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1980

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Systematische Theologie: Allgemeines

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Neuerscheinungen

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Theologische Literaturzeitung 105. Jahrgang 1980 Nr. 9

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und Erfüllung des Gesetzes, dem Inhalt-Form-Schema bei der
Bestimmung des Zusammenhangs von Evangelium und Gebot,
der Unterscheidung der „Realebene des Heilsgeschehens" von
der „Signalebene des Verkündigungsgeschehens" bzw. von dem
„Wortereignis Jesus Christus" zu dem „Ereigniswort der Verkündigung
", der Verklammerung von Rechtfertigung und Heiligung
und der verschiedenen Interpretation der Lehre vom
deus absconditus und dem deus revelatus. Das Muster bleibt
sich ähnlich: Barths exklusiv-christologische Fassung, die vom
Heilsgeschehen des Bundes zwischen Gott und Mensch ausgeht
, erscheint dem Vf. präziser als die an der Verkündigung
orientierte Fassung Luthers. „Im Unterschied zu Barths Verankerung
des christologischen Nacheinanders von Gesetz und
Evangelium in dem bundestheologischen Nacheinander von
Evangelium und Gebot (nulla lex sine evangelio) wird bei
Luther die negative, richtende Bedeutung des Gesetzes (usus
elenchthicus) nicht ausschließlich aus der Position des Evangeliums
gewonnen, sondern erst sekundär auf die Position des
Evangeliums bezogen. Das macht den unbestimmten differenzierten
Zusammenhang von Gesetz und Evangelium bei Luther
im Unterschied zum bestimmten differenzierten Zusammenhang
bei Barth aus" (139). Barths Kritikern wird von
Klappert vorgehalten, daß sie von einer Alternative reden,
wo es um Präzisierung und Integrierung geht.

Dem Leser stellt sich freilich die Frage, wie weit mit diesen
subtilen Distinktioncn die Sachprobleme geklärt werden. Daß
Luthers Aussagen nicht in allen Einzelheiten aufeinander abgestimmt
sind, ist bekannt, und der Vorwurf, dafj dabei manches
unbestimmt bleibt und von der jeweiligen Verkündigungssituation
her gesehen wird, läßt sich schnell erheben.
Dennoch wird man der größeren Systematik bei Barth, wie
Klappert sie herausarbeitet, nicht froh, denn manche der angedeuteten
Konsequenzen stimmen doch nachdenklich. Kann
es z. B. nachahmenswert für die Theologie sein, statt kerygma-
tisch bei der Funktion zunächst beim Wesen des göttlichen
Gebotes einzusetzen? Besteht nicht die Gefahr, dafj damit der
Bezug zum Hörer nicht mehr durchsichtig wird? Welche Folgerungen
ergeben sich aus dem Satz Klapperts „Das anklagende
richtende Gesetz, die lex accusans Luthers ist für Barth
keine Kategorie der neutestamentlichen Verkündigung, der
Predigt der Gemeinde, sie ist keine kerygmatische Kategorie"
(148)? Werden dadurch nicht viele biblische Texte zur Spiegelfechterei
, wenn der Imperativ eliminiert und durch eine „warnende
Erinnerung" ersetzt wird? Auch die sozialethische Konsequenz
, dafj Barths Konzeption „nicht nur die kerygmatische,
sondern auch jegliche gesellschaftliche Wiederholung des richtenden
Gesetzes Gottes" verbietet (155), wirft erhebliche Probleme
auf, zumal in einer Gesellschaft, die sich säkular versteht
und einen Verzicht auf das Vergeltungsprinzip im rechtlichen
Bereich nicht mitvollziehen kann. Hat hier nicht die
stärkere Differenzierung der einzelnen usus legis den Vorteil,
den Weg für gemeinsames Handeln von Christen und Nicht-
christen offenzuhalten, ohne daß damit gleich eine „Identifizierung
von Volksnomos und Gottesgesetz" droht, wie das der
Vf. argwöhnt? 4f

Die am Ende des Buches (239—289) abgedruckte Diskussion
über Klapperts Thesen auf einer Barth-Herausgeber-Tagung in
Leuenberg im Juli 1973 dokumentiert, daß etwa die Konsequenzen
für die kerygmatische Tätigkeit der Kirche, vor allem
die Gerichtspredigt, oder die strikte Unterscheidung von
Bundesgeschichte und Versöhnungsgeschichte selbst in diesem
mit Barths Gedanken vertrauten Kreis auf Rückfragen stießen.
Im Gespräch der Freunde und Schüler Barths wurde mehr
auf einen Ausgleich zwischen Barth und Luther gedrängt, als
das in Klapperts Thesen zum Ausdruck kommt. So ist das Buch
eine Herausforderung nach zwei Seiten hin: an die sich auf
Luther berufende und an die sich auf Barth berufende Theologie
, wie weit die Konsequenzen des jeweiligen Ansatzes durch
die Korrekturen der anderen Seite zu modifizieren sind, um
die Unterscheidung von Gesetz und Evangelium wie von Evangelium
und Gebot in verantwortlicher Weise wahrzunehmen.

