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Ausgabe:

1980

Spalte:

618-619

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Beatrice, Pier Franco

Titel/Untertitel:

Tradux peccati 1980

Rezensent:

Diesner, Hans-Joachim

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Seite 1, Seite 2

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017 Theologische Litemtnrzeltnng 10n Jahrgang 1080 Nr. 8 nis

er, nach der neuen Sprachregelung (von Papst PaulVL eingeführt)
die Krankensalbung, bisher üblicherweise als Letzte Ölung bezeichnet
.

Es ist wohl mehr als eine mir andere Begriffswahl, wenn H. Vorgrimler
das I, Kap. überschreibt: Die biblische Begründung des
Bußsakramentes - und nicht wie B. Poschmann das Zeugnis des
Neuen Testamentes in dem Kap.: Die altchristliche Buße bringt,
das ebenfalls die nachapostolischo Zeit. Ausbau der Bnßlehre und
Festigung der Bußpraxis im 3. .Th. und die Entwicklung bis in das
•>. Th. umfaßt. Trotzdem ist das eigentliche neue Moment - fraglos
eine entscheidende Bereicherung - die Berücksichtigung der alt-
testamontlich-jüdisohon Element« im kirchlichen Bußverfahren.
Es ist auch sicher zutreffend, wenn diese als ein Bestandteil der
..Bibeltheologio des Bußsakramentes" (10) in Ansatz gebracht
Werden. Kritisch ist hier allerdings zu vormerken, daß dio schon
im AT offenkundigen positiven Bezüge im Zusammenhang mit
Buße. Sündenbekenntnis. Umkehr zum Leben keine nennenswerte
Bolle spielen. So dominieren, weder zum Nutzen für seelsorgor-
liche Bemühungen, noch als Hilfe zum Verständnis der zugrundeliegenden
biblischen Sachverhalte, dio juristisch-institutionellen
Komponenten.

Ohne den Weg der Bußlehre und der Bußpraxis in seinem Auf
und Ah noch einmal nachzuzeichnen - die ausführlichen Literatur-
angabon geben einen Eindruck davon, welche Eüllo von Literatur
auf den verschiedensten Gebieten seit 1050 zu verarbeiten war.
seien wenigstens die Kapitel fünf und sechs inhaltlich besonders
erwähnt. Tm 5. Kap. geht es um mehr als eino Akzentsotznng.
Während Poschmnnn im Kap. über dio tridentinischo und nach-
fridentinische Bnßlehre in wenigen Sätzen auf die Boformatoron
zu sprechen kommt - sie werden pauschal ohne eingehende Argumentation
als solche hingestellt, die mit ..innerer Notwendigkeit
gezwungen" waren, das Bußsakrament abzulehnen (vgl. 105) -,
behandelt Vorgrimler in einem besonderen Paragraphen die refor-
matorische Bußlehre. Er geht dabei auf Luther. Melanchton und
Calvin besonders ein und bringt in einem Exkurs: ..Zum Verständnis
von Buße und Beichte in den evangelischen Kirchen" Hinweise
aufheuto aktuelle Beiträge. Seine Bemerkung, daß Poschmanns
Arbeiton. auf die er sich sonst vielfach positiv beruft, an dieser
Stelle völlig ungenügend sind, darf nicht unerwähnt bleiben.

Das 0. Knp. ..Vom Tridentinum bis zum Zweiten Vatioannm"
verdient deshalb Beachtung, weil es in großer Offenheit auch in
der römisch-katholischen Kirche aufgekommene theologische
Probleme und mit der Erömmigkeitspraxis zusammenhängende
Prägen erörtert. Wichtiger und folgenschwerer als die mehr innertheologische
Differenz in der naohtridontinischen Beuelehre zwischen
den Kontritionisten und den Attritionisten (vgl. 100FF)
waren die allgemeinen Folgen der Aufklärung. Vorgrimler spricht
von Tntentionen, die, bedingt von einer ethischen Anthropozentrik.
bemüht waren, den Menschen Hilfen zur Erfüllung ihrer gesellschaftlichen
Pflichten und zur Förderung einer natürlichen Sittlichkeit
zu leisten, woboi wesentliche Inhalte der Ohristologio und
Onadentheologio zurücktraten (vgl. 102).

Dio auch auf diesem Hintergrund zu beurteilende Diskussion
über das Verhältnis der Ohrenbeichte mit der Einzelabsolution zu
den Bußandachton'mit allgemeinem Schuldbekenntnis und Ver-
gebungszuspruch hat aber auch eine positive Seite. Nach seinem
Bericht über die Bnßlehre des Zweiten Vatioanums - das'Konzil
mahnt „die Priester, wiederholt zum .munus' des Bußsakramentes
bereit zu sein und selbst die sakramentale Buße alsTFörderung'der
der conversio cordis häufig ... zu üben" (100) - spricht Vorgrimlor
von neuen Bußformen. Es bleibt zwar boi'einer'grundsätzlichen
Bejahung der "Trienter Verpflichtung zum Einzelhekonntnis
schwerorwSündon. aber im Zusammenhang einer ,.Wiederentdeckung
der ekklesiologischen Dimension des Bußsakramentos"
HO/iff) wird immer intensiver die Frage diskutiert, ob eine Buß-
nndacht mit allgemeinem Bekenntnis und Oeneralabsolution nicht
auch als eine Gestalt des Bnßsakramentes angesehen^werden
könne. Vorgrimler notiert zwar, daß darüber in der katholischen
Kirche keine Einmütigkeit besteht.

