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Ausgabe: | 1980 |
Spalte: | 750 |
Kategorie: | Neues Testament |
Autor/Hrsg.: | Bornkamm, Günther |
Titel/Untertitel: | Paulus 1980 |
Rezensent: | Holtz, Traugott |
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74!)
Theologische Literaturzeitung 105. Jahrgang 1980 Nr. 10
750
Aufenthalte im Umkreis der Ägäis und anderes unberücksichtigt
und unerklärt. — Einzusehen ist auch nicht die Einrede
(84f) gegen die Interpretation von IKor 2,3—5, die dort eine
Anspielung auf einen in Athen unternommenen Predigtversuch
im Stile von Acta 17 findet, d. h., daß er dort „den Griechen
ein Grieche" werden wollte. — Betont hervorgehoben aus der
Schilderung der ephesinischen Wirksamkeit sei die Selbstverständlichkeit
, mit der eine ephesinische Gefangenschaft als
Zeitpunkt der Abfassung des Philipperbrdefcs vertreten wird
(99), während die These der ephesinischen „Paulus-Schule"
und der ihr zugehörigen Briefe Kol und Eph besser mit mehr
Zurückhaltung vorgetragen werden sollte. — Im Kapitel über
Korinth ist der Satz, daß Apollos für die Zerklüftung der
Gemeinde nicht verantwortlich zu machen sei (87), mindestens
mißverständlich; daß sein Auftreten sie — ungewollt — mit
verursacht hat, sagt IKor 1,12.
Damit sei es der leicht zu vermehrenden Einreden in Details
genug. Es bleibt die Leistung des Teils II, „Botschaft und
Theologie" zu würdigen. Hier ist zunächst auf die großartigen
Kurzformulierungen hinzuweisen, mit denen B. (123f) „das
urchristliche Verständnis der Geschichte Christi" als Basis für
das Verständnis und die Entwicklung der paulinischen Theologie
beschreibt. In ihnen erscheinen die Einseitigkeiten einer
historisierenden ebenso wie einer rein kerygmatischen neu-
tcstamcntlichcn Theologie überwunden. Bei der Darstellung
der paulinischen Theologie selbst liegen Höhe- und Schwerpunkt
in Abschnitt III „Das Heilsgeschehen", in dem neben
anderen schon berührten Themen „Gottes Gerechtigkeit", „Die
Gnade", „Der Glaube", „In Christus" abgehandelt werden. Aus
den vielen, ein modernes, lebendiges Verständnis paulinischer
Formeln und hergebrachter Terminologie ermöglichenden Interpretationen
sei etwa die Erläuterung der Genitiv-Verbindung
„Gerechtigkeit Gottes" als genitivus auctoris: „Gott schafft dem
Menschen sein Recht, setzt ihn ins Recht" und des Handelns
Gottes als eines Richters, der „nicht selbst einer unwandelbaren
, über ihm stehenden Rechtsnorm untersteht" (147) hervorgehoben
. Bedeutsam auch die Erläuterung der praedesti-
natianischen Partie in Rom 9, daß Paulus hier nicht „in eine
ewige Vorzeit zurückfragt, in der über das Geschick der Menschen
die Würfel fielen, sondern sich streng an das ergangene
(nahe) Wort der Gnade hält" (Rom 9,22; 10,8 ff). Am Ende
dieses Teiles wird deutlich, daß Christologie, Rechtfertigungs-
Theologic und Pneumatologie und damit auch die Ethik ein
ineinander integriertes Ganzes bilden.
Ein besonderes Kapitel (V, 4) wird den Problemen von Rom
13 gewidmet, die ausführlich, aber in einer m. E. allzu harmonischen
Ausgewogenheit erörtert und gelöst werden.
Kritisches muß zur Erörterung der apokalyptischen Paulus
Texte im Schluß-Abschnitt „Die Hoffnung" gesagt werden. Sie
werden ebenso wie die Aussagen über eine individuelle Auferstehung
(Phil 1; 2 Kor 5) als letztlich unverbindliche ad hoc-
Äußerungen abgewertet. Auch wenn sie nicht zu systematisieren
sind, muß doch jede für sich ernst genommen werden.
Auch kann man fragen, ob die Entlastung Jesu selbst von dem
apokalyptischen Text 1 Thess 4 mit der listigen Auskunft „Propheten
-Spruch" berechtigt ist.
Abschließend sei der literarischen Dokumentation im angehängten
Literatur-Verzeichnis wegen ihrer detaillierten Bezugnahme
auf die einzelnen Teile der Darstellung gebührendes
Lob erteilt. Freilich prägt sich in der Titel-Auswahl, sowohl
in dem, was sie bietet, als in dem, was sie wegläßt oder auch
kritisiert, die „Schule", der B. verpflichtet ist, scharf und deutlich
aus.
Konrad Wcifj f
1 Ungerecht ist die Behauptung (23), dafj die kirchliche Tradition „eine fromme
Staubschicht" ȟber die hl. Texte (des Paulus) wie ein Leichentuch" gebreitet
habe - als ob nicht Exegetcn und Prediger - natürlich nicht alle - von Woche
zu Woche auf Katheder und Kanzel Zeugnis von der ewig frischen Kraft ablegten
, mit der paulinische Texte Herzen und Geister entzünden.
