Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1980

Spalte:

610-612

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Moeller, Bernd

Titel/Untertitel:

Deutschland im Zeitalter der Reformation 1980

Rezensent:

Rogge, Joachim

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

609

Theologische Literaturzeitung 105. Jahrgang 1980 Nr. 8

610

(Gottfried Seebaß). Aus ihren Schriften ist os möglich, die Abhängigkeit
Huts von Müntzer darzustellen. Eindrucksvoll predigto er
vom Weltende und taufte viele Leute. Eigentliches Arbeitsfeld
wurde Ober- und Niederösterreich. In Wien gründete er in der
Kärtnerstraße eine Gemeinde. Im August 1527 saß er der sogenannten
„Märtyrersynode" in Augsburg vor. Bald darauf wurde
er verhaftet und verhört. Er starb infolge einer Feuersbrunst im
Gefängnis.

4. An Huts Geschichte schließt sich die Hans Dencks an (Werner
O. Packull), der einer der feinsinnigsten und unabhängigsten
Denker der Epoche war. Er beherrschte die alten Sprachen und
konnte deshalb bei Verlegern sein Brot verdienen. Da er aus seiner
religiösen Einstellung kein Hehl machte, war er dauernd auf der
Flucht. Ehe ersieh in Basel niederlassen konnte, starb er an der Pest.

5. Der erste bedeutende Theologe im täuferischen Räume war
Balthasar Hubmaier (Christof Windhorst). Von Friedberg bei
Augsburg gebürtig, hat er in Ingolstadt Theologie studiert und den
Doktorgrad erworben. Seine Schriften bilden den IX. Band der
Quellen zur Geschichte der Täufer. Die wichtigste Schrift heißt:
..Vom christlichen Tauf der Gläubigen". Nachdem Nikolsburg in
Mähren durch Erbfolge an die Habsburger gefallen war, erwirkte
König Ferdinand vom Besitzor der Herrschaft Nikolsburg die
Auslieferung Hubmaiors. der in Wien als Aufrührer im Bauernkr ieg
und Ketzer am 10. März 1528 verbrannt wurde.

Ii. -Mit dem Namen Sebastian Lotzer (Barbara B. Gerber)
betreten wir wieder das Feld der Bauornkrioge. Der geistige Führer
war der Kürschncrgesell Sebastian Lotzer in der Reichsstadl
Memmingen, Verfasser der 12 Artikol der Bauernschaft.

7. Lotzer überragend war der Anführer der Bauernschaft in
Südtirol, Michael Gaismaier (Walter Klaasson), Schreiber des
Landeshauptmannes an der Etsch. Ihn erhoben die Bauern von
Brixen auf ihren Schild. Es gelang ihm, die Ruhe wiederherzustellen
und in Verhandlungen mit dem Landesfürsten zu treten.
Schließlich mußte er doch klein beigeben und aus dem Lande
fliehen. Die Republik Venedig nahm ihn in ihro Dienste. Am 15.
April 1532 wurde er in Padua meuchlings ermordet. Die Bedeutung
des Mannes lag nicht in seinen Kriogszügen, sondern in seinen
sozialen Plänen. Zwei Landesordnungen sind von ihm erhalten. Er
war ein Sozialrevolutionär. Adel, Bürger, Bauersmann sollten
gleichgestellt werden; alle Ungerechtigkeit und die Ausbeutung
des Landes müßten abgeschafft werden.

8. Utopist war auch Johannes Hergot, Buchdrucker und
Buchhändler in Nürnberg (Ferdinand Seibt). Seine kleine Schrift
hieß: ,,Von der neuen Wandlung eines christlichen Lebens".
Letzte Absicht war, „eine agrarkommunistische Weltorganisation"
zu schaffen. Um seines Büchleins willen mußte Hergot 1527 in
Leipzig das Schaffot besteigen.

9. Konrad Grebel (Heinold Fast). In dem Hause des Patriziersohnes
Konrad Grebels in Zürich hat am 21. Januar 1525 die
erste Erwachsenentaufe stattgefunden. Grebel taufte Blaurock.
Das bedeutete den Bruch mit Zwingli: eine neue christliche Gemeinschaft
war ins Leben getreten. Ihre Anhänger mußten aus
den Schweizer Gauen fliehen.

10. Zu diesen Flüchtlingen gehörte auch Wilhelm Reublin
(James M. Stayer). Er war Pfarrer gewesen und zum Täufertum
übergetreten. Seine Tätigkeit verlegte er in den Norden der
Schweiz und deren Nachbarschaft. So kam er nach Waldshut, der
Stadt Hubmaiers, den er taufte; das war oine erfolgreiche Tat.

11. Auch Michael Sattler (Martin Haas) ehemaliger Mönch
im Kloster St. Peter im Schwarzwald, gehörte der flüchtigen
Schar im Grenzgebiet an. Er ist bedeutsam dadurch, daß er etliche
Vorschriften zu Papier brachte, wie ein Täufer sich verhalten
sollte. Das ist das Schleitheimer Bekenntnis. Er gebot seinen Anhängern
auch, „in die Absonderung" zu ziehen. Als Sattler nach
Horb kam, das damals unter österreichischer Verwaltung stand,
fiel er den Häschern in die Hände. Das Ergebnis des Prozesses
lautete auf Tod.

