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Ausgabe:

1980

Spalte:

670-671

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Cunchillos, Jesús-Luis

Titel/Untertitel:

Estudio del Salmo 29 1980

Rezensent:

Bernhardt, Karl-Heinz

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Theologische Literaturzeitung 105. Jahrgang 1980 Nr. 9

670

um den Tempelbau wohlverdient gemacht hat (1,14). In der
Volksschicht, die sich in versuchlich-bedrohlicher Weise in den
Tempelbau einmischen möchte aber abgewiesen werden muß
(2,10—19), sieht der Vf. nach der schon von Rothstein vorgetragenen
Auffassung die Samaritaner (49).

Für die zeitliche Ansetzung dieses Buches werden die darin
vorgetragenen Datierungen (1,1.15b; 2,10.20) zugrunde gelegt
. Haggai hat, wie übrigens sein Mitstreiter Sacharja, die
Tempelweihe im Frühjahr 515 v. Chr. selbst nicht mehr erlebt
(61). Sacharjas Buch ist als Ergänzung zum Buch des ersteren
gedacht, was die „geflissentliche Hervorhebung der Notwendigkeit
der Umkehr am Anfang der Wirksamkeit Sacharjas
(1,1-6)" bezeugt (61). Das Buch des Propheten Sacharja (1-8)
besteht fast durchweg aus echten Worten — eine Ausnahme
bildet 8,9-13. Den Kern dieser Kapitel bilden die sog. acht
.Nachtgesichte", zu denen der Autor auch das gemeinhin ausgesonderte
4. Nachtgesicht von der Rehabilitation des Hohenpriesters
Josua hinzurechnet (3,1—7). Über die literarische
Form der Nachtgesichte wird nicht reflektiert; sie werden allgemein
als Visionsberichte gedeutet. Auch Sacharja sieht in
Serubbabel, dem Erbauer des Tempels, den Heilskönig. Bevor
die Heilszukunft aber anbrechen kann, muß neben der Wiederherstellung
des Tempels eine vollkommene Bewohnerschaft
eines heiligen Jerusalem erschaffen werden. Die auf Serubbabel
gerichtete Hoffnung wurde jedoch enttäuscht. So ist die in
6,9—14 berichtete Herstellung der Krone dem Hohenpriester
zugedacht. Da in diesen Versen keine visionären Züge erkennbar
sind, ist dieses Stück nicht der Komposition der Nachtgesichte
hinzuzurechnen (126,128).

Die diesem Sacharja-Buch angefügten Kapitel 9—14 sind
nicht einheitlich. Dabei geht der Autor von der durch den ma-
soretischen Text nahegelegten Einteilung in Kap. 9—11 und
12/13 ab, welche dadurch begründet ist, daß Kap. 9 und Kap. 12
mit der Überschrift „Ausspruch" (massä) versehen sind. Vf. erklärt
die Überschrift in 12,1 als sekundär und Maleachi 1,1
nachgebildet (161,219,253). Demgegenüber schlägt er eine
ganz andere Gliederung vor: 9,1—11,3 (Deuterosacharja), 11,4
bis 13,9 (Tritosacharja) und schließlich Kap. 14 (Tetrasacharja
oder besser ein Anhang). Bei allen Bemühungen, eine Trennungslinie
zwischen 11,3 und 11,4 sichtbar zu machen (215),
sind die Unterschiede zwischen beiden Teilen doch nicht so
gravierend, daß eine Abgrenzung gerade an dieser Stelle einsichtig
zu machen ist.

Das Stück 9,1—8, gemeinhin mit dem Siegeszug Alexanders
des Großen in Verbindung gebracht, wird vom Autor überhaupt
zu keinem akuten politischen Ereignis in Beziehung gesetzt
, sondern an den Versprechen Jahwes von Josua 13,2—9
orientiert. Das Kernstück des Tritosacharja sind die Hirtenvision
(11,4—14. 15—17, kommentiert zusammen mit 13,7—9).
Diese Stücke sind schon seit je für die Auslegung problematisch
gewesen. Wie sind sie formal zu verstehen: als Allegorie,
als Gleichnishandlung oder als eingekleidete Weissagung? Der
Autor versucht eine Lösung dahingehend, daß der gesamte
Stoff als Vision interpretiert werden muß. Gleichwohl muß er
zugeben, daß der Prophet nach Deutung von 11,7 den göttlichen
Auftrag (zur Gleichnishandlung) annimmt (206). Ist es
also doch keine Vision? Mit dem Hirten ist nach R. der Messias
gemeint. Das ergibt dann aber gleich ein ganzes Bündel
von neuen Problemen. Wie ist dann das Zerbrechen der Stäbe
„Huld" und „Verbindung" zu verstehen, sowie der Rücktritt
des Hirten und seine Entlohnung mit 30 Silberlingen oder die
Vernichtung der drei Hirten in einem Monat? 11,8a als Glosse
auszuscheiden, ist nur eine Verlegenheitslösung. Auch eine
Verbindung des Messiasgedankens mit 13,7—9 kann nicht
recht überzeugen. Die Probleme sind offensichtlich so hier
nicht zu lösen.