Leipzig Joachim Wiebering

Kappes, Ulrich: Durch Christus befreites Leben. Theologische
Untersuchungen des Glaubensverständnisses bei Karl Barth
und Rudolf Bultmann. Berlin: Evang. Verlagsanstalt (1978).
78 S. 8° = Theologische Arbeiten, XXXVI. Kart. M 6,80.

Vf. entschied sich für die „Darstellung der theologischen Erkenntnisse
von Barth und Bultmann", weil er, „mit anderen"
meint, „daß die Denkbewegung der Theologie der Gegenwart
wesentlich (wenn auch nicht ausschließlich) durch diese beiden
großen Antipoden markiert ist." Eine Prämisse des Buches,
die m. E. fragwürdig ist. Als wirkungsgeschichtlich bedeutsame
— also „klassische" — Systematiker der Gegenwart gelten
doch mindestens auch P. Althaus, D. Bonhoeffer, E. Brunner
, W. Eiert und P. Tillich. Vf. geht der Frage nach, „in welchem
Verhältnis der Glaube und das im Neuen Testament dargestellte
befreite Leben durch Christus stehen." Nach einer
treffenden und detailgenauen Darstellung dieser Problematik
bei Barth und Bultmann kommt Vf. zu folgendem Ergebnis:
„Für Bultmann ist die .Auferstehung' des NT ein ,nur im Wort
der Verkündigung und in der Preisgabe des alten Selbstverständnisses
sich vollziehendes Geschehen'. Für Barth dagegen
ist Auferstehung im NT trotz ihrer .historisch-prinzipiellen
Nichtverifizierbarkeit' ein ,dennoch raumzeitlich-innerweltliches
Ereignis... in konkreter Gegenständlichkeit." „Barth denkt
streng theologisch, und das heißt bei ihm christologisch, von
der Freiheit. Die Freiheit Gottes ist ganz Teil des göttlichen
Wesens, das sich an der Person Jesu Christi als Sein für andere
offenbart hat.... Im Zusammensein mit Gott empfängt
der Mensch seine Bestimmung. Immer wieder neu ist diese
Bestimmung durch den Menschen zu ratifizieren." „Bultmanns
Theologie der Glaubensfreiheit sagt nichts über die Freiheit
Gottes.... Er geht sachlich davon aus: Gott will, daß der
Mensch seinem Wort glaubt ... Das Wort Gottes ruft in die
Freiheit ... Durch Christus befreites Leben ist ... Verhalten des
Menschen zu sich selbst und damit Verhalten zu der Welt."
„Barth denkt Gottes Freiheit und zieht daraus Folgen für die
menschliche Freiheit. Bultmann fragt nach dem Wie der Glaubensfreiheit
." „Es dominiert bei Barth die Ontologie, bei Bultmann
die Personalität." Im Rahmen des zur Rede stehenden
Themas meint nun Vf.: „Die Theologie des durch Christus befreiten
Lebens von Barth und Bultmann kann als sich gegenseitig
ergänzend angesehen werden, weil es hier (!) möglich
ist, Ontologie und Personalität zusammenzuschauen.

Die Arbeit ist vor allem in ihrem darstellenden Teil aufschlußreich
. Schade, daß wichtige Barthmonographien unberücksichtigt
blieben. Ob man wirklich Barths theologisches
Proprium durch seine „ontologische" Sicht von Glaube und
Theologie gültig umschreibt? Barth hat doch in allen Phasen
seines Denkens Sein als Werden bzw. Geschehen verstanden
und eine Art Panaktualismus vertreten (die durchgehende Bestreitung
der Analogia entis!), wie u.a. der Rez. in einer Untersuchung
nachzuweisen versuchte. Im letzten Band der KD
treten zudem personale Kategorien, die — zugegeben — sonst
in seiner Theologie unterbetont sind, deutlich in den Mittelpunkt
. Barths Theologie ist weder durch einen ontologischen
(vgl. Tillich!) noch einen personalen (vgl. E. Brunner) Grundansatz
gekennzeichnet.

Osnabrück Hont Georg Pdhlmann

Braxton, Edward K.: Knowledge of God in Bernard Lonergan
and Hans Küng (HThR 70, 1977 S. 327-341).

Ebach, Jürgen: Das Erbe der Gewalt. Eine biblische Realität
und ihre Wirkungsgeschichte. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus
Gerd Mohn/1980/. 128 S. 8° = GTB 378. Kart. DM
12,80.

Proudfoot, Wayne: Religious Experience, Emotion, and Belief
(HThR 70, 1977 S. 343-367).

Schaeffler, Richard: Christlicher Glaube — Hoffnung aus Erinnerung
(ThBeitr 10, 1979 S. 112-127).

Schrey, Heinz-Horst: Ist Gott ein Mann? Zur Forderung einer
feministischen Theologie (ThR 44, 1979 S. 227-238).