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Ausgabe:

1980

Spalte:

766

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Lienhardt, Marc

Titel/Untertitel:

Martin Luthers christologisches Zeugnis 1980

Rezensent:

Haendler, Gert

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7 Ii".

Theologische Literaturzeitung 105. Jahrgang 1980 Nr. 10

7titi

aufgegeben wäre. In den letzten Sätzen meint H. sogar: „Bei
einer Behandlung der Unfehlbarkeitsdefinition des 1. Vatikanischen
Konzils genügt die Auseinandersetzung mit der Unfch!
barkeitslehre anhand von hermeneutischen, sprachphilosophischen
und geschichtswissenschaftlichen Überlegungen wohl
nicht. Es müßte das ganze Phänomen, auch in seinen psychologischen
, gesellschaftlichen und kirchenpolitischen Bezügen ins
Auge gefaßt werden. Die Art und Weise, wie die Unfehlbarkeit
des Papstes zum Dogma werden konnte, ist Zeichen einer
tiefer liegenden Krankheit. Bloße Symptombehandlungen bleiben
erfolglos. Man ist bereits auf dem besten Weg, die Wunde
wieder zuzudecken und weiter schwären zu lassen" (537). Die
hier dargebotene Skepsis mag berechtigt sein oder nicht. Institutionen
von de facto jahrtausendealtem Rang folgen auch
innerhalb einer vielfach gebrochenen Kontinuität ihrer eigenen
Gesetzmäßigkeit. Doch liegt ein großes Verdienst H.s darin,
solche übergreifenden Probleme erneut mit fundierter Sachkenntnis
dargeboten zu haben.

Halle (Saale) Hans-Joachim Dicsner

1 S. dazu G. Kreuzer, Die Honoriusfragc im Mittelalter und in der Neuzeit,
Stuttgart 1975 ( Päpste und Papsttum, hrsg. v. G. Denzler. 8; vgl. ThLZ 102,
1977 Sp. 2700.

- Zu den Mangeln der von L. Petit und J. B. Martin herausgebrachten Edition
der vatikanischen Kon/.ilsakten (Mansi, Bd. 49 53) vgl. S. 427 et passim.

Erdt, Werner: Marius Victorinus Afer, der erste lateinische
Pauluskommentator. Studien zu seinen Pauluskommentaren
im Zusammenhang der Wiederentdeckung des Paulus in der
abendländischen Theologie des 4. Jahrhunderts. Frankfurt/M.-
Bern-Cirencester/U.K.: Lang 1980. 318 S. 8° = Europäische
Hochschulschriften Reihe 23: Theologie, 135. Kart. sfr. 51,-.

Die von B. Lohse betreute ev. theol. Dissertation lag 1977
in Hamburg vor. Die Pauluskommentare sind Viktorins letzte
Schriften, die nach 363 entstanden (86f). Sie wollen nicht nur
den Arianismus widerlegen, sondern sie bieten „positiv die
Darstellung des Verhältnisses von Gott-Vater und -Sohn in der
Trinität und vor allem und eigentlich die christozentrischc und
soteriologische Interpretation des Apostels". Viktorin geht insofern
„einen neuen Weg innerhalb der Paulusdcutung in der
alten Kirche und überwindet jenen Moralismus, der das vor-
augustinische okzidcntale Christentum kennzeichnet" (216). Ein
Vergleich mit Athanasius und Hilarius (217—48) zeigt die Besonderheit
Viktorins, der „zum ersten Mal auf zentrale Themen
der paulinischen Theologie sein Augenmerk gerichtet hat"
(257).

G. H.

Schlieben, Reinhard: Cassiodors Psalmenexegese. Eine Analyse
ihrer Methoden als Beitrag zur Untersuchung der Geschichte
der Bibelauslegung der Kirchenväter und der Verbindung
christlicher Theologie mit antiker Schulwisscnschaft. Göppin
gen: Kümmerle 1979. VII, 292 S. 8°. Göppingcr Akademische
Beiträge, 110. Kart. DM 42,-.

Die von W. Eltcster angeregte ev. theol. Dissertation lag
1970 in Tübingen vor. Kap. I fragt nach den Psalmensprcchern
(20—93). Christus redet in den Psalmen, aber Cassiodor differenziert
nach den zwei Naturen sowie nach Haupt und Gliedern
. Kap. II erörtert das Problem des buchstäblichen und
geistlichen Schriftsinns (94—163). Kap. III fragt nach der Bedeutung
der „artes". Cassiodor stellte sie in den Dienst der
Exegese und setzt damit Gedanken Augustins über heidnische
und christliche Bildung in die Tat um (241). So werden die
Bufjpsalmen im Vergleich zur antiken Gcrichtsrede ausgelegt.
Die „artes liberales" sind die theologische Erkenntnismethode
schlechthin (243). Cassiodor wird als Höhepunkt antiker Bildung
dargestellt und deutlich von Gregor d. Gr. abgehoben.
Die Nachwirkungen des Klosters Vivarium werden gering eingeschätzt
. Erst in der Karolingerzeit „mehren sich Cassiodors
Spuren" (245). Eigentliche Erben Cassiodors waren erst die
Scholastiker (246).

