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Ausgabe:

1980

Spalte:

622-623

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Hubbeling, Hubertus G.

Titel/Untertitel:

Denkend geloven 1980

Rezensent:

Daewel, Hartwig

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Theologisohe Literaturzeil uu„ 105. Jahrgang 1980 Nr. 8

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Entwicklung nach IMS und speziell „die Erklärungen und Briefe
dos Kalos der EKiD zur Entnazifizierung" (55).

Von kritischer Sicht B.s ist bei T. 11. Peters (Jenseits von
Radikalismus und Kompromiß. Dio politische Verantwortung dor
Christen nach Diotrioh Boidioeffer, 94-115) nichts zu spüren. Er
hat sie auch schon au audoror JStelio artikuliert (Die Präsouz des
Politischen in der Theologio D. Bonhoefi'ors, 1976). Für ihn ist dio
dem dritten „Ethik"-Ansatz ontstauiinende Formel „nicht nur
ans biographisch-historischen, sondern auch aus zoitgeschichtlich-
gegouwartsbozogenen Gründen" wichtig: iu ihr „steckt der Protest
gegen jeuen vielleicht gerade heute wieder zu beobachtenden
Maugel au tätiger Verantwortung, der noch immer in die Ango-
palithoit und Subalternität und don oxtremen Oogonsohlag: in
Fanatismus uud militante Wirkliciikoitsverneinung zu lühron
drohte" (94). In seiner Absohl ußthose piädiorte Beters mit B. für
dio „Kouiproiuilllosigkeit eines autheutischon Christentums", zu
der u. a. „Unabhängigkeit von Privilegien und materiellen Konsum
" und „gelobte (Solidarität" gohörou (113).

.Noch molir Einverständnis mit B. spricht P. E. Lapide aus, der
sich nicht des Eindrucks orwehron kanu: „Hier wurde oiu christlicher
Theologo unter don brutalou Schlägen oiues Judenschicksals
zum jüdischen Donkon und zu judäo-christlichon Olaubenstruk-
turon bokohrt. Unter dor l'oitscho dos Heidontorrors, in Angst und
Judonnot, Helen dio Schalen des Holleuismus wie Schuppen von
«einen Augen, und B. tastete schrittweiso seinen Weg zurück zum
ursprünglichen GlaubeuBkem Israels." (120). -

Zwei abschließende Bemerkungen: (1) H. Müller hat schon vor
über zwanzig Jahren dio Seiten B.s herausgestellt, die auch in
diesem Band kritisch geschon werden (Von der Kirche zur Welt,
-1966, 2751Y, 354ff). B.s Ecken uud Kanten sollten nicht beschönigt
, aber im Zusammenhang gesehen werden, wie Müllor es soiner-
seits und v. Thadden und Schellong es ihrerseits tun. (2) In den
vier Vorträgen geht es um das Verhältnis zwischon dem westdeutschen
Protestantismus und B. Gewiß funktionierte einige Jahre
nach dorn Kriegsonde dio EKiD, aber bald waren die unterschiedlichen
Entwicklungen im Protestantismus beider doutschcr Staaten
nicht mehr zu üborsohen. Das Iießo sich auoli in oiner Studie
über dio Rozipierung B.s in don evangelischen Kirchon dor DDK
sichtbar machen. Als Titel für eino solche Studie schlage ich bis
zum Bowois dos Gegenteils vor: „Wegweisendos Erbe".

TcUtow .Uurtiu Kuake

Mryfarl, Johann Matthäus: Tuba Novissiina. Das ist von den vier
letzten Dingen des Menschen 1626. Mit einem Anhang: Ausgewählte
Stücke aus Meyfarts Schriften. Hrsg. v. E. Truntz.
Tübingen: Niomeyer 1980. XII, 119 Faks. S., 109* 8. 8° =
Deutsche Neudrucke: Reihe Barock, 26. Lw. DM 48,-.

Mit doni Neudruck des borühmton Prodigtzyklus über dio
„letzten Dingo", von dorn houte noch vor allem das Gosangbueh-
lied „Jerusalem, du hochgebaute Stadt" („Jubelgesang" vom
Abschluß dor dritteu Prodigt) in Erinnerung ist, hat Truntz ein
zweitos Moyfartwerk für wissenschaftliche Übungen zum Barock
und zur lutherischen Orthodoxio (Bd. 25: Toutscho Ithotoricu.
1977) zur Vorfügung gestellt. Im Anhang an die fotomechanisoho
Wiedergabe dos Predigtzyklus bringt der Hrsg. ausgewählte
Stücke aus weiteren Moyfartschriften (u. a. Schriften gegen die
Hexenverfolgung von 1635, Studionroformschrift von 1636). Im
Kommontartcil skizziert er Meyfarts Loben uud Werke, verzeichnet
Druckfehler und undeutliche Stellen sowie lateinische Abkürzungen
dor biblischen Büohor, gibt ausführliche Wortorläuteruugen
und eine Interpretation des beigefügten Kupferstich-Porträts
(Johann Dürr). Ein Rückblick auf dio vorliegenden 27 Bändo dor
Keiho „Barock" und ein Register schließen den gut ausgestatteten
Band ab. In dor rocht flüssig zu lesenden biographischen Skizze
stellt Truntz vor allem Meyfart als besten Vortreter der rhythmischen
Prosa zwischen Luther und Klopstock und als unerbittlichen
Kritiker dor Fürsten und ihrer Beamten (Hexenprozessc, Bauorn-
bodrückung) heraus. Dio Darstellung der historischen Situation
wünschte man sich teilweise etwas differenzierter (Simplifiziorun-
gen: 54*). Der Anteil der Khetorik an den kulturkritischen Situa-

