braucht diese These nicht unmöglich zu
machen, ebensowenig wie durch analoge Verhältnisse etwa das
Vorhandensein von Zahlensymbolik in J. S. Bachs Werken ausgeschlossen
wird. Derartige gewagte Thesen dürfen allerdings
nicht überzogen werden, und sie bedürfen der Absicherung
durch das Hineinstellen in einen weiteren Rahmen. In beiden
Hinsichten scheint in der vorliegenden Arbeit das Mögliche
getan zu sein. B. macht sich die möglichen Einwände selbst
und sucht sie zu widerlegen. Er stilisiert Lessing auch nicht zu
etwas, was er nicht gewesen ist — etwa zu einem „modernen*
Philologen; in seinem Anschluß an Aristoteles und auch sonst
erscheint Lessing, sowohl auf den Stoff, als auch auf Methode
und Aussage gesehen, entgegen landläufiger Anschauung oft
eher als „antiquarisch"; man muß sich hüten, einen Geist von
solchem Reichtum und solcher Beweglichkeit in Formeln zu
pressen. Was die Absicherung der These in größerem Umkreis
betrifft, so läßt B. es nicht beim ausführlichen Verweis auf eine
in manchem nahe, in anderem aber auch wieder ferne Analogie
wie „Finnegans Wake" von James Joyce bewenden. Wie weit
der Rahmen vielmehr gespannt ist, zeigt schon ein Blick auf
die Proportionen der Arbeit. Die Interpretation der Namen im
„Nathan" bildet erst das letzte Viertel des Buches. Der erste
Teil berichtet ungewöhnlich gelehrt und scharfsinnig über die
Bedeutung von Eigennamen überhaupt in Philologie und Dichtung
von der Antike bis zur Gegenwart, der zweite über
Lessings theoretischen und praktischen Umgang mit dem Namensproblem
, der dritte — bereits in das „Nathan"-Kapitcl
hineingestellt — über die Tradition der Namengebung orientalischer
Figuren in der europäischen Literatur. Dem sprachwissenschaftlichen
und philosophischen Laien wird in diesen
gleichzeitig weitgreifenden und tief eindringenden Übersichten
ein immenses, in mancher Hinsicht auch theologisch interessantes
Material anschaulich vorgeführt. Das 41 Seiten lange Literaturverzeichnis
ist für jede Beschäftigung mit Namensproblc-
men im weitesten Sinne eine Fundgrube. So ist das Buch auch
abgesehen von der speziellen „Nathan"-These von hohem Wert.

Göltingcn Rudolf Smcnd

Dyrness, W. A.: Christian Art in Asia. Amsterdam: Rodopi
1979. 79 S. m. 31 Abb. 8°. hfl. 20,-.

Es ist erfreulich und beachtenswert, daß nach den „ Pionier "-
Arbeiten D. J. Flemings, Sepp Schüllers und Arno Lehmanns
die stoffliche und wissenschaftliche Bearbeitung der außereuropäischen
christl. Kunst in Veröffentlichungen, Fora und Seminaren
in guten Gang gekommen ist. Allein aus Japan kamen von
Masao Takcnaka „Christian Art in Asia" (1975, 120 Abb.) und
die von Dyrness nicht genannten Bücher von M. Takcnaka
„Creation and Redemption Through Japanese Art" (1966,
100 Abb.) und TadaoTanaka „Biblical Painting" (1977, 48 Abb.).

Das hier angezeigte kleinere Werk bringt nur 31 Abb. aus
Indien, China, Japan und von den Philippinen. Begrüßenswert
ist es, daß neben den kurz besprochenen Bildern die religiösphilosophische
Umwelt und der Symbolismus aufgezeigt und auf
die dort übliche Kunstauffassung und das Bekanntwerden mit
der christl. Welt und auf die Entwicklung einer christl. Kunst hingewiesen
wird. Immer natürlich geht es um die rechte Einbettung
in die landeseigene Art und Kunstauffassung. Es wird
aber auch beobachtet, daß bei vollem Erreichen dieses Bemühens
der biblische Gehalt nicht immer voll zur Darstellung
kommt, so z. B. bei Fig. 19 („Gethsemane", 49).

Eine eindringende Betrachtung über die vorliegende Problematik
(gerade auch im Blick auf die starke Verwestlichung der
Welt) bringt das Schlußkapitel (66—75), dem man nur zustimmen
kann. Dieser neuen Kunstgattung geht es ja doch um die
Sinngebung von Welt und Zeit und Geschichte. Auch hier wird
klar: in Ost und West wird man „nicht dasselbe Lied zum
Preise Gottes singen", aber „wir brauchen uns gegenseitig"
und müssen „geduldig sein — mit einander und mit uns selbst"
(74). Die Abb. sind leider nicht farbig und bei Nr. 24 ist die
Wiedergabc unbefriedigend.

Die kritische Anmerkung auf S. 8 übersieht wohl, daß das
dort genannte Buch vor dem Erscheinungsjahr (1966) der
deutschen Ausgabe fertig sein mußte, und zudem beklagt der
Vf. selbst S. 8 „die geringe Menge an Material", was nun wiederum
hierseits verwundert.

Die Bibliographie (76f) ist selektiv, so fehlt z.B. ein Ausgangswerk
wie „Die Kunst der Jungen Kirchen", das vielen
zur ersten Anregung diente, wie auch die o. g. zwei neuen
japanischen Werke.

Leider fehlen, außer bei Nr. 2 und 3, die Bild-Unterschriften,
so daß man dauernd die Bildliste aufschlagen muß. Druckfehler
: Madonna (11), S-hiva (14), Costantini statt Constantini
(33. 36. 40. 67. 76), from statt form (42).

Halle (Saale) Arno Lehmann

Systematische Theologie: Allgemeines

Gundry, Stanley N., and Alan F. Johnson [Eds.]: Tensions in
Contcmporary Theology. Forcword by Roger Nicole. Chicngo
: Moody Press [1976]. 366 S. gr. 8°.

Die Beurteilung dieses Bandes muß das leitende Interesse
der Hrsgg. ernst nehmen: „that this project will stimulatc
conservative theological students toward a more carcful under-
standing of modern theology,- its evangelical assessment; and
the present crucial need for a positive, scholarly, world related
and evangelical theology" (11). Dahinter verbirgt sich
eine immer wieder anzutreffende Situation, daß sich die wechselseitig
in Frage stellenden kirchlichen Hauptgruppierungen
in ihren Anliegen und Zielen theologisch total ungenügend zur
Kenntnis nehmen. Das gilt keinesfalls nur für die sog. Evangelikaien
— das muß ausdrücklich vermerkt werden —, sondern
sehr oft auch für die sog. Progressiven, wenn diese gewiß
schablonenhafte Etikettierung einmal erlaubt ist. Hier liegt der
Versuch vor, Evangelikaien (welcher Provenienz auch imme,')
bzw. Vertretern konservativ theologischer Anschauungen eine
Hilfe beim Studium theologischer Trends der Gegenwart und
jüngsten Vergangenheit anzubieten. Daß es in den acht Beiträgen
z. T. auch zu Verkürzungen und Vereinseitigungen
kommt, zu Disproportionen, die wohl aus der amerikanischen
Sicht der Dinge erklärbar sind, wiegt nicht zu schwer gegenüber
dem Bemühen, den Durchblick zu ermöglichen. Dies geschieht
unter folgenden sieben Themenstellungen: 1. Bernard
Ramm, The Fortunes of Theology from Schleiermacher to