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Ausgabe:

1980

Spalte:

635-636

Kategorie:

Referate und Mitteilungen über theologische Dissertationen und Habilitationen in Maschinenschrift

Autor/Hrsg.:

Deetjen, Werner-Ulrich

Titel/Untertitel:

Studien zur württembergischen Kirchenordnung Herzog Ulrichs 1534 - 1550 1980

Rezensent:

Deetjen, Werner-Ulrich

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636

Theologische Literatnrzeitung 105. Jahrgang 1980 Nr. 8

636

Referate über theologische Dis;

Deetjen, Werner-Ulrich: Studien zur württembergischen Kirchenordnung
Herzog Ulrichs 1534-1550. Diss. Tübingen 1978. I
(Text): XXXVI, 249 S.; TT (Anmerkungen und Anhang): LXX,
242 S.

Die Dissertation erwuchs im direkten sachlichen und methodischen
Zusammenhang mit der gleichzeitig übernommenen und
noch andauernden Bearbeitung der „evangelischen Kirchenordnungen
des XVI. Jahrhunderts, Sehling-Band Württemberg 1,
Herzog Ulrich (1534-1550)". Die in den „Studien" gebotenen
l^inleitnngskomplexe entsprechen also weitgehend dem, was auch
der künftige Sehling-Band mitenthalten soll.

Das Ulriohsche Ordnungswerk ist nach Wesen, Weite und Wert
umstritten. Dabei wird eine gereohto Urteilsfindung von zwei Seiten
her erschwert: durch die innerhalb des deutschen Luthertums
beispielhafte Ordnungsleistung der christophinischen Reforma-
tionsperiode (1550-1568). die das zuvor geleistete zu Unrecht
gering erscheinen läßt und durch die gängigen Vor-Urteile über
Leben und Werk des schwierigsten württembergischen Regenten,
Herzog Ulrich.

Die „Studien" gehen nun von folgenden Auswahlgrundsätzen
aus: Kirchenordnungscharakter eignet all jenen landesherrlichen
Oesotzgebungs-. Verwaltungs-, Regierungsakten und Behördenanweisungen
, die bestimmte kirchlich-staatliche Verhältnisse in
allgemeinverbindlicher oder typischer Weise regelten und damit
nicht nur vorübergehenden örtlich-personell bedingten Einzelzwecken
dienten. In gleicher Weise mitzuberücksichtigen sind ord-
nungsgeschichtlich bedeutsame Entwürfe (z. B. Brenz!) und Initiativen
außerhalb obrigkeitlicher Rechtssetzung, ebenso solche
Gesetze und Normen, deren Fixierung auf konfessions- und religionspolitische
Anstöße außerhalb des Territoriums zurückgehen
(Konkordien, reichsrechtliche Verträge, Interim).

Die Darstellung der Ordnungen geschieht innerhalb bestimmter
Sachgruppen. Anders als bei der chronologischen Darbietung kann
dabei eine systematisch-problemorientierte Durchdringung der
einzelnen Neuordnungsbereiche geleistet werden. Innerhalb der
jeweiligen Einzeleinleitungen, denen ein Überblick über Umfang
und Charakter der gesamten Gruppe und eine Analyse der vor-
reformatorischen Verhältnisse vorausgehen, weisen die „Studien"
folgendes variable Gliederungsschema auf: Vorgeschichte (Verhält-
nisse unmittelbar vor der Abfassung), Abfassung (Redaktionsprozeß
, Verfasser, Publizierung), Abhängigkeit und Eigenart (quellenkritische
Analyse, inhaltliche/formale Originalität), Durchführung
(Ordnungswille und Ordnungswirkliohkeit, untersucht auf
möglichst breiter Basis).

Der erste Hauptkomplex der Untersuchung ist die breit angelegte
historische Einleitung: „Das Herzogtum Württemberg im
Zeitalter Herzog Ulrichs (1498-1550)."DargestelIt werden zunächst
der Aufstieg der Grafschaft zur südwestdeutschen Territorialmacht,
die erste Regierung Herzog Ulrichs und die Zeit der österreichischen
Herrschaft. Bereits hier ist es entscheidend, unter welcher
Perspektive man die Ereignisse vor und nach 1534 betrachten will:
ausschließlich aus der Sicht von Ulrichs Gegnern (prohabsburgisch-
ständisch-katholische Partei) oder auch aus der Sicht von Ulrichs
Anhängern (prodynastische-sozialrevolutionäre-reformatorische
Partei des Gemeinen Mannes und des linken Flügels der Ehrbarkeit
). -"Die zweite Regierung Herzog Ulrichs wird unter folgenden
Aspekten untersucht: Die württembergischen Territorien - Daten
zur Landesbeschreibung, Außen- und Religionspolitik, Innenpolitik
und Reformation (die Durchsetzung landesherrlicher Autokratie
und evangelischer Ordnung in Staat und Kirche). Bedenkt
man die Schwere der außen-, innen- und konfessionspolitischen
Konflikte'mit denen der Herzog zu kämpfen hatte und wägt die
über alle Krisen hinweg bleibenden Regierungsleistungen dagegen
ab, so steht außer Zweifel, daß das gegenwärtig negativ gezeichnete
Bild Herzog Ulrichs falsch ist und in entscheidenden Punkten
grundsätzlich revidiert werden muß.

