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Ausgabe:

1980

Spalte:

620-621

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Titel/Untertitel:

Verspieltes Erbe? 1980

Rezensent:

Kuske, Martin

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Theologische Literafurzoitung 105. Jahrgang 1080 Nr. s

620

kam, wenn er etwa zwischen der inneren (guten) Qualität und der
Konkupiszenz des Ehelebens zu unterscheiden versuchte.

Übrigens hätte sich bei (stärkerer) Berücksichtigung der Predigten
und Briefe des Kirchenvaters vielleicht eine noch stärkere und
schärfere Herausprofiliorung der Erbsündenlehre und der damit
verbundenen Komplexe von Kindertaufe, Ehe und Konkupiszenz
ergeben. Rez. denkt verständlicherweise an Augustins Briefe 189
und 220 an den Comes Africae Bonifatius, in denen die asketisch-
enkratistischen Forderungen eine erhebliche Rolle spielen. Obwohl
- oder weil - die afrikanische Kirche auf Bonifatius militärisch
angewiesen war, empfiehlt Augustinus dem Militärbefehlshaber
den fortwährenden Kampf gegen dio Konkupiszenz und möchte
ihn, in tunlicher Ubereinstimmung mit seiner zweiten Frau, einer
bekehrten Arianorin, ganz zur Enthaltsamkeit in der Eho verpflichten
.2

Halle (Saale) Hans-Joachim Diesner

Literatur - die vorliegende Ausgabe liefert in allen Teilen für die
Erforschung des so wichtigen 4. Jh. dringend benötigte Bausteine -
wird man noch lange gute Tndices guter Ausgaben nebeneinander
benutzen.

Es ist selten, und wird in der patristischen Arbeit- - erstrebenswerte
! - Ausnahme bleiben, daß eine solche Arbeit gleichzeitig mit
der Konstituierung des Textes und alles Vorausgegangene zusammenfassend
geleistet werden kann und mustergültig geleistet wird.

Halle (Saale) Heinz Tlertholil

' Reallerikon für Antike und Christentum (RAC) 0, 19ß(i, 1088-1107: Art.
Evagrius Ponticus.

' Clavis Patrum Graecorum II, 1974, cd. M. Qecrard, Nr. 2430-2462 echte und
Nr. 2465-2482 unechte (Dubiaot Spuria) Werkeinheiten; hier in knappster Furni
die Abgrenzung des neuesten Forschungsstandes.

" Dieser hält Jeder Prüfung stand: nicht aufgenommen sind PlIIIIIIlllh». Präpositionen
, Konjunktionen, Partikel.

1 O. Wormelingor, Korn und Pelagius, Stuttgart 1075 (= Päpst« und Papsttum
, hrsg. v. O. Dander, 7); vgl. ThLZ 102, 1977, Sp. 44f (H.-J. Diesner).

!) S. ep. 220,4; 12; vgl. cp. 189,5; 7. Zu Bonifatius auch: H.-.T. Diesner, Die
Laufbahn des comes Africae Bonifatius und seine Beziehungen zu Augustln
( - Kircho und Staat im spätriimischen Itcich, Berlin '1964, S. 100-126).

ftvagre le Pontique: Traite Pratique ou le Moine. T: Tntroduotion
par A. Guillaumont et C. Ouillaumont. TT: Fdition critique du
text e grec (compte tenu des versions orientales). Traduction,
Commcnlaire et Tables. par A. Guillaumont et 0. Guillaumont.
Paris: Lcs Editions du Ocrf 1971. 772 8., 2 Falttab. 8" =
Sourees Chretiennes, 170 u. 171. ffr 130.-.

Für dio Geschichte des frühen Mönchtums ist der Schüler des
Basilius und des Gregor von Nazianz Evagrius (etwa 345-399),
nach seinem Geburtsland Ponticus genannt, ein Schlüsselautor.
Dio erste Welle der origonistischen Streitigkeiten hat er noch selbst
erlebt. T)ie Verurteilung auf dem 5. ökumenischen Konzil zu Kon-
stantinopel (553, zusammen mit Didymus) hat die Überlieferung
seines umfangreichen, so beliebten wie wirkungskräftigen Werkes
in einen desolaton Zustand versetzt. Wichtigstes Material ist so
mir unter dem Namen unverdächtiger asketischer Schriftsteller
(vor allein Xilus) oder in Übersetzungen aus dem Griechischen
orhalton. Das versprengte Material war zu sichten und neu zu
ordnen; eine abschließende Bearbeitung und Vorlage des Werkes
ist nun von A. und C. Guillaumont mit bewundernswertem Einsatz
in Angriff genommen worden. Die beste Übersicht haben die
Autoren selbst gegeben1. Noch ist os in der Praxis notwendig, in
einem halben Dutzend Mignebänden vorläufige Editionen zu benutzen
. Zum Zeitpunkt orientiert die Bestandsaufnahme in der
Clavis Patrum Graecorum2 mit 32 echten und 17 unechten (Dubia
et Spuria) am besten über den Stand.

