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Ausgabe:

1980

Spalte:

630-631

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Titel/Untertitel:

Konturen heutiger Theologie 1980

Rezensent:

Beintker, Michael

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029

Theologische Literaturzeitung 105. Jahrgang 1980 Nr. 8

not lugt dor Erlangor Byrtfflwatike« W. Joost eine Leihe seiner Aufsätze
und Vorträge gesammelt vor. .Nach dem Vorwort möchte er
sie jedoch allesamt als Beiträge zu dem sog. „christologisehen Ver-
uiittlungsproblem" gelesen wissen: als „Ansätze" auf dem „Weg",
„die ,Saabs* des biblischen (Jhristuszougnisses in den Horizont der
Gegenwart hinein so auszulegen, daß sie in ihrer unverfügbaren
Identität und in ihrem Au-Gehen au den Menschen dieser Gegenwart
zugleich zur Sprache kommt" (0). Nun, meine ich, kann die
Aufgabe aller Theologie in der Tat mit dem christologisehen Thema
beuaimt werden; zu denken ist, was im Blick auf Gott und im Blick
aui den Menschen die These besagt, dali letztlich die Bestimmung
„wahrer Gott" mit der andereu „wahrer Mensch" so identisch ist,
dali in solcher Identität zugleich beide, Gott und der Mensch, zu
ihrer wahren Selbständigkeit kommen. Unter dieser Fragestellung
können sicherlich alle Ausführungen des vorliegenden Bandes sowohl
zum „hormeneutischou Problem" wie zur Gotteslohro und
zur Chnstologio, aber auch zur Anthropologie und Ethik geleseu
werden.

Violleicht ist es keine chronologische Zufälligkeit, daß sich der
Eingangsartikol mit dem theologischen Porsonalismus und Existentialismus
auseinandersetzt; denn er bezeichnet recht genau Joests
eigenen Standort: In der dezidierten Zustimmung zu dem persona -
listischen und oxistontialistischon Programm, wonach dor Glaube
zu verstehen ist „als persönliches Verhalten zu dem Gott, dessen
Solbstorsohließung je mich in meiner Existenz als Person angeht"
(22), intendiert Joest, diesen theologischen Ansatz über seine Verengung
hinauszuführen oder, anders gesagt, ihn zu modifizieren
und seinerseits zu begrenzen (23.20). So wendet er sich überzeugend
gegen die Abstraktion, die „Porsonsein" und „Existonz" des
.Menschen von dessen geschichtlich-gesellschaftlicher Situation und
von seinen wolthaften Taten absondort; so hält er zu Kocht fest an
dem Thema (das er in weiteren Aufsätzen ontlältot): „Gott der
Schöpfer und der Kosmos", Gott und dor „protologisehe . . . Ursprung
des Menschen mit der Welt'' (133). Ereilich so problematisch
geraten seine Behauptungen auch, wenn er gegen ein relationales
Verständnis der Boziehung zwischen Gott und dem Glaubenden
die pure Passivität des Gottosverhältnissos (25. 32) und das ,1'reie
Herr-sein' Gottes (25-28) ausspiolt. Denn behauptet man, Gott
habe noch „unser oigones Verhalten zu ihm . . . vorgegeben" und
,gesetzt' (32), und dies bedeutot „nicht weniger als dio Aufhebung
des Solbst-Standes unserer Persongegonübor Gott" (33; cf. 34.42),
wie kann dann sinnvoll gesagt werden, jene Antwort sei meine
Antwort, die Antwort meines Glaubons, und was bewahrt dann vor
der auch von Joest abgewehrten These, der Mensch sei im Gottes-
verhältuis blotl „Objokt" (32)? Soll dio Eeststollung, wonach „das
Solbstmißvorständnis der von Gott abgekehrten Existenz . . . sehr
wohl so weit gehen" kann, „daß die Amedo des Wortes . . . als
schlechthin fromd uud uninteressant empfunden wird" (391' Anni.;
<•!'. dagegen 421), wirklich prinzipielle Bedeutung für die Theologie
haben'.' Wie soll es in solchor totalen Erouidheit vom einzclnon je
zu vorstehen sein; wie kann, bei Geltung der zitierten Aussage,
überhaupt von dor Sünde als „/i'eMwJnnßvorständnis" gesprochen
werden 1

Dio drei Aufsätze zur „existentialen Interpretation", zum „hor-
nionoutischen Problem" und zur „Transzendenz Gottes" suchen
umsichtig und wohltuend unpolomisch dio Konzeption Bultmanns
und seiner Sehlde unter der Alternative zu sichten: Gott „ab
oxtra" für (!) den Vollzug von Existonzverständnis oder als (!)
dosson Vollzug (57f)! Damit ist sicherlich eine Unklarheit der Bult-
mannschen Theologie bezeichnet; unnötig zu sagen, daü Joest
selbst nur den ersten Teil dieser Alternative für legitim hält.

W ohl am nächsten kommt Joest dem oben skizzierten christologisehen
Thema - nicht eigentlich in dorn explizit christologisehen
Artikel, in welchem er (mit E. Jüngel) „das Anbogen der Naturen-
ohristologie durch eine Relationschristologie zu interpretieren"
(105) unternimmt - sondern dort, wo er (mit K. Barth, im Widerspruch
zu Luther, aber auch in erstaunlicher Nähe zur amerikanischen
Prozeß-Theologie) den „Allmacht"-Willen Gottes verstehen
lehrt als den „unbedingte(n) Willen der leidenschaftlichen, darum
auch leidousfähigen, an der Sündo des Menschen leidenden und
gegen sie in äußersten Widersprueh tretenden, aber nicht aufgebenden
, sondern durch allen Widerspruch durchbrechenden
Liebe" (151). Er trifft jenes Thema ebenso, wenn er in der programmatischen
Abhandlung „Das Gebot und die Gebote" alle
Gebote dor Ethik auf das eine Gebot der Liebe bezieht , damit dieses
seine inhaltliche, geschichtlich-institutionelle Bestimmtheit
erhalte (80-88).

