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Ausgabe:

1980

Spalte:

691-692

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Köster, Heinrich Maria

Titel/Untertitel:

Urstand, Fall und Erbsünde in der Scholastik 1980

Rezensent:

Andersen, Wilhelm

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Seite 1

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691

Theologische Literaturzeitung 105. Jahrgang 1980 Nr. 9

692

Molnär, Amedeo: Taboritisches Schrifttum (CV 22, 1979 S. 105
bis 122).

Reid, W. Stanford: Bernard of Clairvaux in the Thought of

John Calvin (WThJ 41, 1978/79 S. 127-145).
Rüsch, Ernst Gerhard: Vadians Gutachten für eine Zwingli-

Vita (Zwing. XV, 1979/1 S. 40-49).
Siggins, Ian D. K.: Luther's Mother Margarethe (HThR 71,

1978 S. 125-150).
Stähli, Hans-Peter: Das Alte Testament in den Briefen Calvins

(WuD 15, 1979 S. 115-131).

Dogmen- und Theologiegeschichte

Köster, Heinrich: Urständ, Fall und Erbsünde. In der Schola-
lastik. Freiburg-Basel-Wien: Herder 1979. VI, 191 S. gr. 8°
= Handbuch der Dogmengeschichte, Bd. II: Der Trinitarische
Gott. Die Schöpfung. Die Sünde. Fasz. 3b. Kart. DM 67,—.

Im Konzept des II. Bandes, das die Gotteslehre, die Schöpfung
und die Sündenlehre umfaßt, ist dieser Faszikel das Mittelstück
des dritten Themenkreises. Von der Gotteslehre (Tri-
nität) liegt noch kein Teil vor, während der Themenkomplex
Schöpfung und Vorsehung bearbeitet ist. Für Urständ, Fall und
Erbsünde sind drei Teilbände vorgesehen. Der erste: Von der
Schrift bis Anselm von Canterbury (L. Scheffczyk) kann zur
Besprechung nicht herangezogen werden; aber auch der dritte:
Von der Reformation bis zur Gegenwart (Vf. ebenfalls H. Köster
) liegt noch nicht vor.

Diese Tatsache motiviert vermutlich nur in Ausnahmefällen
dazu, sich der Mühe zu unterziehen, der Frage nachzugehen,
„welche Phasen der gedanklichen und sprachlichen Formulierung
die christliche Vorstellung über Urständ, Fall und Erbsünde
des Menschen in der Geschichte der abendländischen
Theologie" (9) durchlaufen hat. Eine umfassende und detaillierte
Sach- und Literaturkenntnis des Autors ist unbestreitbar
und eindrucksvoll. Aber der nur sehr seltene Rückbezug auf
die Schriften des Alten und Neuen Testamentes und die bewußte
Beschränkung auf den Zeitraum der Scholastik, ohne
Ausblicke auf die Reformation oder gar die Anthropologie der
Gegenwart, mögen manchen veranlassen, das Studium dieses
Teilbandes zunächst zurückzustellen.

Es sollte dabei aber nicht übersehen werden, daß H. Köster
über Probleme, Fragestellungen und — z. T. unterschiedliche,
ja gegensätzliche — Beantwortungsversuche berichtet, die für
die Reformation direkt relevant sind. So wird sein Buch zu
einer unentbehrlichen Vorarbeit für jeden, der sich mit Fragen
befaßt, die zwischen Wittenberg und Rom, z. T. aber auch
innerhalb der Reformationsanhänger kontrovers waren. Außerdem
eignet auch abgesehen davon, der Studie wenigstens indirekt
und verschlüsselt Aktualität, weil sie sich — allerdings
unter den Fragestellungen der Scholastik und mit ihrer Begrifflichkeit
— dem anthropologischen Problem stellt und dabei —
trotz mancher nur schwer nachzuvollziehender Spekulationen
— den konkreten Menschen ins Blickfeld zu bekommen versucht
. Daß es sich dabei nicht um eine frei im Räume schwebende
Anthropologie handeln kann, sondern um den Versuch
der Herausstellung eines Aspektes der göttlichen Offenbarung,
nämlich der heilsgeschichtlichen Erfahrung des Menschen mit
Gott, steht außer Frage und darf erwartet werden.

Für den methodischen Aufbau ist es kennzeichnend, daß die
von den vielen Vertretern der Früh-, Hoch- und Spätscholastik
entwickelten Lehren über den Urständ, den Fall und die Erbsünde
jeweils gesondert referiert wird. Daraus ergeben sich
die drei Kapitel des Buches über den Urständ (11—95), über
den Fall (96-121) und über die Erbsünde (122-191). Damit
wird das systematische Interesse federführend, während H.
Köster, auch aus Raumgründen — um ermüdende Wiederholungen
zu vermeiden — bewußt darauf verzichtet, die .Systeme
" (9) der einzelnen Theologen nach »Ansatz, Akzenten

und Ideenverknüpfung als geschlossene Einheiten" darzustellen
.

