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Ausgabe:

1980

Spalte:

612-614

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Günther, Gottfried

Titel/Untertitel:

Herder-Bibliographie 1980

Rezensent:

Pältz, Eberhard Hermann

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Theologische Literatnrzeittuj.g 105. Jahrgang 1980 Nr. 8

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mationsgeschichte gewohnten Zuschnitts. Nicht einfach Verlaufsgeschichte
mit dem obligaten Zahlengerüst, nicht eingeschliffene
Periodisierungsschemata erwarten den Leser, sondern problem-
erörternde vier große Kapitel, die an vier Jahreszahlen fixiert sind,
von ihnen ausgehen und zu ihnen hinführen. Die Kriterien für die
Auswahl sind hauptsächlich sozialgeschichtlich motiviert. Die
geschichtlichen Abläufe werden „aus der Perspektive" (9) der
Jahre 1500, 1521, 1535 und 1551 nachgezeichnet. Der Erstem-
druck einer gewissen Willkür dieser Wahl von Festpunkten weicht
schnell einer unkomplizierten Neugier, diese Kapitelabgrenzung
bewährt zu finden. Der Vf. gibt Gründe für seine Datenorientierung
an: Außer der bereits genannten Erhebung sozialgeschichtlicher
Sachverhalte sollen Strukturen anschaulieh gemacht und Kausalzusammenhänge
aufgewiesen werden. Neuheit und Altwerden,
Möglichkeit und Chance. Gelingen und Scheitern seien von den
genannten Jahreszahlen und den damit verbundenen Phänomenen
her gut darstellbar. Mit dieser Motivierungsnpologetik wird man
von Moeller in die Lektüre hinein entlassen.

Wer den Vf. aus seinen bisherigen Arbeiten kennt, ist nicht überrascht
. Meoller bringt in hervorragendem Maße in diese Übersicht
ein. was er ans einer Vielzahl von Einzelbeobachtungen erhoben
hat. Zunächst führt er das lebendige Ineinander von Territorial-.
Sozial- und spezifischer Kirchengeschichte für die Zeit um 1500
vor und erkennt auch seinerseits ..eine Situation unmittelbar vor
dem Umbruch" (46), worauf vor ihm Huizinga, Haller u. a. bereits
hingewiesen haben. Die Schwäche des Reiches, dio Ohnmacht der
Zentralgewalt in Korrespondenz zur Macht der Peichsständo,
lebendige Kirchenfrömmigkeit in offensichtlicher Spannung zu
einer Vielzahl von kirchlichen Mißständen, wirtschaftlicher Niedergang
von Städten und das Erstarken des Landesfürstentums,
dieses alles wird anschaulich gemacht, um den Vorabend der Pe-
formationszeit sachgemäß zu charakterisieren. Man wird nur zustimmen
können, daß ohne genaue Kenntnis vom „Kerbst" des
Mittelalters das Verständnis der Peformationsgeschichte nicht zu
haben ist (47).

Der Sprung zum Jahre 1521 mag nun besonders willkürlich erscheinen
und ist es wohl auch. Das erste reichsrechtliche Ver-
h.mdlungsdatum der „causa Lutheri" (49) setzt zu seinem Verständnis
die Kenntnis der Tnitia Lutheri. die theologische Ent-
wick!ung~des Reformators und das Auf und Ab des römischen
Prozosses'mit und um Luther voraus. Glücklicherweise holt der
Vf. den hier unerläßlichen Informationshintergrund mit ins Pild,
wenn man auch zu der Überlegung geführt wird, ob das hinreichend
geschieht. Peiehspolitische Entwicklung und theologiege-
Kchiehtliehe Genesis des Reformators lassen sich nicht im Entweder
-Oder, sondern nur im sachgemäßen Miteinander darstellen.
Es ist interessant und erfrischend, bei Moeller die öffentlichkeitswirksame
reichspolitische Komponente so stark betont zu findon.
Porormationsgeschiehto Tinter anderem auch auf dem Hintergrund
von Wirtschafts- und Stlinde<?esohiehto gozeist zu erhalten und
dadurch im weitesten Sinne ihreKultnrhedeutungund -Wirkungzu
Gesicht zu bekommen, ist dnnkenswert.'Por Plick von Worms
(1521) zum Rnuernkriegsjahr 1525 (90-101) im selben Kapitel ist
e( was weil , aber dem Vf. blieb im Duktus seiner Vier-Jahresdaten-
Einteilung nicht gut etwas anderes übrig.

Wie Moeller ganz allgemein wichtige Forschungsergebnisse
anderer in einem relativ ausführlichen .Anmerkungsapparat am
Schluß nachweist, so ist er auch für die Markierungen des Jahres
1535 forschungsgcRchichtlieh auf dem neuesten Stand der Pefor-
mationsgesohiehtssehreibung. Der linke Flügel der Reformation
wird besonders durch die aufschlußreiche Details einbeziehende
Schilderung des Täuferreichs zu Münster berücksichtigt. Die von
der öffentlichen Meinung weithin getragono obrigkeitliche Abwehr
der dortigen katastrophalen Unordnung hat nach des Vf. Auffassung
den geschichtlichen Trend jener Jahre zur Stabilisierung
der Konfessionen sehr begünstigt (107). Tn einer feinen Übersicht
stellt Moeller im TTL Kap. noch die allmähliche Formierung des
Protestantismus, besonders die Auseinandersetzung zwischen dem
Schmnlknldischen Pund und den TTnbsburgern bzw. den'altsläu-
bitren Kräften im Peich. dar.

