Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1980

Spalte:

628

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Autor/Hrsg.:

Keller, Hiltgart L.

Titel/Untertitel:

Reclams Lexikon der Heiligen und der biblischen Gestalten 1980

Rezensent:

S. B.

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

027 Theologische Literatn Weitung 105. Jahrgang 1980 Nr. 8 028

einer allerdings anderen Barttraeht des ersteren. Dieser Typus des
kurzbärtigen Christus mit dem zum größten Teil auf die linke
Schulter fallenden Haupthaar findet sich schon heim Standbild des
Maussolos in London (G. Lippold, Die griech. Plastik. T. 93.2;
S. 257). - Nr. 3: Ob man die Identifizierung des jungen Heiligen
links von Maria mit dem hl. Georg nur auf statistisches Material
von Elfenbeinen stützen kann, erscheint mir fraglich. Die „individuellen
Züge" weisen m. E. eher auf den hl. Demetrios (vgl. auch
Wellen. Theotokos. S. 204: Myslivec. LChT 6.41-45). Dieser Solda-
tonhoilisre spielte schon während der Sklaveneinfälle im 6. Jh. in
Byzmiz eine wichtige Rolle. Über Auffindung seiner Reliquien unter
.Tustinian und Maurikios gibt es eine orientalische hagiographi-
sche Tradition (BHO. Nr. 240: Synaxarium 0P. Sp. 102.37). -
Nr. 4: Unter den ..Nachfolgerinnen" der ..Virgin of Intereession"
sollte nicht die „Bogoljubskaja" aus dem 12. Jh. übersehen werden
, die auf dem oberen Felde eine Deesis-Gruppo führt. Zum ganzen
Komplex der „Paraklesis" s. jetzt E. S. Ovcinnikova, Moskov-
skij variant „Bogomateri Bogoljubskoj". Drevenerusskoe Iskusst-
vo. Moskau 1975, 343-353. Obwohl selbst nicht Teil einer Deesis-
Gruppe, wie W. zu Recht betont, könnte diese Tkone ein wichtiges
Glied in der Entwicklungskette zur frühen Deesis sein, um so mehr,
als sich im Sinai-Kloster eine erste Mosaikdarstellung derselben
findet (vgl. J. Myslivec. Proischozdenie „Deisusa". Vizantija. JnS-
nye Rlavjane i Drevnjaja Bus. Zapadnaja Evropa. Sborn. statej v
cnst' V. N. Lazareva. Moskau 1073. 50-03). - Nr. 15: Hinsichtlich
der unbekannten Heiligen neben dem hl. Piaton auf der Kiever
Ikone wäre zu bemerken, daß der letztere nach einer syrischen
Tradition wie Maria Magdalena seinen Dies natalig am 22. Juli
feiert (Synaxarium DP. Sp. 000). Ob sich dieso gestaltikonogra-
phisch mit der Heiligen auf der Ikone identifizieren läßt, bleibt
allerdings offen. - Nr. Iß: Für die Erklärung des ..Christ of two
manifestations" läßt sich auch die von W. S. 20 orwähnte Topik
des ,,Kindgreises" heranziehen. - Nr. 36: Wie auf dem Kreuzi-
sungsbild des Rabulas-Kodex spielen die Soldaten nicht Würfel,
wie W. meint, sondern die römische ,,mora". Im übrigen wird, soweit
ich sehe, eine bestimmte ikonographische Besonderheit auf
dieser Tkone übersehen. Der nach .Toh 10,34 aus der Pleura Christi
schießende Blut- und Wasserstrahl wird zum reinen Wasserstrahl,
nachdem er einen, dio Maria-Ecclesia umgebenden Felsen durchdrungen
hat, der als Fels der „kataphyge" auch Johannes und die
beiden Schacher umgibt. Im Gegensatz zum Blut-Wasser-Strahl
(vgl. LChT 2,613) ist mir dieses Einzelmotiv in der Kreuzigungsikonographie
unbekannt. Es handelt sich dabei ohne Zweifel um
eine komplizierteMystagogie, die sich an Joh 10,34; 7,38; lKorl0,4
(Ex 17,4-7; Num 20,8-0) orientiert und folgende Identifikationsreihe
beinhaltet : Fels = Christus. Stab des Mose=Lanze des Soldaten
. Blut-Wasser-Strahl = Taufe und Eucharistie. Wasserstrahl
= Taufe (vgl. das von Danielou ausgebreitete Material in seinen
Artikeln „Exodus" und „Fels". RAC 7.33ffu. 723-732. Der Sinai-
Horob-Felsen spielt in den frühchristlichen Ttinerarien und bei
Kosmas Tndikopleustes eine wichtige Rolle. Auf der Tafel ist nicht
deutlich zu erkennen, ob die Maria-Ecclesia in ihrer Rechten eine,
den Wasserstrahl auffangende Phiole hält. Während die byzantinische
Mystagogie des 8. und 0. Jh. Joh 19.34 nur noch auf die
Eucharistie anwendete, scheint das hier in Frage stehende Felsmotiv
auf eine ältere orientalische Tradition hinzuweisen. - Mysta-
gogische Reflexionen zeigen auch die Geburtsikonen von Nr. 11
und Nr. 45. Während die erstere noch den Altar der Geburtshöhlo
von'Bethlehem zeigt, sehen wir auf der zweiten hinter ihm die hl.
Höhle selbst, wie sie fortan nach Verlust der hl. Stätten in Jerusalem
und Palästina die byzantinische Geburtsikonographie beherrschen
sollte (ausführlich bei K. Onasch. Das Weihnachtsfest im
orthodoxen Kirchenjahr. Berlin 1058). - Nr. 51: W. hält den de-
iktischcn""Gestus des Johannes auf dieser Kreuzigungsikone für
anical und nimmt'an. daß ihn der Maler von der Gestalt desLongi-
nus übernommen hat. Läge es nicht näher, den Fniflwzeigegestus
aus dem 77<rw7zeigegestus entwickelt zu sehen, wie wir ihn aus dem
O.'.Th. auf dem Kreuz der Theodelinde und dem vatikanischen
Reliquienkästeheffl (vgl. auch Abb. 14) vorfinden? Der deiktischo
Gestus'nimmt Bezug auf Job 19.35. eine Stelle, die ihrerseits, wie
wir sahen, mit Joh 19.34 in engstem mystagogischen Zusammenhang
steht (s. auch A. Orillmeier. Der Logos am Kreuz. München
1056, 120). Im übrigen hat man den Eindruck, daß der Maler die