Von daher war es wohl nicht zu vermeiden, daß in den drei
Kapiteln alle wichtigen Fragen und Themen zum jeweiligen
Problem in einer systematischen Abfolge behandelt werden. Die
28 Paragraphen des Inhaltsverzeichnisses (mit zusätzlichen 28
Unterthemen) geben das wieder, was von den Theologen der
zur Diskussion stehenden Zeit gedacht worden ist. Man wird
auch schwerlich sagen können, daß eine Einordnung in diese
Gliederung notwendig zu einer Verzerrung in der Darstellung
führt. Lehrunterschiede werden sorgfältig vermerkt, außerdem
wird nicht verschwiegen, daß Fragestellungen und von daher
einzelne Themenkreise keineswegs immer das gleiche Gewicht
haben und gelegentlich gar keine Rolle spielen.

Der Autor, dem eine umfassende Sachkenntnis und eine gute
Darstellungsgabe zuzugestehen ist, hält sich in der Bewertung
und Stellungnahme (etwa dort, wo die Grenze zur Spekulation
überschritten ist) bewußt zurück. Er sieht seine Aufgabe
in einer sorgfältigen Registrierung, bei der die damals gültigen
Wahrheitskriterien nicht zur Diskussion gestellt werden.
Man wird darum gespannt sein, wie der noch ausstehende
Band vom gleichen Autor über Urständ, Fall und Erbsünde
von der Reformation bis zur Gegenwart die aktuellen Sachprobleme
bewältigt.

Wilhelm Andersen t

Pizzolato, Luigi Franco: La dottrina esegetica di sant'Ambro-
gio. Publicazioni della Universitä Cattolica del Sacro Cuore.
Milano: Vita e Pensiero 1978. XXI, 359 S. 8° = Studia Patri-
stica Mediolanensia, 9. Kart. Lire 14.000.

Ähnlich wie die großen elisabethanischen Dramatiker des
ausgehenden 16. Jh. ein Dasein im Schatten des Ruhmes Shakespeares
führen, so verblaßt Ambrosius oft angesichts der
größeren Strahlkraft Augustins, obwohl der Schüler sich seiner
Dankesschuld gegenüber seinem „Vater im Glauben" sehr
wohl bewußt war. Im Vergleich mit dem großen Konvertiten,
der seiner Seelsorge entstammte, erschien Ambrosius gewöhnlich
nur wie ein „Ciceronianischer Moralist", der weder die
Zeit noch die Neigung und die notwendige Begabung für tiefere
theologische Spekulation hatte. Von F. Szabö wurde ganz
richtig herausgestellt, daß wir jetzt weit entfernt von der geradezu
„klassischen Tradition" sind, Ambrosius in diesem Licht
zu sehen (F. Szabö, „Le Christ Createur chez Saint Ambroise",
Studia Ephemeridis .Augustinianum' 2, Rome 1968, S. 17). Allerdings
ist es schwierig, eine Entwicklung in seiner Theologie
nachzuweisen. Hätte er die Retractationes am Ende seines
Lebens geschrieben, so wäre daraus wohl nur ein dünnes Buch
geworden. Doch der Mangel an Entwicklung bedeutet noch
nicht einen Mangel an Originalität. In den letzten zwei Jahrzehnten
wurde in einer wachsenden Anzahl von Ambrosius-
Studien der theologische Beitrag seines fruchtbaren Denkens erhellt
. Die Studien von Courcelle, Pepin und Lazzati und aus
jüngster Zeit von Madec und Toscani sind ein Beleg für das
zunehmende Interesse, das Ambrosius erfahren hat — ja aus
zwei Gründen wohl zu Recht erfahren hat: Erstens ist Ambrosius
der erste in der Geschichte der Kirche, der das politische
Amt ebenso wie das kirchliche Amt mit höchster Würde versehen
hat. Zweitens war Ambrosius, im Unterschied zu Augustin
, dessen Unfähigkeit griechisch zu lesen, als „ein erheblicher
Ausfall des spätrömischen Bildungssystems" bezeichnet
wurde (Peter Brown, Augustinus von Hippo, Frankfurt/M.
1973, S. 30), völlig vertraut mit den meisten Veröffentlichungen
der griechischen Theologie seiner Zeit, die er mit Vergnügen
studierte. Er war einer der wenigen Männer seiner Zeit, die
sich sowohl in der lateinischen als auch in der griechischen
Welt gleichermaßen zu Hause fühlten.

Diese beiden Gesichtspunkte, seine herausragende soziale
Stellung und seine Fähigkeit, die Quellen griechischer Literatur
heranzuziehen, haben ganz erheblichen Einfluß auf die