tionaschilderungon, don schon H. Leube horvorhob, wird zweifellos
unterschätzt. Die Ouellonpublikalion könnte dazu beitragen, einer
häutig noch zu einsoitig negativen Sicht dor lutherischen Orthodoxie
entgegenzuwirken. Kür die notwendige neuo Aufarbeitung
der Erbauungsliteratur ist dio einflußreiche Moyfartsohrifl gleichfalls
eino wichtig« Hilfe.

«. u.

Philosophie, Reiigionsphilosophie

Ilubbcliiig,ll. G.J Denkend Gelovcn. Lileidung tetdo Wijsbegeert«
van de Godsdicnst. Assen-Amsterdam: van Gorcum 1976.14') S.
8° — Torreim'crkeiuiingon in de Filosofio, 2. hfl. 19.50.

.Vngosichts des gegenwärtigen Interesses an einer neuen kritischen
Orientierung übor dio verschiedenen Religionen wird das
Fehlen oinor kleinen Einleitung in dio Keligionsphilosophio in den
Niederlanden als besonderer Mangel empfunden. Diesem Mangel
möchte H. abhelfen. „Denkend goloven" ist godacht als Lehrbuch
an Universitäten, als eino erste Einleitung in das Gebiet der
Reiigionsphilosophie.

Kap. 1 (Off) beschäftigt sich mit Begtilf uud Aufgabenstellung
der Reiigionsphilosophie. Sio geht insofern iiber die Religionswissenschaft
hinaus, als sie die Wahrheitsfrago in den Vordergrund
stellt. Dio Religionsphilosophie gibt eino kritische Wertung der in
den Religionen gogebenen Autworten auf letze Fragen (13).

Kap. II bietet eiue historische Übersicht, in der dargestellt
wird, wie Philosophen und Theologen das Verhältnis von Philosophie
und Religion bestimmt haben. Dio unterschiedlichen Möglichkeiten
der Verhältnisbestimmung werdon exempliiiziert an
Anselm, Hegel, Thomas von Aquin, Kant, Kierkegaard, Brunnor
und Barth, Spinoza und Wittgenstein. Als Vertreter einer Philosophie
, die den Glauben widerlegon will, worden Feuerbach, Marx
und Froud genannt. H. räumt ein, daß dio Erklärung des Glaubens
als Kompensation und Projektion zwar plausibel sei, aber auf diese
Weise alles bewiesen worden köimo und somit solcher Argumentation
che letzte Durchschlagskraft fehle (33).

Über religiöse Erkenntnis und das Problem dor Verifikation handelt
Kap. III (34ff). Nach H. muß dio Roligionsphilosophio zwoi
Extreme meiden: Sio kaim nicht endgültig entscheiden, ob eine
roligiöso oder atheistische Aussage wahr oder falsch ist. Andererseits
kann sio auch nicht einem Relativismus verfallen. Sio kann
aber nach H. dio Voraussetzungen verschiedener Positionen zoigon
und mittels vernünftiger Argumentation zu kritischer Besinnung
und Entscheidung verhelfen. Bekehren möchte H. niemanden, sondern
Argumente für dio verschiedensten Standpunkte lioforn, wozu
er sich logischer Systomo bodiont. Doch kann dio Logik mehr
Beweiskraft haben als die Berufung auf persönliche Überzeugung,
wenn sich - so H. - mit Logik alles beweisen läßt ' (Z. B. bietet II.
auch eino mögliche Argumentation für eine atheistische Position,
57.)

Kap. IV (5711) biotot eüio philosophische Gotteslehro und räumt
den Gottosbewoisen großen Raum ein, um der von H. konstatierten
Ronaissauco der Gottesbowciso Rechnung zu tragen. Mit Hilfe
der Logik worden dor ontologisohe, kosniologische und teleologische
Gottesbeweis aktualisiert und für don heutigen Menschen
akzeptabel gemacht. Zwar sieht auch H., daß dio Beweiskraft von
bestimmten Prämissen abhängt, doch erkennt or don Gottes-
boweisen - komplementär zu anderen Argumenten gobraucht -
eino wichtige Funktion zu (73).

Kap. V (8011) ist dor religiösen Welt- und Lobousauschauiiii^
gewidmet. Unter Verwendung umfangreichen roligionsgcschicht-
lichen Materials werdon Unterschiede und Gemeinsamkeiten der
Religionen hinsieht lieh der Gottesvorstellungon, der Relation Gott-
Volk, Gott-Individuum, Zeit und Goschichto dargestellt. In einem
Abschnitt über das Boso bietet H. eino ausführliche Kommentierung
dos Hiobbuchcs. Überbetont wird u. E. der Sinn des Leidens
(= Verlust von Lcbeiimiuantität), der in einem Gewinn von Lebons-
qaalität gesehen wird. Weitere Abschnitte widmen sich den Themen
Krlösung, Eschatologie, Religion und Kultur, Mystik. Mythos,
Opfer, Symbol und Wunder.