Kurz: eine durchaus sympathische Theologie stellt sich in diesem
Band vor, der mau mir wünschte, sie möge sich in zuuehmen-
der Klarheit weiterentwickeln.

iluiiiburg Xraugutt üocli

Uhler, Gottfried) u. Gabriele Miller [Ihsgg.J: Kuiilurrn heuligt-r
Theologie. H orkstattborichte. Entführung v. A. Exeler. München
: Kösel-Verlag [1970J. 328 S. 8 . DM 24,-.

Diese „Workstaltberichto" entstammen der vorbereitenden Arbeit
auf ein neues katholisches Glaubensbuch für junge Erwachsene
, dessen Abfassiuig dor Vorstand dos Deutschen Katecheten-
Vereins im Jahre 1975 beschlossen hatte. Wie Adolf Exeler in der
Einleitung (7-20) ausführlich darlegt, entschloß man sieh vor der
eigentlichen Erarbeitung des Glaubousbuches zu einer sorgfältigen
Erkundung lies gegenwärtigen theologischen Gespräehsstaudes.
So wurden z. T. namhafte katholische Theologen um „Expertisen"
gebeten, in dunen sie darstellen sollten, was aus der Sieht ihres
Arbeitsgebietes im späteren Glaubensbuch berücksichtigt worden
müßte. Das Ergebnis bilden die vorgelegten „ Werkstattberichto" -
knappe, übersichtliche Skizzen der neueren theologischen Diskussion
, geschrieben nicht im Stil schwerfälliger, ausufernder Forschungsberichte
, sondorukonzentrierter Problomanzcigen. Wesentliche
Einsichten der heutigen Theologie kommen zur Sprache, hinter
dio man in einem Olauboiisbuoh nicht zurückgehen sollte; der
Versuch wird gemacht, angesichts der Pluralität theologischer
Meinungsbildung Hinweise auf einen sich abzciclinouden Konsensus
zu geben (8). Damit worden Oriontierungen vermittelt, dio das
gegen« artige theologische Gespräch wirklieh ernst nehmen und die
sich dann insofern auszahlen könnten, als heterogene theologische
Positionen innerhalb eines Glaubonsbuchos zumindest schrittweise
abgebaut worden könnton. Charakteristisch für das Vorgehen dor
einzelnen Autoren ist oine Bemerkung von Johannes Brosseder,
der in seinem Beitrag „Zur Theologie dor Kirche" (23711) einen
„Problomkatalog" anstrebt, „dor erfassen soll, was unbedingt berücksichtigt
worden muß, wenn in einem Katecliismus das Thema
.Kirche' behandelt wird" (237).

Dio Beiträge sind im Bereich der systematischen Theologie angesiedelt
. Erkoiuitnisso der biblischen und historischen Theologie
wurden bis auf den Aufsatz von Meinrad Limbeck „Zum Gottesbild
der Bibel" (14411) nicht eigens thematisiert, bestimmen aber
hintergründig das Profil dor Darlegungen mit. Vier fundainonlal-
thoologische Boiträge stohen am Anfang: Anthropologie (Peter
Eiehor, 2111), „Soziale Erfahrung und dio Sprache des Glaubens"
(Ottmar Fuchs, 4511), „Erfahrung und Glaube" (Bernhard Groin,
5911), Keligioneu und Christentum (Bernhard Uhdo, 82ff). Nach
Darstellung dor gegenwärtigen Sehöpfungslehre (Walter Kasper,
92fl ) folgen drei Beiträge zur Gottesfrago (Peter Eiehor, Heinrich
Fries, Meinrad Limbeck, 10811), unter denen Peter Eiehers Aufsatz
„Offonbarung. Zur Präzisierung oinor überstrapazierten Katego-
rio" (108ff) besondere Beachtung verdient. Drei weitere Aufsätze
sind den Fragen der Christologie und Soteriologie gewidmet (Arno
Sehilson, Gottfried Bittor, Gisbert Groshake, lOlff), je zwei Beiträge
befassen sich mit der Eschatologie (Gisbert Greshake, Franz-
Josef Nocke, 203ff) und dor Ekklosiologie (Johannes Brosseder,
Johaimes Nouiuann, 23711), gefolgt von den Themen Sakramenten -
thoologie (Arno Sehilson, 27911) und Eucharistie (Theodor Schneider
, 294ff). Ein abschließender Aufsatz befaßt sich mit den „Tendenzen
heutiger theologischer Ethik" (Alfons Auer, 308ff).

Verständlicherweise unterscheiden sich ilie einzelnen Beiträge
hinsichtlich ihres Problemniveaus, hinsichtlich des Vermögens der
einzelnen Autoren zu tatsächlich angemessener Problemdarstellun^
und selbstverständlich auch im Blick auf die Wertung heutiger
theologischer Tendenzen. Was sie miteinander verbindet, ist das
Bemühen zu situationsbezogoner und dabei ihrer Verantwortung
bewußt bleibender Theologie. Auffällig ist die starko Dominanz des
iuduktivou Ansatzes und das wiederholt feststellbare Bestreben,