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Ausgabe:

1980

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Titel/Untertitel:

Neuerscheinungen

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699

Theologische Literaturzeitung 105. Jahrgang 1980 Nr. 9

700

Bynum, Caroline Walker: Jesus as Mother and Abbot as
Mother. Some Themes in Twelfth-Century Cistercian Wri-
ting (HThR 70, 1977 S. 257-284).

Sw. Cyryl Aleksandryjski: Wyklad Prawdziwej Wiary w Obro-
nie Tytulu Bogarodzica Homilie Efezkie. Tlumaczyl W. Kania,
Wstep: E. Stanula, Opracowanie: E. Stanula i S. Kalinkowski.
Warszawa: Akademia Teologii Katolickiej 1980. 270 S. gr. 8°
= Pisma Starochrzescijariskich Pisarzy, XVIII.

Graf, Friedrich Wilhelm: Kritik- und Spekulationstheorie der
Dogmatik von David Friedrich Strauß (Theo!. Diss., München
1977/78).

Graß, Hans: Lessing als Theologe (Luther 50, 1979 S. 102-116).

Hübner, Reinhard M.: Der Gott der Kirchenväter und der
Gott der Bibel. Zur Frage der Hellenisierung des Christentums
(Eichstätter Hochschulreden Nr. 16, 1979, 32 S.).

Reedy, Gerard: Socinians, John Toland, and the Anglican
Rationalists (HThR 70, 1977 S. 285-304).

Röhls, Jan: Einige Probleme des Aristotelismus bei Wilhelm
von Auvergne (Theol. Diss., München 1977/78).

Scholz, Vilson: Os anjos e seu ministerio (Igr. Lut. 39, 1979/2
S. 14-22).

Wendebourg, Dorothea: Geist oder Energie. Zur Frage der
innergöttlichen Verankerung des christlichen Lebens in der
byzantinischen Theologie (Theol. Diss., München 1977/78).

Kirchen- und Konfessionskunde

Keimer, Hans-Diether, u. Oswald Eggenberger: ... neben den
Kirchen. Gemeinschaften, die ihren Glauben auf besondere
Weise leben wollen. Informationen, Verständnishilfen, Auseinandersetzung
, kritische Fragen. Konstanz: Christliche
Verlagsanstalt (1979). 415 S. kl. 8° = Bibel-Kirche-Gemeinde,
12. Kart. DM 12,80.

Kein „Sektenbuch" im herkömmlichen Sinn — Titel und Untertitel
deuten dies an — will die vorliegende Publikation sein.
In Ansatz und Blickwinkel bricht sie mit traditionellen Schemata
und erweist sich im guten Sinne zeitgemäß und praxisbezogen
. Es geht um Gruppierungen, die „neben den ökumenisch
verbundenen Kirchen und Freikirchen eine mehr oder minder
eigenständige Existenz führen. Sie in einem möglichst weiten
Rahmen zu erfassen und sie in ihrer heutigen Erscheinung
möglichst korrekt darzustellen, ist die Hauptaufgabe, die sich
die Autoren gestellt haben." (11). Freilich werden nicht alle
Beiträge in der konkreten Durchführung den selbstgesetzten
Maßstäben gerecht.

In Teil 1 „Auf der Suche nach der wahren Gemeinde" wird
über Gemeinschaften bzw. Bewegungen reflektierend informiert,
die freikirchlichen und evangelikalen Traditionen nahestehen
oder aus ihnen kommen (z. B. Täufer; Brüderbewegung; Kirche
des Nazareners; Philadelphia-Bewegung u.a.). Freie Evangelisten
und ihre „Missionswerke" spielen neben oder am Rande der
Kirchen häufig eine recht öffentlichkeitswirksame Rolle, lassen
sich aber meist schwer in herkömmliche Nomenklaturen
einordnen und werden in der einschlägigen Literatur oft nicht
berücksichtigt. Daß einige von ihnen (Rundfunk-Evangelisation
; Missionswerk Werner Heukelbach, Missionswerk Mitternachtsruf
) sowie mehrere bekannte Heilungsevangelisten
(H. Zaiss, W. Branham, T. L. Osborn) Berücksichtigung finden,
ist besonders positiv hervorzuheben. Der umfangreichste Einzelteil
ist der Pfingstbewegung gewidmet. H.-D. Reimer gelingt
es, die komplexe Aktualität der durch die Pfingstbewegung
gegebenen alten und neuen Fragestellungen deutlich zu
machen und ins allseitige Gespräch zu bringen. Eine stärkere
Berücksichtigung der charismatischen Bewegung wäre wünschenswert
gewesen.

Religionsgemeinschaften angelsächsischen und deutschen Ursprungs
werden in Teil 2 und 3 vorgestellt („Adventisten; Je-
hovas Zeugen; Apostel-Gemeinden; Die Mormonen; Christian
Science; Die Christengemeinschaft; Die Johannische Kirche;
Die Gralsbewegung").