Die reichspolitische Geschichte von Reformation und Gegenreformation
wird für die zeitliche Umgebung von 1551 weitergeschrieben
. Die Periode der Religionagespräche, das Wechselspiel
der Konfessionspolitik von Reichsfürsten, vornehmlieh Moritz'
von Sachsen, der Triumph und der Zusammenbruch der Maelif
Karls V. stehen hier einprägsam und anschaulich im Vordergrund.
Moeller konstatiert für etwa 1550 den Abschluß des Reformationszeitalters
(184). Dieser ist nicht nur gekennzeichnet durch „konfessionelle
Zerrissenheit", er hat nach des Vf. Ansicht trotz allen
Wechselspiels „auch eine .Christianisierung' der Christenheit eingeleitet
"; denn durch den reformatorischen Aufbruch und die
Reaktion darauf wurde „wie nie zuvor der Versuch unternommen,
dio wesentlichen Motive und Lehren des Christentums zu erfassen
und zu verbreiten, ja zu einer Sache für jedermann zu machen".

Auf den Seiten 186-203 hat der Leser entsprechend der Aufteilung
in den vorangehenden Kapiteln eine für Taschenbände ungewöhnliche
Fundgrube vor sieh: Eine hervorragend ausgewählte
Pibliographie führt jeden Interessierten zu weiterem Eindringen
in den vorgetragenen Gegenstand. Eine Zeittafel sowie ein Personen
-, Orts- und Landschaftsnamen enthaltendes Register erleichtern
die Erschließung des instruktiven kleinen Randes.

P.frlin Joachim Hcrbo

Kirchengeschichte: Neuzeit

Günther, Gottfried, Volgina, Alhina A„ u. Siegfried Seifert! Herder-
Bibliographie. Berlin-Weimar: Aufhau-Verlag 1978. X, 644 S.
gr. 8°. Lw. M 50,-.

Obwohl aus der Wissenschaftsgeschichte der Wert bereichernder
und neue Wege der Forschung stimulierender interdisziplinärer
Kontakte bekannt ist. läßt sich nicht übersehen, daß die für eine
wissenschaftlicheKommunikation förderliehen Berichte und bibliographischen
Hilfsmittel, die den Stand der Forschung registrieren,
außerhalb des Fachbereichs, für den sie erstellt sind, viel zu wenig
genutzt werden. Da auch für Arbeitsvorhaben im Grenzbereich
zwischen Literaturwissensehaft im allgemeinen bzw. Germanistik
im besonderen und den Disziplinen der Theologie eine für Literaturwissenschaftler
wie Theologen und Philosophen gleichermaßen
nützliche Zusammenarbeit dringend geboten ist, verdient die vorliegende
Herdor(H.)-Bibliographie. ein Gomeinsehaftswerk der
Nationalen Forschungs- und Gedenkstätten der klassischen deutschen
Literatur in Weimar und der Staatlichen Allunionsbibliothek
für ausländische Literatur in Moskau, besondere Beachtung. Über
den beabsichtigtenTnformationszweck1 hinaus kann die Präsentntion
des Standes der internationalen und interdisziplinären H-
Forsehung beitragen, die Koordinierung und Integration der weit -
vorzweigten H.-Forsehung, zu der auch dio Beiträge aus den theologischen
Disziplinen gehören, zu fördern.

""Die sorgfältig gearbeitete, übersichtlich und ansprechend gestaltete
H.-Bibliographie. mit der die Zentralbibliothek der deutschen
Klassik ihr'Arheitsvorhaben der Herausgahe von Personalbibliographien
'zu"doutsehon Schriftstellern aus der Zeit von 1750-1850
fortgesetzt hat.'ist ein würdiger Reitrag zum H.-Gedenken im
Jahre 1978.

Das Bestreben der beiden Herausgeberinstitutionen ging dahin,
„mit den der Personalbibliographie eigenen Mitteln und Möglichkeiten
" den Weg zu den Quellen zu ebnen und auf diese Weise einen
Beitrag zur Beförderung und Aneignung des H.schen Werkes zu
leisten" (S. Vf). Im 1. Teil - Primärliteratur - werden die Work-
ansgaben (Gesammelte Werke einschl. Teilsammlungen und Sammlungen
von Werkauszügon. Ausgaben der Briefe und von Finzel-
schriften einschl. Veröffentlichungen in Zeitschriften, Herausgeberund
Übersetzertätigkeit) erfaßt und anhand der Übersetzungen,
die alphabetisch nach Sprachen geordnet dargeboten werden, die
weltweite Wirkung von H.s Werk dokumentiert.

Der 2. Teil verzeichnet die Sekundärliteratur (2865 Titel).
Dabei werden neben allgemeinen Grundlagen und Hilfsmitteln,
worunter auch Bibliographien und Zeitschriftensonderhefte zählen
(T), die Darstellungen zu Leben und Werk im allgemeinen (TT) und
zu biographischen Einzelheiton (TTT) nachgewiesen, wobei nicht
nur die Literatur zu den einzelnen Lebensahschnitten, sondern