Das Kapitel über die „Neuordnung des Kirchengutes" (1534 bis
1847) weist anhand der einzelnen Ordnungen die verschiedenen
Rechtsformen bei der Behandlung der geistlichen Vermögensmasse

srtationen in Maschinenschrift

auf, also den Weg von der Sequestration zur Possession und Reformation
oder Innovation und Säkularisation. Im Mittelpunkt der
Analyse steht dabei die Kastenordnung von 1536, die man nicht
länger mehr nur im Schatten der hessischen Ordnungen sehen dürfen
wird. Vielmehr gehört dieses „Jahrhundertgesetz", das in seinen
wesentlichen Grundsätzen bis ins 19. Jh. galt, wegen seiner
klaren, umfassenden und weit vorausschauenden Konzeption
durchaus in die allererste Reihe landesherrlicher Entwürfe für
einen „Gemeinen Kasten". Im übrigen zeigt die genaue Untersuchung
der Ulrichschen Kirehengüterpolitik, daß sie in ihrem
schroffen landesherrlichen Verfügungsanspruch zwar die Zeitgenossen
provozierte, in ihrer praktischen Durchführung aber
keineswegs nach unbilligen Grundsätzen verfuhr, die württembergische
Kirche also avifs Ganze nicht schlechter gestellt war, als die
Kirchen anderer evangelischer Territorien. Was der Herzog zum
Kammergut schlug, hat er überwiegend zur Aufführung des gewaltigen
Verteidigungsgürtels (Landesfestnngen) und damit zum
Besten des Landes verwandt.

Ähnlich überraschende Aspekte erbrachte die Untersuchung des
dritten größeren Komplexes innerhalb der „Studien", die „Neuordnung
der Klöster". Berücksichtigt man, daß die wiirt tembergi-
sche Reformation sich nicht kont innierlich entwickeln konnte, vielmehr
sich als jäher Umbruch vollzog, so erstaunt weniger die Tat -
sache. daß die großen Prälaturen und kleinen Mannsklöster innerhalb
zweier Jahre die üblichen Phasen von Sequestration (Inventur
). Possession und Säkularisation (teilweise Innovation) durchliefen
, sondern weit eher ein anderes, kaum beachtetes Faktum:
Das Herzogtum gehörte zu den wenigen evangelischen Territorien,
in denen man sich ernsthaft um die theologisch-seelsorgerlichc
Seite dieses schmerzlichen Veränderungsprozesses bemühte. Dafür
zeugen zum einen die wohl von Blarer verfaßte Klosterordmnm
sowie das sog. württembergische .Judicium de votis monaatiois"
und zum andern das überwiegend geduldige Vorgehen gegen die
Ordensfrauen.

Teil IT der „Studien" enthält u.a. ein umfassendes, auf den
gesamten Sehling-Band Württemberg 1 bezogenes. Literaturverzeichnis
und mehrere Exkurse. Der Anhang Nr. 1 bietet Einleitung
und Text zu einem bisher unveröffentlichten Bedenken
eines unbekannten Theologen (Schnepf?) betreffend die Religionsänderung
im Herzogtum. Dieses Gutachten entstand wohl kurz
vor den Wiener Verhandlungen vom August 1535. Anhang Xr. 2
enthält einen Aufsatz (erschienen in BWKG 76, 1976, 62-115)
über die Reformation der Klöster Lorch und Murrhardt, samt Einleitung
und Text des sog. .Judiciums" von 1535. Anhang Nr. 3
enthält ein Verzeichnis sämtlicher bisher verifizierter Ordnungen:
Neuordnung des Kirchengutes (12 Ordnungen), Neuordnung der
Klöster (22), Kirchenaufbau und Kirchenleitung (10), Kirchenordnung
(9), Landesordnung / Polizei / Kirchenzucht (7). Abwehr
nebenkirchlicher Bewegungen (6), Bildungswesen (21). Tnterim
(21). - Allein diese Dokumentation zeigt eindrücklich, daß das
Ordnungswerk Herzog Ulrichsbisher erheblich unterschätzt wurde.

Weißkopf, Richard: Gematria. Buchstabenberechnung, Tora und
Schöpfung im rabbinisehen Judentum. Diss. Tübingen 1978.
VI, 386 S.

1. Die Terminologie

Die Terminologie, die im Zusammenhang mit Gematric angewandt
wird, ist in Wortwahl und Ausformung sehr reichhaltig.
Abgesehen von einem Fall können keine Bezüge zwischen bestimmten
Rabbinen und bestimmten Termini entdeckt werden. Dagegen
sind klare Tendenzen zum Gebrauch bestimmter Termini in den
verschiedenen Quellen auszumachen.

i So erscheint der Terminus gematrija' im jerusalemischen Talmud
und den ihm nahestehenden älteren amoräischen Midraschim
als Bezeichnung für Buchstabenberechnung nirgends; dafür ist der
Gebrauch von minjan oder Gematrie ohne einen bestimmten Tri-
minus sehr häufig. Wo gematrija' in diesen Quellen begegnet, be-