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Ausgabe:

1980

Spalte:

633-634

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Adler, Gerhard

Titel/Untertitel:

Wiedergeboren nach dem Tode? 1980

Rezensent:

Obst, Helmut

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Seite 1

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Theologische TtlMtllll Milium 10,r>' J«h*gWB| 1980 Nr. 8

034

Zwei der vielen theologischen Einzelfragen seien noch in aller
Kürze angesprochen:

1. Muß man nicht die analogia entis in dem Sinn gelten lassen,
daß sie Christus als Schöpfungsmittler zugeordnet wird, so wie die
analogia fidei Christus als dem Versöhner entspricht? Bedeutet es
nicht eine Abwertung der fides, wenn sie dem (in Christus gefaßten
!) Menschseinebenso zugeordnet wird wie der Versöhnung''. So
daß wir gerade der fides die analogia entis schulden? So fragt vor
allem von Balthasar (bei Kreck S. 150ff). Nun spricht Barth aber
nicht von einer allgemein menschlichen fides. Wohl für den geschöpflichen
Bereich von einer analogia relalionis, die er aber noolo-
gisch der fides und nicht dem esse zuordnet (KD 111,2). M. E. hat er
damit der Geschöpf lichkeit wie der fides Genüge getan. Als Christus
als dem Schöpfungsmittler entsprechender noologiseher Begriff eignet
sich derjenige der analogia ontis jedenfalls schlecht. Man müßte
sich dafür auf einen neuen Begriff besinnen-den wir wohl längst
gefunden hätten, wenn er sich von der Bibel her nahelegen würde.

2. Vielleicht tun wir uns mit dem Verhältnis von (ewiger) Erwählung
und (zeitlicher) Versöhnung und der Befürchtung, daß die
orstoro der letzteren in unbiblisehor Weise konkurriere, zu schwer
(vgl. bei Kreck S. 222ff). Kreck sieht, daß für Barth unabdingbar
beides je einen Pol verkörpert und somit beidos fest aufeinander
bezogen ist. Die ewige Erwählung drängt, in die Zeit. Die in der Zeit
geschehende Versöhnung gewinnt Ewigkeitsqualität. Darf hier
nicht als Verstehonshilfe einmal schlicht das (Jleichnis vom Turmbau
(Lk 14,28) berufen werden: Planung und Ausführung proble-
matisieren einander im menschlichen Alltag grundsätzlich nicht.
Sollte das bei Gott so anders sein? Gab es vor Grundlegung der
Welt nichts zu planen und nichts zu sichern? Wenn doch, ficht das
die Setzung in der Zeit an, oder schmälert os im geringsten deren
Geltung? Wäre dio Sendung des Sohnes als Gottes Einfall in der
Not größer? Und: Wäre dio Erwählung Jesu Christi ohne dessen
Bewährung bis zum Tode am Kreuz einen Holler wert?

Noch eine Bemerkung zur Form des Buches: Es hängt mit dem
einführenden Charakter bzw. der pädagogischen Art des Autors
zusammen, daß er den Loser nicht mit Vielerloi erschlägt. Wie
Barth exemplarisch zur Sprache kommt, so auch dessen Gesprächspartner
und Kritiker. Das bedeutet ein sparsames Maß an Fußnoten
. Der Barthsche Faden, dem Vf. jeweils folgt, wird exakt
dokumentiert. Daneben kann Kreck indes auf Barthscho Dikta
Bezug nehmen, ohne sie zu belogen (gehäuft etwa S. 180ff). Tst das
ein Mangel ? Oder darf man sagen: Was hier an „Wissenschaft]ich-
keit" jedenfalls nicht übertrieben worden ist, das wächst dem Buch
an menschlicher Qualität zu?! Nicht das Buch eines Theologen,
der sich zu profilieren sucht. Sondern der viel zu zeigen hat und das
mit der Umsicht des erfahrenen Lehrers besorgt. Und der nicht
aufgehört hat zu fragen und der mit seinen Fragen dorthin strebt
und sich darauf konzentriert, WO Entscheidungen fallen.

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Adler, Ocrhnrd: Wiedergeboren nach dem Tode? Die [dee der l!c-
inkarnation. Frankfurt/M.: Knecht [10771. 191 S. 8°.

Zwei Gründe sind es vor allem, weshalb die vorliegende „kurze
Einführung und Materialsammlung" (13) zur Idee der Reinkarna-
tion auch seitens der evangelischen Theologie Beachtung verdient:

a) Sie vermittelt - angesichts notwendiger Beschränkung gut ausgewählt
- grundlegende Informationen über die typischsten und
wirkungsträchtigsten Ausprägungen der Wiedergeburtsvorstellungen
in ihrem jeweiligen geistesgeschiehtlichen und weltanschaulichen
Kontext. Dabei trägt der Vf. in dor Regel keine eigenen
Forschungsergebnisse vor, sondern referiert zusammenfassend
Literatur.

b) Der zweit«, gewichtigere Grund ist in Denkanstößen, in Fragen
nn die großkirehliche Theologie zu sehen.