12. Nicht aber gehört in diese Reihe der Südtiroler Jacob Hu -
ter (Leonard Gross). An Hund des vorliegenden Aufsatzes vermag
die Rezenäentin nichts über Huter zu sagen: es wäre zu viel zu

verbessern. Nur so viel ist festzustellen: Huter war der Retter des
Täufertums im südostdeutschen Raum.

13. Pilgram Marpeck (William Klassen) war Nordtiroler,
aber gänzlich anderer Art als Hilter. Er stammt aus einer angesehenen
Familie aus Rattenberg, war Bergrichter und Mitglied des
Inneren Rates der Stadt. Durch den gefangenen Leonhard Schie-
mer wurde er für das Täufertum gewonnen. Nach dessen Hinrichtung
verließ er die Heimat. Er arbeitete in Straßburg, in der
Schweiz und in Augsburg. Ein Kreis von Freunden scharte sich
um ihn. Sein schriftlicher Nachlaß ist bemerkenswert, besonders
durch das 200 Seiten umfassende „Taufbüchlein", das ihn in
Gegnerschaft zu Schwenckfeld setzte.

14. Caspar von Schwenckfeld (Horst Weigelt) war gebürtiger
Schlesier. Zunächst hatte er sich völlig den Lehren Luthers
angeschlossen. Dann befielen ihn Zweifel in bezug auf das Abendmahl
. Es kam zum Bruch mit den Wittenbergern. Schwenckfeld
verließ die Heimat, lebte in Straßburg, Augsburg, Ulm. Er entwickelte
eine christologische Sonderlehre. Er war Spiritualist, der
das Kreatürliche ablehnte.

15. Molchior Hoffman (Klaus Deppermann). Dieser beredte
Mann war der erfolgreichste Prediger zur Reformationszeit. Aus
Schwäbisch-Hall gebürtig erkor er zu seinem Arboitsfeld die nordöstlichen
Länder, Livland, Schleswig-Holstein, Ostfriesland, die
durch ihn evangelisch wurden. Was er prophezeite, sollten Jan
Matthys und Jan van Leiden in die Tat umsetzen. Er mußte wieder
nach Süden zurück. 1529 kam er nach Straßburg, wo er festgenommen
wurde. 1543 ist er arm und elend im Gefängnis gestorben.

16. Von Bernhard Rothmann (Willem de Bakker) ist zu
sagen, daß er um 1495 in Stadtlolm geboren war, zum Prediger
erzogen wurde und als solcher nach Münster kam. Zwischen den
Honoratioren (Rat der Stadt), den Gilden und dem Bischof sich
durchkämpfend, ist or zum Reformator der Stadt geworden.

17. Zum Täufertum ist es in Münster erst durch Jan Matthys
und Jan van Leiden gekommen. Als der Schrecken der Grausamkeiten
vorüber war, war es Menno Simons (ErwinB. Horst) vergönnt
, die Wunden zu schließen. Er hatte der Gewalt abgeschworen
. Er wollte den neuen Menschen schaffen, dorin engster Verbindung
mit Christus steht. 1536 trennte or sich von der römischen
Kirche. Er Wirde Täufer.

Da der verfügbare Raum bereits überschritten ist, muß es genügen
, die Männer, die noch auf der Liste stehen, mit Namen zu
nennen, ohne Näheres von ihnen mitzuteilen: Sebastian Franck,
Martin Cellarius, Michael Servot. und Theophrast von Hohenheim
, gen. Paracelsus.
Wien Oretc MoccnBcffy

Moeller, Bernd: Deutschland im Zeitalter der Reformation. Göttingen
: Vandenhoeek & Ruprecht [1977]. 214 S. 8° = Deutsche
Geschichte, hrsg. v. J. Leuschner, 4. Kart. DM 15,80.

Die „Kleine Vandenhoeck-Reihe" bietet im Taschenausgaben-
forraat eine auf 10 Bändo berechnete „Deutsche Geschichte", für
deren Gesamterseheinen Joachim Leuschner verantwortlich zeichnet
. Die Bände 1, 3, 9 und 10 sind bereits veröffentlicht. Der
Hauptherausgeber läßt in seinem Vorwort durchaus erkennen,
daß ihm angesichts der historisch-politischen Situation das Problematische
des Titels „Deutsche Geschichte" bewußt ist. Hier
ist weder an eine National- noch an eine Dynastiengeschichte
gedacht, weder an Darstellung von „Ruhm und Verklärung" noch
an „Klage und Selbstmitleid" (5). „Vielmehr versucht diese
Deutsche Geschichte zu Belohrung und Diskussion allgemeine Erscheinungen
am deutschen Beispiel zu zeigen. Diese Deutsche
Gescliichte setzt universal-historisch ein und mündet in Weltgeschichte
, deren Teil sie ist."

Man wird dem Vf. des reformationsgeschichtlichen Teils in der
Gesamtdarstellung bescheinigen dürfen, daß er die o. g. Kriterien
sehr wohl beachtet hat. Bernd Moeller, der durch eine ganze Reihe
von Arbeiten zur Sozialgeschichte der Reformationszeit, vornehmlieh
hinsichtlich der Problematik „Reichsstadt und Reformation",
als Kirchenhistorikor bekannt geworden ist, schreibt keine Refor-