Eine Bemerkung zur Krankensalbung sei noch angefügt. Die
neue Sprachregolung ist sicher auch ein Zeichen für das Bemühen
, dieser sakramentalen Handlung einen angemesseneren Sitz

im Leben zu geben. „Das eigentliche Sterbesakrament ist und
bleibt die Eucharistie" (233). Zwar seien die Pläne der Liturgiekonstitution
des Zweiten Vatikanischen Konzils hinsichtlich einer
theologischen Neubosinnung -u.a. Änderung des Namens, Spendung
vor dem Viaticum, Zulassung aller Schwerkranken, leichtere
Wiederholbarkeit. Zulassung des Diakons zur Spendung - auf
manche Widerstände gestoßen. Aber der eröffnete Weg zu einer
Neuorientierung ist doch unverkennbar. Schon dio Namensänderung
löst Wirkungen aus. Der sakramenta le Ort der Kranken-
salbung ist die Krankheit (233). Sie steht zwar im engen Sachzu-
sammenhnng mit der Buße, ist aber auf den Herrn hin orientiert,
der auf diese oder jene Weise vom Todo zum Leben verhelfen kann.

Hier scheinen uns Erfahrungen gemacht zu werden, die - ungeachtet
der Festlegung auf einen Sakramentsbegriff-allgemein-
christlich bedeutsam werden können.

TToOTlInHClIwil Wllheta Anderson

Rentrice, Pier Franeo: Trndux peceali. Alle fnnti della dol i i hm
agostininana dcl peccato originale. Milano: Vita e Pensioro 1078.
VT. 332 S. gr. 8" — Studia Patrislica Mcdiolancnsia. 8. Lw. Lire
23000.

B. greift in dieser mit fundierter Kennt nis und deutlichem Engagement
geschriebenen Arbeit die oft behandelte, wegen ihrer Go-
wundonheit nie rostlos .erfaßte' Lehre des Kirchenvaters von der
Erbsünde auf und versucht ihr - mit beachtlichem Erfolg - vor allem
in ihrer historischen Grundlage neue Aspekte abzugewinnen.
Zugleich werden Ansätze einer Systematisierung gegeben, wie sich
bereits aus den drei Hauptteilen (I: Aspetti e problemi della dot-
trina agostiniana del peccato originale II: La tradizione biblica
e patristica secondo Agostino, III: Genesi e svolgimento della
dottrina ,agostiniana' del peccato originale) ergibt. Die Untersuchung
führt naturgemäß zu einer sachgemäßen Analyse der
betreffenden Bibelstellen (besonders Paulus) und einer Vielzahl
griechischer und lateinischer Kirchenschriftsteller (unter denen
beispielsweise Clemens von Alexandrien. Theodor von Mopsuestia
und Tertullian herausragen). B. ging es darum, sich mit möglichst
allon Wurzeln des Traduzianismus und sinngemäß auch des Gene-
ratianismus und des Kreatianismus auseinanderzusetzen, um der
spezifisch augustinischen Ausprägung auf dio Spnr zu kommen,
.ledenfalls gelangt der Hipponenser Bischof nicht nur im Zusammenhang
mit seiner Konfrontation gegen Manichäismus und Pela-
gi.iiüsmus zu jenen schroffen Positionen, die bekanntlich in der
Überzeugung gipfeln, daß ungetaufte Kinder, da sie von vornherein
an der von Adam in die Welt gesetzten Erbsünde partizipieren,
im Todesfall der Verdammnis anheimfallen. Vielmehr greift
Augustinus vor allem auf einen alten judenchristlich-gnostischen
Enkiatismus zurück, der wesentliches Rüstzeug für dio Auffassung
lieferte, daß die Zeugung vermittels sündiger KonkupiBzenz die
Neugeborenen von vornherein belaste, da Adams Sporma dieso
physische wie moralische .Ansteckung' beinhalte. Der roatus con-
ciipiscentiao besteht vor allem im ererbten Mangel der geistigen
Vorbindung mit Gott. - Die damit auch oft verbundene .urtümliche
' Ablehnung von Ehe und Zeugung konnte Augustinus selbstverständlich
nicht postulieren (obwohl er gelegentlich, Paulus
sogar zuspitzend, die Ehelosigkeit der Ehe deutlich vorzieht).
Dankenswerterweise zeigt B. eindeutig, daß Augustins Lehre von
der Erbsünde und von der Verdammnis der ungetauft verstorbenen
Kinder sich allmählich, und im Zusammenhang mit Änderungen
dos gesamten anthropologischen Gefüges des Kirchenvaters
, herausgebildet und immer wieder - so in der Auseinandersetzung
mit Julian von Eclanum - verschoben hat. Offenbar war
der Bischof auch bereit, gerade wegen der Schärfe des antipela-
gianischen Kampfes, kasuistisch bedingte Zugeständnisse zu
machen, um die gemäßigten .Anhänger', nicht zuletzt die Kurie,
mit seinen schrofferen Positionen auszusöhnen. B. zeigt dies III, 5
in einem „Roma e Oartagine: tradizioni a confronto" betitelten
Abschnitt, der auch die kürzlich von Wermelinger bezogenen
Positionen weithin berücksichtigt1. Auch B. bestreitet nicht die
geistige Akrobatik, ohne die der Theologe Augustinus nicht aus-