G.Adler (röm.-kath.). bekannt durch mehrere Veröffentlichungen
aus dem Bereich der „Grenzgebiete", möchte Kirche und
Theologie zur Uberprüfung eigener Positionen, zu vorurteilslosem
Ernstnehmen der Außenseiter und damit zur theologisch qualifizierten
Arbeit an den gestellten Fragen anregen.

Die Idee der Reinkarnation war und ist - der Vf. schreibt ausdrücklich
mit Blick auf die „westliche" Welt - von zunehmender
Relevanz in kirchlichen Randgruppen und in religiösen Gemeinschaften
. Demgegenüber wird sie „von den Fachvertretern der
Philosophie und Theologie nicht sonderlich ernst genommen" (13).
Dieses Mißverständnis und seine mögliehen wie tatsächlichen
Konsequenzen sollen bowußt gemacht werden.

Nach der Einführung „Zur Aktualität des Themas" werden im
ersten Hauptteil (25-80) die „Geschichtliche Entwicklung und
Verbreitung dos Gedankens" in den Grundzügen nachgezeichnet
(„Indische Geisteswelt; Europäische Antike; Verbreitung in anderen
Kulturkroisen"). Auf eino „Zwischonüberlogung" folgt der
zweite, trotz gewisser journalistischer Elemente wissenschaftlich
wertvolle Teil „Dio Reinkarnationsidee heute" (08—108). Zunächst
werden unter der Überschrift „Hypnoso, Trance, Parapsyohologic"
einige Modello und Theorien aus diesem Raum - teilweise verhältnismäßig
breit - vorgeführt (E. Cayco; A. de Rochas: G. Oermi-
nara; M.Bernstein; Th. Dethlefsen; J. G. Pratt u.a.). Der Vf.
unterstreicht mit Recht, daß einer empirisch arbeitenden Forschung
Grenzen gesetzt sind bzw. daß sie von Fall zu Fall von weltanschaulichen
Vorentscheidungen beeinflußt wird. Das Kapitel
„Spiritismus und Spiritualismus" beschränkt sich im wesentlichen
auf Allan Kardec und für dio neuere Zeit auf Karl E. Mullor, eine
Auswahl, die in diesem Rahmen akzoptabel erscheint. Unter der
Überschrift „Theosophie, Anthroposophie und Christengemeinschaft
" werden Annio Besant sowie Dr. Rudolf Steiner und ihre
jeweiligen Umkreise dargestellt. Dabei kommt die Christengemeinschaft
, bedenkt man ihre geistigen Potenzen, zu kurz. Tn einem
letzten Kapitel „Neu-Offenbarungen" wird nach Informationen
über kosmische Weltschau und Itoinkamntionsvorstellungen einer
momentan recht aktivon außorkirchlichon Gruppierung („Goint.ipo
Loge") auch dio Wiedergoburtslehre einer ehemaligen innerkirch-
lichon Gruppierung („Horpeniten") mit don sich daraus ergebenden
Fragen kurz gestreift. Bemerkenswert ist der Schlu ßtoil ..Weltanschauliche
Grundprobleme", dem eino kurze, instruktive Bibliographie
(leider kein Namensverzeichnis) folgt.

In 10 Punkten legt der Vf. abschließende Ergebnisse dar und ist
bemüht, „die weltanschauliche Relevanz einzelner Aspekte bewußt
" zu machen (171). Hier ergibt sich eine Reihe interessanter
Fragen. Sie kreisen primär um Probleme der Anthropologie und
Soteriologie, erstrecken sich aber auch auf Einzelfragen, beispielsweise
auf eine mögliche neuo Sicht der Lehre vom Fegefeuer.
Wichtige Ursachen für dio wachsende Attraktivität von Roinkar-
nationsvorstollungen sieht der Vf. u. a. in der Krise kirchlich-
theologischer Anthropologio, vor allem im Vordringen der Ganz-
fod-Theorie (ev. Raum) bzw. der auch im katholischen Raum spürbaren
Tnfragostellung des anima-separata-Modells. „Offenbar wird
das großo Bedürfnis nach Deutung unserer Existenz jonseits des
Todes in den Kirchen nicht hinreichend befriedigt. Der Zulauf zu
den weltanschaulichen Angeboten östlicher, okkulter und spiriti-
stisch-spiritualistischer Provonienz wird dadurch mitbodingt, daß
die Großkirchen einem so elementaren Bedürfnis heute nicht gorecht
zu werden vermögen" (19). Hier bieten die diversen Reinkar-
nationsmodelle Antworten an, welche die postmortale Existenz
sichern und gleichzeitig viele Probleme des individuellen Schicksals
sowio des allgemeinen Weltverständnisses lösen. Die Beachtung
, welche seitens der röm.-kath. und der evangelischen Theologie
der Reinkarnationsidee bisher geschenkt wird - dor Vf. zitiert
Karl Rahnor und Adolf Köberlo - steht in keinem ausgewogenen
Vorhältnis zu ihrer tatsächlichen heutigen Relevanz, die nicht zuletzt
von kirchlich-theologischem Gewicht ist. Der Vf. läßt dies
nicht nur deutlich werden, sondern belebt gleichzeitig den notwendigen
ernsthaften Dialog.

B*Be (Buh) Ratmnt Otat