Daß sich Kap. 14, das jüngste Stück, von den übrigen Stük-
ken abhebt, unterliegt keinem Zweifel. Es ist als eine inhaltlich
und formal eigenständige eschatologische Aussage anzusehen
. Der hier gegebenen Interpretation ist zuzustimmen.

Die Erläuterung des Maleachi-Buchs beginnt mit einer Erörterung
der Buchüberschrift, wobei der Autor die jüngst auch

anderweitig wieder vertretene Interpretation des Wortes „Maleachi
" als Eigennamen vertritt (248). Dieser Prophet erweist
sich, wie der Diskussionsstil zeigt, als „Seelsorger" (293 u. ö.),
der jedoch die These von der gerechten Vergeltung Gottes in
recht starrer, dogmatisierender Weise ins Gespräch einführt.
Da die Zeitverhältnisse unklar bleiben, können Einzelzüge
nur sehr schwer und hypothetisch ausgedeutet werden. So ist
die Annahme, daß hinter der These, „Jakob habe ich geliebt,
aber Esau habe ich gehaßt" (1.2 f), eine politische Katastrophe
Edoms stünde (255), durch nichts zu erweisen. Die Gesamtan-
setzung bleibt damit unklar, sei es, daß das Buch kultische
Mißstände anprangert, die die Reformen Nehemias und Esras
erst notwendig gemacht hätten, sei es, daß es die Wirkungslosigkeit
solcher Bemühungen offenbar macht. Das bedeutet,
daß das Maleachi-Buch vor oder nach Esra/Nehemia entstanden
sein kann.

Maleachi 3,22—24 ist als Abschluß des gesamten 12-Prophe-
tenkanons anzusehen, nicht als Zusatz zu Maleachi. Dieser Kanon
kann damit erst nach Entstehung von Sach 14 abgeschlossen
worden sein, welches wohl als erheblich jünger als Maleachi
anzusehen ist. Damit ist mit dem Prophetenkanon erst
im Laufe des 3. vorchr. Jh. zu rechnen.

Indizes über 1. Hebräische Wörter, 2. Personennamen, 3.
Geographische Namen, 4. Realien, 5. Theologische Begriffe, 6.
Bibelstellen werden für Haggai (301-303), Sacharja 1-8
(303-307), Sacharja 9-14 (307-312) und Maleachi (312-315)
gesondert geboten. Eine Zeittafel von A. Jepsen vervollständigt
dieses Buch wie die anderen Kommentare zu den Kleinen
Propheten. So haben wir hier wieder einen bemerkenswerten,
eigenständigen und originellen Kommentar vor uns, den uns
der 85jährige Autor aus allen seinen exegetischen Erfahrungen
heraus in die Hand gegeben hat.

Halle (Saale) Gerhard Wallis

Cunchillos, J. L.: Estudio del Salmo 29. Canto al Dios de la
fertilidad-fecundidad. Aportaciön conoeimiento de la Fe de
Israel a su entrada en Canaan. Valencia: Libreria Diocesana
1976. 307 S. gr. 8° = Instituciön San Jerönimo, 6. ptas 850.

Der 29. Psalm steht seit einigen Jahrzehnten mit im Zentrum
der Psalmenforschung. Mittelbarer Anlaß war die Entdeckung
der keilschrift-alphabetischen Texte aus dem alten
Ugarit, die eine ziemlich enge Verwandtschaft mit der alt-
kanaanäischen Mythologie des Gewitter- und Fruchtbarkeitsgottes
Baal erkennen ließen. Nachdem H. L. Ginsberg im Jahre
1936 zuerst auf diesen Sachverhalt aufmerksam gemacht hatte,
setzten die Bemühungen ein, die Beziehungen des 29. Psalms
zur kanaanäischen Religion genauer zu ermitteln. Allgemein
anerkannt ist inzwischen das hohe Alter des Psalms und die
Herkunft der in ihm enthaltenen Schilderung des Wirkens
Jahwes als Gewittergott aus vorisraelitischen kanaanäischen
Vorstellungen. Meinungsverschiedenheiten gibt es über den
Grad der Abhängigkeit. In diese Diskussion greift J. L. Cunchillos
mit einer sehr gründlichen Exegese des Psalms ein,
die von der philologischen Interpretation bis zur Erörterung
der poetischen Struktur alle heutzutage üblichen hermeneuti-
schen Gesichtspunkte berücksichtigt. In sehr lebendiger Auseinandersetzung
mit der nahezu vollständig herangezogenen
Fachliteratur1 kommt der Vf. in der Hauptsache zu folgendem
Ergebnis: Der als in sich geschlossener, einheitlicher Hymnus
anzusehende Psalm 29 stammt aus der Frühzeit Israels in
Kanaan. Er ist stark kanaanäisch beeinflußt, kommt aber nicht
aus der Baal-Religion (sei es direkt oder durch Vermittlung
der El-Religion), sondern behandelt nur ähnliche Themen, die
mit Jahwe, dem sich in atmosphärischen Naturerscheinungen
manifestierenden Gott vom Sinai, ursprünglich verbunden
sind. Auch die Begegnung mit El liegt schon in vorkanaanäi-
scher Zeit.

Ob diese Auffassung von der Fachwelt akzeptiert werden
wird, mag dahingestellt bleiben. Aber auch derjenige Leser,