G. H.

Scolies Ariennes: Sur le concile d'Aquilee. Introduction, Texte
Latin, Traduction et Notes par R. Gryson. Paris: Les Edi-
tions du Ccrf 1980. 386 S. 8° = Sourccs Chretiennes, 267.

Es geht um die Texte der arianischen Theologen Maximinus
und Palladius, die im Pariser Manuskript BN lat. 8907 überliefert
sind. Die bisherigen Textausgaben werden kritisch
referiert, zumal die meist benutzte von Fr. Kaufmann, Aus der
Schule des Wulfila, 1899 (26-42). Im ausführlichen Literaturverzeichnis
fehlen die einschlägigen Arbeiten von K. Schäfer-
diek sowie ein Hinweis auf die Textausgabe von A. Haraman
in der Patrologie Latina, Suppl. I, Paris 1959, Sp. 693-764
(Maximinus Arianus). Eine ausführliche Einleitung informiert
über die philologischen Probleme (26—100) sowie über den
Arianismus auf dem Balkan (101—42) und bei den Germanen
(143—172). Kap. IV bietet einen theologischen Aufriß in der
Reihenfolge Schrift-Vater-Sohn-Ceist-Trinität (173-200). Die
unterschiedlichen Berichte über das Konzil von Aquileja 381
werden auf S. 202—35 sowie 330—83 geboten.

G. H.

Lienhardt, Marc: Martin Luthers christologisches Zeugnis. Eni

Wicklung und Grundzüge seiner Christologie, übers, v. R.
Wolff. Berlin: Evang. Verlagsanstalt (zugleich Lizcnsausgabe
Göttingen: Vandenhocck & Ruprecht) (1980). 306 S. gr. 8°.

Es handelt sich um die leicht gekürzte Fassung einer Habilitationsschrift
, die 1971 von der Theologischen Fakultät der
Universität Straßburg angenommen wurde. Das Buch erschien
1973 in französischer Sprache und wurde in ThLZ 99, 1974
Sp. 943f ausführlich besprochen von E. Schott, der abschließend
den Wunsch formulierte, dieses instruktive Buch möge ins
Deutsche übersetzt werden. Gewiß wird sich ein großer Leserkreis
im deutschsprachigen Raum darüber freuen, daß dieser
Wunsch inzwischen erfüllt wurde. An neuester Literatur zum
Thema wurde nachgetragen: D.Vorländer, Dcus incarnatus.
Die Zwcinaturcnchristologie Luthers bis 1521, Witten 1974
(Arbeiten zur Kirchengcschichtc, 9) sowie Th. Beer, Der fröhliche
Wechsel und Streit. Grundzüge der Theologie Martin
Luthers, 2 Bde., Leipzig 1974.

G. H.

Christliche Kunst und Literatur

Birus, Hendrik: Poetische Namengebung. Zur Bedeutung der
Namen in Lessings „Nathan der Weise". Göttingen: Vandenhocck
& Ruprecht 1978. 268 S. gr. 8° Palaestra. Untersuchungen
aus der deutschen und englischen Philologie und
Literaturgeschichte, 270. Kart. DM 56,-.

Lessings letztes und berühmtestes Drama ist von Philologen
und Philosophen so oft und so gründlich untersucht worden,
daß es scheint, es sei in ihm nichts Nennenswertes mehr zu entdecken
. Die vorliegende Arbeit wagt es, dem vollkommenen und
offenbar vollkommen durchsichten Werk eine bisher unbekannte
oder doch zumindest in ihrer Bedeutung verkannte neue Dimension
abzugewinnen. Zur virtuosen Konstruktion des Dramas
gehört, das ist die These, auch eine — freilich gerade an wichtigen
Punkten esoterische — „Namensstrategic". Die Namen
identifizieren und klassifizieren ihre Träger, sie charakterisic
ren sie aber auch, indem sie die Assoziation an historische oder
literarische Personen herstellen und vor allem indem sie „redende
" Namen sind. B. führt den Nachweis dafür unter Heranziehung
eines umfangreichen Materials, nicht nur von heute —
er ist mit der Orientalistik wohlvertraut —, sondern vor allem
aus der Zeit Lessings, um von dessen möglichem Wissen ein
möglichst genaues Bild zu bekommen. Bei einigen Namen,
besonders weiblichen, ergibt sich nicht besonders viel, bei
anderen um so mehr. Ein Indiz dafür, daß Lessing die Namen
mit Bedacht gewählt hat, sind Abweichungen von den uns bekannten
ersten Entwürfen oder von den fremden Vorlagen.
So sollte Daja zunächst Dinah, Recha zunächst Rahel heißen;
im ersten Fall ist eine Notiz Lessings erhalten, nach der er