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Ausgabe:

1980

Spalte:

663-664

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Crenshaw, James Lee

Titel/Untertitel:

Gerhard von Rad 1980

Rezensent:

Heller, Jan

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Seite 1

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663

Theologische Literaturzeitung 105. Jahrgang 1980 Nr. 9

664

Altes Testament

Crenshaw, James L.: Gerhard von Rad. Grundlinien seines
theologischen Werkes. Aus d. Amerikan. von Jürgen Kegler.
München: Kaiser [1979]. 190 S. 8°, Kart. DM 19,80.

Der Text auf der letzten Seite des Umschlags sagt: „James L.
Crenshaws Buch ist die erste ausführliche Darstellung des literarischen
Lebensweges G. v. Rads. Der Autor stellt die wichtigsten
Phasen des theologischen Werdegangs G. v. Rads dar,
auf den Albrecht Alt in wissenschaftlicher und menschlicher
Hinsicht wesentlichen Einfluß hatte. Im Mittelpunkt des Buches
steht die Darstellung der zentralen alttestamentlichen Überlieferungen
; ein Überblick über die Tradenten und grofjen Persönlichkeiten
des AT in der Sicht G. v. Rads schließen sich an.
Crenshaw faßt die entscheidenden methodischen Schritte und
Hauptergebnisse der Analysen G. v. Rads übersichtlich zusammen
, würdigt seine theologische Leistung und vermittelt der
neueren Diskussion durch seine kritische Auseinandersetzung
mit G. v. Rad wesentliche Anregungen. Gleichzeitig öffnet er
dem Leser auch einen eigenen Zugang zu biblischen Texten
und Traditionen." Das trifft weitgehend zu. Die vorliegende
deutsche Fassung beginnt mit einem Geleitwort von H. W.
Wolff und mit dem Vorwort des Vf. über die Entstehung des
Buches. Das Vorwort des Übersetzers legt die Schwierigkeiten
und die Art ihrer Überwindung dar.

Das erste Kapitel „Ein bißchen geschichtsmonoman" (so
soll sich G. v. Rad einmal selbst bezeichnet haben) erwähnt die
theologischen Wurzeln und die Vorgänger v. Rads. Sein Leben
ist nur kurz auf vier Seiten skizziert. Zur Beschreibung des
theologischen Ausgangspunktes von G. v. Rad bedient sich der
Vf. der Arbeit „Das formgeschichtliche Problem des Hexa-
teuchs" und gibt kurz ihren Inhalt wieder. Im Absatz „Von
Rads Bewertung seines eigenen Werkes" stützt er sich auf v.
Rads Antrittsrede in Heidelberg 1957. In der anschließenden
Untersuchung der Methode identifiziert sich der Vf. im wesentlichen
mit der Einstellung F. Baumgärtels (ThLZ 86, 1961
Sp. 801 ff) und mit seinem Vorwurf, v. Rads „Theologie stürze
den Prediger letztlich in ein Chaos ...". Ein besondres Charakteristikum
der Theologie v. Rads liegt in dem Versuch, die beiden
Testamente zusammenzubringen, ein Bemühen, das man
nicht völlig von dem Kampf gegen den Nationalsozialismus
und dessen Verachtung alles Jüdischen loslösen kann ..." (34).
Dazu eine Bemerkung des Rez.: Wenn die Einheit der Bibel
so situationsbezogen und nicht prinzipiell bedingt ist, bedeutet
das, dafj die alttestamentliche Wissenschaft heute wieder der
markionitischen Einstellung entgegengehen soll? Ich glaube es
nicht. — Ein ähnliches Mißverständnis liegt m. E. auch dort
vor, wo der Vf. die Auffassung des Überlieferungsprozesses
(35) und der Pansakralität (36 f) kritisiert, unter denen v.
Rad offensichtlich etwas anderes verstand als man ihm vorwarf
. Treffend und sachlich finde ich aber die Aufzählung
der Hauptthesen v. Rads am Ende des Kapitels (38—40).

Das zweite Kapitel „Die Überlieferungen" behandelt aufgrund
der bekannten Arbeiten den Heiligen Krieg, Zelt und
Lade, die Sinaitradition, die Exodustradition und die Tradition
von David und vom Zion. Das dritte Kapitel „Tradenten und
Überlieferungen Israels" stützt sich meistens auf die entsprechenden
Absätze in der „Theologie des AT" von G. v. Rad. Man
findet hier die Charakteristik von J, E, Dtn, Dtr, P und Chron.
Ausführlicher werden die Propheten und die Weisheit vorgelegt
. Deutlichere kritische Bemerkungen fügt der Vf. erst an
den letzten Absatz über die Weisheit an, wo er die Auffassung
Fichtners gegenüber der v. Rads bevorzugt. — Das vierte Kapitel
„Geschichtliche Porträts" liefert das Bild von Mose, Abraham
, Joseph, David und Jeremia. Das fünfte Kapitel „Überlieferung
, die die Geschichte transzendiert", berührt die heikelsten
Fragen der alttestamentlichen Theologie, besonders das
alttestamentliche Weltverständnis und die Bezeugung Gottes
durch die Schöpfung. Der Vf. beschränkt sich meistens auf
sachliches Referieren, ähnlich wie auch im weiteren Absatz
über die Gerichtsdoxologie. Im letzten Absatz „Agonie und Ekstase
des Glaubens" findet man eine kurze, aber sehr anschauliche
Zusammenfassung der umstrittenen Auffassung der Apo-
kalyptik.