- Man wird doch auch gegenüber dem Prinzip, in jedem Fall dem Paulus-
Brief vor der Apostelgeschichte den Vorzug zu geben, an das audiatur et altera
pars (die ja durchaus Authentisches zur Sprache bringen kann) zu erinnern
haben. Vgl. das berühmte Excmpel der Bismarckschen Gedanken und Erinnerungen
. Dafj Paulus seinerseits nicht sine ira et studio schrieb, wcifj B. ja nur
zu gut. So ist es z. B. u. a. auch deswegen falsch, Gal 2 als „authentischen
Bericht" gegenüber Acta 15 allein gelten zu lassen. Paulus selbst sagt, dafj er
von dem spricht, was kat'idian mit den Autoritäten verhandelt wurde. Er gibt
also keinen Kongrefj-Bericht. Man könnte daher B.s Satz: „Der Bericht der
Apostelgeschichte läfjt von allem, was wir dem Galaterbrief entnommen haben,
nichts mehr erkennen" (62) auch umkehren.
3 Auch lassen wiederholt gewisse Formulierungen erkennen, wie sehr hier
das einseitige Tübinger Urteil über die Apostelgeschichte nachwirkt und zu
Übertreibungen führt, wie das Wort von der „lukanischen Tendenz", Paulus
„als Musterjuden zu kennzeichnen" (114), oder ihn bis zum Schlufj als tadellosen
Pharisäer darzustellen, was Charakter und Tendenz der Rede vor Agrippa
c. 26 mifjdeutet.
* Im übrigen übertreibt B. das Prinzip mehr mit Worten als in Wirklichkeit.
Sei es, daft Ja und Nein zur lukanischen Darstellung öfter ohne erkennbaren
Grund wechseln (vgl. 115 mit 116), sei es, dafj aufs Ganze gesehen auch der
von B. gezeichnete Ablauf der Paulusvita dem Leitfaden der Apostelgeschichte
folgt.
Bornkamm, Günter: Paulus. 4., durchges. Aufl. Stuttgart —
Berlin - Köln - Mainz: Kohlhammer (1979]. 260 S. m.
1 Kte 8° = Urban-Taschenbücher, 119. Kart. DM 14,-.
1979 erschien die 4. Auflage des Buches, das oben von dem
verstorbenen Rostocker Neutestamentier, dessen Stimme damit
noch einmal hörbar wird, wie sie seine Schüler eindrücklich
vernahmen, gewürdigt worden ist. Auch englische, französische,
italienische, norwegische und spanische Übersetzungen liegen
vor. Rang und Wert des Buches deuten sich auch darin an. Für
die Neuauflage ist es nur durchgesehen, nicht verändert worden
; auch die abschließenden Literaturhinweise sind nicht
völlig auf den neuesten Stand gebracht. Das Werk hat unverändert
eine fundamentale Bedeutung.
T. H.
Lohse, Eduard: Die Urkunde der Christen. Was steht im Neuen
Testament? Stuttgart - Berlin: Kreuz-Verlag [1979]. 190 S.
u. 32 S. Fotos. 8°. Pp. DM 24,-.
Es handelt sich bei dem Buch nicht um eine Bibelkunde. Viel
eher könnte man von einer kleinen Theologie des Neuen
Testaments sprechen, die freilich ganz auf bibelkundlichem
Fundament gegründet und mittels der Darbietung neutesta-
mentlicher Texte ausgearbeitet ist. Lohse beginnt mit einer
Christologie als dem Zentrum des NT, stellt sodann Jesu Wort
und Wirken dar, behandelt die geschichtlichen Bedingungen
und das Wesen der frühen christlichen Kirche, stellt ihr Wesen
im vom Glauben getragenen Handeln und Leiden dar und gibt
abschließend einen Einblick in das Werden des NT. Jeder
dieser fünf Abschnitte ist durch eine kurze Liste weiterführender
Literatur abgeschlossen, das ganze Buch durch ein Bibelstellenregister
.
Die geraffte, durchsichtige und vorzüglich gegliederte Darstellung
ist meisterhaft. Sie dürfte sich gerade für die Laienarbeit
glänzend eignen. Unterstützt wird die Darbietung durch
ausgezeichnete photographische Bilder, wie überhaupt die Ausstattung
des Bandes eine Freude ist.
T. H.
Hauser, Hermann J.: Strukturen der Abschlußerzählung der
Apostelgeschichte (Apg 28, 16-31). Rom: Biblical Institute
Press 1979. XIII, 283 S. gr. 8° = Analecta Biblica. Investi-
gationes Scientificae in Res Biblicas, 86, Lire 25000.
Diese, 1978/79 am Päpstlichen Bibelinstitut in Rom angenommene
, unter D. Minguez erarbeitete Dissertation arbeitet vornehmlich
mit den Methoden moderner Literaturwissenschaft.
Das hat zur — offenbar notwendigen — Folge eine erhebliche
Breite und ausgedehnte Methodenreflexionen. Die Untersuchung
verläuft in vier Kapiteln; das erste analysiert die äußere
Form (Wortlaut, Wortverteilung, syntaktische Struktur usw.),
das zweite untersucht „die Hauptbedeutungsträger kontextuell
auf ihren semantischen Gehalt", im dritten geht es um „die
Erzählstrukturen, im Vorgang des Erzählens und im Erzählten
", das vierte fragt danach, „welcher Sinn nun durch den
Text läuft und welche Bedeutung der Abschnitt für den Leser
habe" (S. 5).