In den Sources Chretiennes haben die genannten Autoren dio
Publikation der Werko dos Evagrius mit dem Sentenzenwerk des
Praktikos begonnen: oino Einweisung für Mönche, die Grundbegriffemönchischer
Existenz betonend; hier in der Fassung der vollen
Conturio (die Weiterführung für Fortgeschrittene im Cnostikos
[50 Kapitel] ist nur syrisch erhalten). Für die in knapper, präziser
Form gehaltene Dokumentation der Forschungswege und des
Forschungsstandes sind die 470 Seiten (-f zwei Falttabellen) des
ersten Bandes keineswegs zu viel. Die übersichtliche Gliederung
ermöglicht raschen Zugriff zu jeder benötigten Auskunft über
Editions- und Überlieferungsgeschichto des Werkes - hervorzuheben
sind die mustergültigen Handschriftenbeschreibungen -,
über Gedankenwelt und Sprache des Autors. Der zweite Band
(fortlaufend gezählt, bis S. 772) enthält den Text von Prolog, der
100 Kapitel, und Epilog, der französischen Übersetzung gegenübergestellt
. Kritischer Apparat und Kommentar sind zu Seite
und Kapitel gestellt und bieten das sprach-, begriffs- und forschungsgeschichtliche
Material, gewissermaßen auch die Verzahnung
mit der dem Autor vorgegebenen, gleichzeitigen und nachfolgenden
aksetisch-mystischen Literatur. Tm Anschluß an den
Textteil sind dio Varianten der Versionen, eine Konkordanz zur
Migneausgnbo (PG 40) und ein Tndox3 des griechischen Wortmaterials
gegehen. Bei der Erschließung des Gehalts der patristischen

Feil, Emst [Hrsg.]: Verspieltes Erbe? Dietrich Bonhoeffor und der
deutsche Nachkriegsprotestantismus. München: Kaiser [1979].
135 S. 8° — Internationales Bonhoeffer Forum. Forschung und
Praxis, 3. Kart. DM 18,-.

Dieser Sammelband ent hält bis auf zwei Beit räge (P. E. I,apide,
Bonhoeffer und das Judentum; Notizen von E. Lange zu einem
geplanten amerikanischen Bonhoeffer-Film, 116-135) vier Vorträge
, die auf einer Tagung der Evangelischen Akademie Hofgeismar
im Januar 1978 gehalten wurden. R. Feil hat zu ihnen dio
Einleitung geschrieben (7-11). Alle vier Vorträge verknüpfen die
westdeutsche Nachkriegsentwicklung und Bonhoeffer (B.).

Y. Spiegels Beitrag (Dietrich Bonhoeffer und die „protestantisch
-preußische Welt", 58-93) erweckt den Eindruck, daß solch
eine Verknüpfung sinnlos ist. Er stützt sich fast ausschließlich auf
B.s Ausführungen über „Staat und Kirche" in der „Ethik" (:l"i.!
bis 375), in denen B. eine Staatslehre entwickelt, die stark ..von
Zügen eines antidemokratisch-konservativen Denkens bestimm!
ist" (63). Dieser Beurteilung ist. zuzustimmen. B. hätte darum
nach Spiegel in der BRD keine „politisch aussichtsreiche Alternative
entwickeln können" (89). Jedoch, hat nicht B. jene Staatslehre
objektiv hinter sich gelassen? Ist. das nicht zu berücksichtigen
, wenn man sich überlegt, „an welchem Ort sich 1$. politisch
angesiedelt hätte, hätte er überlebt" (89) ?

R. v. Thadden (Dietrich Bonhoeffor und dor deutsche Xach-
kriegsprotestantismus, 12-27) stellt ähnlich wie Spiegel fest, daß
„die Ordnungsvorstellungen von B. . . . nur wenig in die Landschaft
der kirchlichen und politischen Auseinandersetzungen der
Nachkriegszeit hineinpassen" (13). Er „gehört einer konservativen
Vorstellungswelt, an, in der dio Problemo einer Veränderung von
Sozial- und Kirchenstrukturen keine nennenswerte Rolle spielton"
(14). Trotzdom hat er dazu beigetragen, „daß der Bann der obrigkeitsstaatlichen
Traditionen in Deutschland gebrochen worden
ist" (17). Da aber die Kirchen im Naehkriegsdeutschland den „Wog
der Restauration" (22) oinschlugon, „ist es nicht verwunderlich,
daß die über ihre Zeit hinauswoichenden Gedanken B.s orst in den
60er Jahren zu wirken begannen", als „die Probleme der Volkskirche
in einer säkularisierten Welt" immer deutlicher ins Bewußtsein
traten (25).

Ähnlich differenziert sieht D. Schellong (Kirchliches Schuldbekenntnis
. Gedanken Bonhoeffers und die Wirklichkeit des deutschen
Nachkriegsprotestantismus, 28-57) B. Ein Beispiol: Einerseits
teilt B. in bezug auf den in „Erbo und Vorfall" (K 94ff) ausgesprochenen
Gedanken einer Gestaltwordung Christi im Abendland
dio Blindheit der abendländischen Theologio gegenüber der
„hemmungslosen Ausbeutung, dio das Abendland jahrhundertelang
in aller Welt betrieben hat" (31); andererseits weist Vf. auf
einen Satz im „Schuldbekenntnis" (E117ff) hin, der die „Beschränktheit
des B.sehen Blicks auf das Abendland überschreiten"
könnte (36; die Kirche „hat es mit angesehen, daß unter dem
Deckmantel des Namen Christi Gewalttat und Unrecht geschah",
E 121), und auf den letzten Abschnitt der „Gedanken zum Tauftag
" vom Mai 1944, in dem B. „zur Frage Schulderkenntnis und
Schuldbekenntnis wesentlich über das bisher Gesagte" hinausgeht.
(44). So von B. herkommend kritisiert Schellong die kirchliche