schwierige Aufgabe, einen alle Extremitäten umfassenden Bewegungsvorgang
darzustellen, nicht bewältigen konnte. - Zum Schluß
soll wenigstens auf ein Beispiel für die vorbildlichen Analysen W.s
hingewiesen werden: Nr. 58 die Darstellung König Abgars mit der
Aeheiropoietos Christi, wobei das Porträt Abgars identisch ist mit
dem des byzantinischen Kaisers Konstantin VII. Porphyrogenne-
tos. Vielleicht hätte der Hinweis auf die Rückführung des Bildes
unter diesem Kaiser etwas mehr zeitgeschichtliches Kolorit bekommen
, wenn auf die Rückeroberung des Enphrat- und Tigrisgebietes
durch die Byzantiner in dieser Zeit hingewiesen worden
wäre (vgl. G. Moravcsik, Byzantinoturcica 1. 357. 361). Für die
Cosf altikonographio dieser Aeheiropoietos ist die Tatsache, daß auf
ihr der Halsansatz Christi im Gegensatz zur Abgarlegende und den
sonstigen Denkmälern erscheint (s. K.Wessel. RBK 1. 28). nicht
unwichtig.

Wie die Bereitstellung eines verläßlichen Textes dio Grundvoraussetzung
für seine Interpretation bildet, so die Herkunfts- und
Datierungspräzisierung und die auf ihnen beruhende Stilanalyse
der byzantinischen Sakralmalerei für ihre im weitesten Sinne theologische
Hermeneutik. Ilm so mehr, als die komplizierten Zwischen beziehungen
zwischen einem dogmatischen, hagiographischen und
heortologisohon Text und seinem Bild in ihren erkenntnistheoretisch
-ästhetischen Implikationen zum Wesen der byzantinischen
Kirchenkunst gehören. Der nicht zuletzt auch erzieherische Wert
der nüchternen Darstellung W.s besteht darin, daß für die byzant inische
Ikonenmalerei notwendige mystagogiseh-theologischo Deutungen
vor eilfertigen~unhistorischen „ikonosnphischen" Spekulationen
bewahrt werden.

TInllo (Saale) Rnnrari nimvli

Keller, Hiltgart L.: Reclams Lexikon der Heiligen und der biblischen
Gestalten. Legende und Darstellung in der bildenden Kunst. 4..
dnrehges. u. ergänzte Aufl. Stuttgart: Beclam jnn. (1979"!. 592 S.

«**kl. 8°. Lw. DM 28.80.

Mit dem handlichen Buch soll Kunstliebhabern und Kunsthistorikern
, aber auch einem weiteren historisch oder theologisch interessierten
Leserkreis ein leicht benutzbares Nachschlagewerk für
unterwegs und für dio Arbeit am Schreibtisch zur Verfügung gestellt
werden. Diese weitgespannte Absicht ist in hervorragendem
Maße gelungen. Der umfangreiche Stoff der christlichen Ikonographie
und Symbolik wird zunächst alphabetisch aufbereitet
(Vita ; Angaben zur bildlichen Darstellung, vorwiegend die wichtigsten
und frühesten Werke im deutsehen Sprachbereich: teilweise
Speziallitoratur). Tm Anhang werden dem Benutzer weitere
gut eHilfen für die Identifizierung von biblischenTersonen, Heiligen
oder dargestellter Szenen (Verzeichnis der Attribute, der Fachausdrucke
, der Tracht in den Darstellungen. Svnopse der biblischen
Bücher nach der Übersetzung Luthers und der Vulgata. ein
kalendarisches und ein alphabetisches Verzeichnis der Heiligen-
feste und Gedenktage), sowie" relativ umfangreiche Literaturhinweise
geboten. Tn der 4. Aufl. (1. Aufl. 1068) sind neue Forschungsergebnisse
und die Veränderungen"'im Heiligenkalender
durch das Vaticanum II eingearbeitet worden. Tn einzelnen Fällen
befriedigen dio Angaben zur Vita (z. B.'302 Nimrod auch als Typus
des Tyrannen; 455 Seuse: Mahnung zur'Leidensbereitschaft und
nicht allgemein zur Geduld) und zur Spezialliteratur (z. B. 172.414:
Paulus) noch nicht ganz.

s. n.

Systematische Theologie: Allgemeines

Joest, Wilfried: Gott will zum Menschen kommen. Zum Auftrag
der Theologio im Horizont gegenwärtiger Fragen. Gesammelte
Aufsätze. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht [1977]. 108 S.
gr. 8°. Kart. DM34,-.

Unprätentiös schomatisch gegliedert in zwei Hauptteile („LPre-
spektiven"; „TL Konkretionen") und darin chronologisch angeord-