Wie bei einigen anderen neueren einschlägigen Veröffentlichungen
fällt auf, daß die „Neuapostolische Kirche", die nach
Mitgliederzahl und überregionaler Bedeutung alle anderen behandelten
Gemeinschaften in der BRD übertrifft, vergleichsweise
kurz vorgestellt wird. Der teilweise unscharf gehaltene
historische Abriß gibt Anlaß zu kritischen Rückfragen („Aussprache
mit Apostel F. V. Woodhouse" [266]; Stammapostel
Niehaus im Nebenberuf „Volksschuilehrer" [268]). Bei einem
Sachkenner wie O. Eggenberger verwundert, daß der Eschato-
logie der Neuapostolischen nur vier Zeilen vorbehalten wurden
(273). Fast allen Beiträgen ist eine durchgängige Mischung
von Sachinformation, persönlicher Reflexion, kritischer Anfrage
und Auseinandersetzung eigen. Da nicht der Anspruch
eines Handbuches im wissenschaftlichen Sinn erhoben wird, ist
dies legitim, regt den Leser zum Mitdenken an, erhöht die
Farbigkeit, erschwert aber die eigentliche Sachinformation. Die
innere Geschlossenheit der jeweiligen Lehrsysteme, der gegenseitige
Bezug von im einzelnen behandelten Lehren wird dadurch
teilweise verdunkelt, und der nicht vorgebildete Leser
hat Mühe, sich umfassend über das System als ganzes zu orientieren
. Andererseits, und das ist zweifellos ein Vorteil der angewandten
Methode, sieht sich der Leser sofort in einen weitgespannten
Dialog mit der jeweiligen Gruppierung gestellt.

Teil 4 „Neue religiöse Strömungen" (M. Mildenberger) führt
an Beispielen in die Probleme „östlicher Religionen im Westen
" und der „jugendlichen Religiosität" ein. Ein kurzer, aber
sehr gehaltvoller und anregender Beitrag.

Hinweise auf wichtige Quellen und Literatur am Schluß jedes
Beitrages erleichtern die Weiterarbeit. Neben dem „Thematischen
Wegweiser" und dem „Verzeichnis der behandelten
Gemeinschaften und Gruppen" wäre ein Namenregister nützlich
gewesen.

Die Originalität dieser Publikation liegt nicht primär in den
Einzelbeiträgen, sondern in Anlage und Ausrichtung. Dafür
zeichnet vor allem Hans-Diether Reimer verantwortlich. In
einem einführenden Beitrag „.Kirchen' und .Sondergemeinschaften
', ein spannungsvolles Bezugsfeld" macht er deutlich,
„daß wir das gängige Verständnis (von Kirche und Sondergemeinschaft
) grundsätzlich hinterfragen müssen und daß wir
dabei vor allem auch selbstkritisch sein" müssen (14). Er vertritt
den Standpunkt, eine „Unterscheidung zwischen Kirche
und Sekte zu treffen, ist so einfach nicht möglich. Die Begriffe
fassen die heutigen Gegebenheiten nicht mehr." (25). Wo das
Wort Sekte „heute gebraucht wird, schafft es Vorurteile und
Spannungen; es stellt den Versuch dar, vergangene Verhältnisse
festzuhalten, und verhindert dadurch eine konsequente
Neuorientierung" (29). Diese Neuorientierung, für die R. konkrete
Hilfen anbietet, ist zweifellos eine theologische und praktische
Notwendigkeit im Interesse der Kirche. Es geht nicht
um die Nivellierung von Gegensätzen, sondern um die Annahme
der anderen als Partner, „mit denen zu leben und in ein
positives, sich gegenseitig forderndes und befruchtendes Verhältnis
zu kommen, die uns allen gestellte Aufgabe ist" (36).
Dieses Anliegen klingt auch im „Geleitwort" von Landesbischof
D. Helmut Claß an.

Stehen im einleitenden Teil theoretische Grundfragen im
Vordergrund, so wendet sich R. im abschließenden Kapitel
„Auf der Suche nach einem angemessenen Verhalten" mehr
praktischen Fragen zu. Auch hier kommt er zu interessanten
Ergebnissen, etwa: „wie es keinen ,Typ des Kirchenchristen'
gibt, ebensowenig gibt es den ,Typ des Sektierers', wie man ihn
immer wieder herauspräparieren will" (393). Es bleiben Fragen
offen, nicht immer überzeugt die Argumentation, doch
eines ist nicht zu übersehen: mit dem vorliegenden Buch wurde
ein Schritt nach vorn getan, wird zum weiteren Gespräch geradezu
herausgefordert. Der fundierten Diskussion zum Problemkreis
„Sekte heute" darf von denen, die diesen Begriff nach
wie vor auf Glaubensgemeinschaften neben den etablierten
Kirchen anwenden, nicht länger ausgewichen werden.

Halle (Saale) Helmut Obst