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Ausgabe:

1980

Spalte:

742-745

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Schenke, Hans-Martin

Titel/Untertitel:

Einleitung in die Schriften des Neuen Testaments 1980

Rezensent:

Schmithals, Walter

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Theologische Literaturzeitung 105. Jahrgang 1980 Nr. 10

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eine verläßlichere Auskunft gegeben, ganz zu schweigen von den
Zoologen unserer Tierparks.

Die litcrarkritische Analyse kommt mit dem Aufweis einiger
kleinerer Zusätze aus: in 12,3.10.12.13; 17,17; 21,24.25.33.
Diese gegenüber den Kommentaren von G. Fohrer und W. Zim-
merli konservative Sicht des literarischen Werdegangs ergibt
in Kap. 12, daß die Szene des Aufbruchs mit Exulantengepäck
sich von vornherein nicht nur auf die Deportation des Volkes,
sondern auch des Königs bezogen habe. Das Drohwort gegen
Ammon in Kap. 21, 33—37 wird, im Gegensatz zu Fohrer und
Zimmerli, nicht als später Nachtrag gewertet. Es werden nur
die auf Ammon bezüglichen Worte — „gegen die Ammoniter
und gegen ihren Spott, und sage" (V. 33) — als redaktioneller
Zusatz ausgeklammert, und das Ganze wird dann als gegen
Juda gerichtetes echtes Prophetenwort aufgefaßt.

Die historische Analyse datiert die untersuchten Texte — dies
gilt auch für die Verheißung eines künftigen Herrschers in
Kap. 17, 22—24 — in die Frühzeit des Propheten (von 593 bis
etwa 588 v. Chr.). Auf diese Zeit, die des Königs Zedekia, wird
im zweiten Teil des Buches (ab S. 135) ausführlich eingegangen
. Dabei wird Jeremias Auftreten gegen die antibabylonische
Aufstandspartei gewürdigt, und Ezechiels Wirken, das dem
gleichen Ziele, der Verhinderung des Aufstands, gedient habe,
wird dem zur Seite gestellt. Wie Jeremia habe Ezechiel den
König vor dem Aufstand gewarnt, indem er ihm dessen unausweichliche
Folgen vor Augen stellte, und er habe auf die
antibabylonische Partei unter den Exulanten einzuwirken versucht
, um zu verhindern, daß diese weiterhin in Jerusalem
den Aufstand schürt (S. 160).

Diese Sicht der Dinge setzt voraus, daß zwischen den Exulanten
und Jerusalem Kontakte der Art, wie sie in Jer 29 geschildert
werden, recht rege waren. L. stellt hierüber einige Erwägungen
an, besonders über die Möglichkeiten, Karawanen hin
und her zu schicken und den von ihnen benötigten Zeitraum
(S. 160—163); er kommt dabei zu der Annahme, daß der Prophet
als „propagandistischer Autor" schriftliche Botschaften
nach Jerusalem hat übermitteln lassen.

Dem gleichen Ziel wie das prophetische Wort, durch Veranschaulichung
seiner Folgen — „vielleicht sehen sie es", Kap.
12,3 — den Verzicht auf den Aufstand herbeizuführen, dienen
auch die Zeichenhandlungen. Sic wollen nicht zur Verwirklichung
einer unausweichlichen Katastrophe beitragen, sondern
im Gegenteil dazu aufrufen, das dargestellte Unglück zu verhindern
(S. 166f). Sie sind „als Vorform des modernen politisch
und sozial agitatorischen Straßentheaters anzusprechen" (S. 168).

Der Wert von Längs Habilitationsschrift liegt weniger in
der vorgelegten Erklärung der Bildersprache des Propheten
und in ihren literarkritischen Ergebnissen — hier lassen sich
manche Einwände erheben —, als in dem, was ihr eigentliches
Anliegen ist: Ezechiel in seinem Wort und in seinen Handlungen
als politisch motiviert und engagiert zu erweisen. An
der Sicht des Propheten, wie sie L. darbietet, wird die künftige
Ezechiclforschung nicht vorübergehen dürfen.

Berlin Ludwig Wächter

Conroy, Ch.: Hebrew Epic: Historical Notes and Critical Re-

flections (Bibl 61, 1980 S. 1-30).
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Neues Testament

Schenke, Hans-Martin, u. Karl Martin Fischer unter Mitarb. v.
H.-G. Bethge u. G. Schenke: Einleitung in die Schriften des
Neuen Testaments. II: Die Evangelien und die anderen neu-
testamentlichen Schriften. Berlin: Evang. Verlagsanstalt; zugleich
Lizenzausgabc Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus
Gerd Mohn 1979. 360 S. 8°.

Der zweite Band folgt dem ersten nach Jahresfrist. Die Anlage
hat sich nicht geändert, so daß die entsprechenden Bemerkungen
aus der Besprechung von Band I (ThLZ 105, 1980
Sp. 423-428) auch für Band II zutreffen. Allerdings ist die
neuere Literatur (bis 1977) erfreulicherweise stärker integriert
als in Band I.

Die §§ 17—20 behandeln die synoptische Frage. Markus-
Priorität und Zwei-Qucllen-Theorie werden mit Recht unbedingt
festgehalten. Daß (auf S. 18) nicht C. H. Weiße, sondern
H. J. Holtzmann und andere als Begründer der Zwei-Quellcn-
Theorie genannt werden, ist allerdings seltsam. Deutlicher
hätte die Funktion der Redaktionskritik bei der gegenwärtigen
Begründung bzw. Bestätigung der Zwei-Quellen-Hypothese
herausgestellt werden können.

Allerdings ist eine gewisse Reserve gegenüber der Redaktionskritik
auch sonst festzustellen. Schenke spricht von der
„sogenannten Redaktionsgeschichte", bei der es sich „einfach
um Formgeschichte unter dem besonderen Gesichtspunkt der
Redaktion, eben um formgeschichtliche Synthese" handelt (47).
Er erklärt die unterschiedliche Adaptierung von Markus und
Q durch Lukas und Mattäus lieber mit verschiedenartigen
Fassungen jener Quellenschriften (Urmarkus und Deuteromarkus
, unterschiedliche Versionen von Q) als mit den redaktionellen
Interessen von Mattäus und Lukas — womit die redaktionsgeschichtliche
Problematik freilich nur in das Dunkel
lediglich postulierter Redaktionen vor Markus und Q verschoben
wird.

Ebenso unbestreitbar wie die Zwei-Quellen-Theorie steht für
Schenke die Richtigkeit der .Formgeschichte des Evangeliums'
fest, wenn er auch erfreulich deutlich auf die offene Problematik
der Frage nach dem ,Sitz im Leben' hinweist. Wieso aber
die „Bestimmung des Sitzes im Leben für synoptisches Traditionsgut
. . . möglicherweise . . . gar nicht gelingen" kann, ohne
daß die Formgeschichte selbst Schaden nimmt, bleibt unklar.
Und daß es eigentlich keinen Sinn habe, „bei einer gegebenen
Jesusüberliefcrung nach dem Sitz im Leben der Gemeinde zu
fragen, wenn es die Gemeinde überhaupt nicht gegeben hat"
(42), ist eine eigenartige Auskunft, die fragen läßt, welches
formgeschichtlichc Konzept Schenke vorschwebt. Hängt der
.Sitz im Leben' (beispielsweise) der Abendmahlsworte denn
von einer Einheit der Gemeinde ab? Und kann eine Vielheit
von Gemeinden anderes bewirken als die Frage nach dem .Sitz