Kap. VI „Von der Überlieferung zum Schweigen Gottes" legt
den wichtigen Gedanken v. Rads dar über das Wachstum der
alttestamentlichen Erwartung im und durch ihr Scheitern in
der Geschichte, und weiter den Ausblick auf die Zusammenhänge
zwischen AT und NT. — Das letzte Kap. VII. „G. v. Rad:
Theologe und Exeget" teilt v. Rads Werk in „bleibende Leistungen
" und „kritische Fragen"; in beiden Absätzen befaßt sich der
Vf. aber weitgehend mit demselben Problem, nämlich mit der
Beziehung v. Rads zur Geschichte: Israels Geschichte ist eigentlich
die Geschichte seiner Glaubensbekenntnisse. Für bezeichnend
hält der Vf., daß sich v. Rad weigerte, eine Mitte des AT
zu suchen. Die kultischen Institutionen hat er (nach dem Vf.)
auf Kosten des Ethischen überschätzt, seine formkritische Methode
und sein poetisches Gefühl lieferten ihm widersprüchliche
Impulse. Er hat sich ständig als christlicher Theologe verstanden
und sich auch immer bemüht, die Kluft zwischen einst
und jetzt zu überbrücken. Das ganze Buch endet mit einem
schönen Satz, dem sich auch der Rez. gern anschließt: „Für
uns bleibt sein (G. v. Rads) Werk ein Monument des Glaubens
und der Treue" (168).

Im Anhang findet der Leser reichliche Anmerkungen mit vielen
wertvollen bibliographischen Hinweisen, eine ausgewählte
Bibliographie der Werke G. v. Rads und der Arbeiten über ihn,
und endlich ein Namenregister.

Das Buch ist ein gelungenes Werk, sehr instruktiv, gut lesbar
, inhaltsreich, so daß auch ein völlig uneingeweihter Leser
das theologische Profil und das vielförmige Werk des großen
Lehrers klar, deutlich, knapp und doch unverzeichnet vor
Augen hat. Der Vf. referiert sachlich, treffend und zuverlässig,
alles Wesentliche ist da. Seine kritischen Vorbehalte oder Anfragen
sind stets durch Hinweise auf neuere wissenschaftliche
Literatur gestützt. Und doch spürt man, daß der Vf. das innerste
theologische Anliegen v. Rads nicht angenommen hat
und daß die meisten von den gebrachten Vorbehalten nicht
einer sachlichen Überholung, sondern einer anderen theologischen
Einstellung entspringen. Das ist aber letztlich nicht überraschend
in der wachsenden Pluralität der heutigen theologischen
Diskussion.

Prag Jan Heller

Engel, Helmut: Die Vorfahren Israels in Ägypten. Forschungsgeschichtlicher
Überblick über die Darstellungen seit Richard
Lepsius (1849). Frankfurt/M.: Knecht 1979. 253 S. 8° =
Frankfurter Theologische Studien, 27. Kart. DM 58,—.

Die bereits im Frühjahr 1978 vom Päpstlichen Bibelinstitut
in Rom angenommene Dissertation ist eine forschungsgeschichtliche
Studie eigener Art. „Ziel der Arbeit ist es, eine Art Re-
pertorium zu einem eng umschriebenen Thema der Vorgeschichte
Israels (Eisodus — Aufenthalt in Ägypten — Exodus)
zu schaffen: Welche Methoden wurden in der Forschung seit
dem letzten Jahrhundert angewandt? Mit welchen Voraussetzungen
und Ergebnissen? Welche Faktoren und Daten hatten
Einfluß auf den Gang der wissenschaftlichen Arbeit?" Diese in
der Einleitung S. 13 angegebene Zielsetzung wird in hohem
Maße erreicht, wenn nicht sogar stellenweise auf originelle
Weise übertroffen.

Die Berührung der Vorfahren Israels mit Ägypten ist kein
so „eng umschriebenes Thema", wie es scheint. Denn nach biblischem
Zeugnis zog Jakob mit seinen Söhnen nach Ägypten,
zog Israel unter Moses Führung von dort aus, um am Gottesberg
Sinai oder Horeb Recht und Gesetz zu empfangen und
erreichte schließlich nach längerem Umherziehen in den Steppenzonen
der nördlichen Sinai-Halbinsel das verheißene Land.
Ägypten und die Mosegestalt sind zu einem Angelpunkt der
Frühgeschichte Israels geworden, und jeder Historiker muß sich