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Ausgabe:

1980

Spalte:

607-608

Kategorie:

Kirchengeschichte: Mittelalter

Autor/Hrsg.:

Hintner, Dietmar

Titel/Untertitel:

Die Ungarn und das byzantinische Christentum der Bulgaren im Spiegel der Register Papst Innozenz' III. 1980

Rezensent:

Döpmann, Hans-Dieter

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Seite 1

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Theologisohe Literaturzeitung 105. Jahrgang 1980 Nr. 8

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Konzeption: „Gewaltlosigkeit ist ihr Kerngedanke. Rationale
Disputation, Studium und Vergleich der religiösen Traditionen
und die Inspiration durch das Wort der hl. Schrift sollen allein zur
Erkenntnis der Wahrheit führen" (281). Exkurse betreffen die
sprachliche Ausdruckskraft im Geschichtswerk Wilhelms sowie
nochmals die Wertung des Nur ad-Din; ein Anhang erörtert die
„Beurteilung der orientalischen Christen, der Griechen und Juden
bei Wilhelm von Tyrus" (295-99). Durch die Darstellung hindurch
linden sich zahlreiche Vergleiche mit anderen mittelalterlichen
Geschichtsschreibern. Die Vorgänge im Kreuzfahrerstaat werden
verglichen mit dem Verhalten der Christen gegenüber den Slawen.
Dazu werden Adam von Bremen, Holmold von Bosau und Otto
von Freising häufiger herangezogen. Ein gründliches Register
bietet die Mögliclikeit, auch diesen Aspekten näher nachzugehen.

Es ist gerade diesem Buch zu wünschen, daß seine Ergebnisse in
den praktischen Lohrbetrieb der Kirohengoschichto eingohen; die
an sich so düstere Epoche der Krouzzügo kann dadurch differenzierter
dargoboten werden. In Wilhelm von Tyrus hat sich ein bedeutender
Cesohichtsschreiber, Erzbischof und Kanzler unter den
Realitäten seiner Zeit zu der ihm damals möglichen Form der
Toleranz bekaimt. Man liest die Darstellung - auch wemi sie mitunter
sehr ins Detail führt - mit Anteilnahme; dem Doktor und
dem Doktorvater ist zu danken.

Itoatock Gert Uaciiüloi'

Hintuet, Dietmar j': Die Ungarn und das byzantinische Christentum
der Bulgaren im Spiegel der Register Papst Innozenz' III. Leipzig:
St. Benno-Verlag 1970. XIX, 230 S. gr. S° = Erfurter Theo-
logischo Studien, 35. Kart. M 21,50.

Auch uns evangelischon Theologen bleibt der im Alter von nur
34 Jahren an den Folgen eines tragischen Verkehrsunfalls verstorbene
Katholik Dietmar Hintner, mit dem wir uns in der gemeinsamen
Beschäftigung mit den Orthodoxen Kirchon eng verbunden
wußten, unvergeßlich. So ist es den Herausgebern zu
dankon, daß mit der vorliegenden Veröffentlichung Hintnors
wissenschaftliche Leistung postum gewürdigt wurde.

Vf. konzentriert sich auf die Aufgabo: „Anhand der in den
Vatikanischen Registern enthaltenen Korrespondenz Innozenz'
III. festzustellen, ob und welcher Art Beziehungen zwischen den
Ungarn und dem byzantinischen Christentum der Bulgaren um die
Wondo vom 12. zum 13. Jahrhundort existieren" (18), d.h. im
wesentlichen in der Zeit von 1199 bis 1205. H. stützt sich dabei in
erster Linie auf den von Ivan Dujcev aus den vatikanischen Originalen
neu edierten Briefwechsel des Papstes mit den Bulgaren
(voröffontlieht 1942 im Jahrbuch der Universität Sofia, Historisch-
Philologische Fakultät 37,3; Nachdruck in der neuen bulgarischen
Qucllonsammlung: izvori za bulgarskata istorija, Band 12, Sofia
1905), der „an oditorischer Korrektheit seinesgleichen sucht" (13).

Don Rahmen für die Arbeit bilden dio Verhandlungen über den
Abschluß einer Kirchenunion zwischen Rom und dem Bulgaren-
herrsoher Kalojan (1197-1207). Dio drei fiauptteile befassen sich
mit den Briefen, die in Zusammenhang mit drei päpstlichen Legationen
der Vorbereitung und dem Abschluß der Union vom Jahre
1204 dienten. Es folgt ein kurzer Teil IV: „Die Ungarn im Kreis
der Lateiner als Gegner des ostkirchlichon Bulgariens".

H. analysiert die einzelnen Briefe jeweils in drei Schritten. Zunächst
finden wir, unter Anführung der markantesten lateinischen
Zitate, eine zusammenfassende Wiedergabo des Briefinhalts. Es
folgt eine Darlegung der dem Briof zugrunde liegenden Intontion.
Danach fassen kurze Thesen, dio anschließend erläutert werden,
zusammen, welche Aussagen sieh über dio Beziehungen der Ungarn
zum byzantinischen Christentum der Bulgaren bzw. die römische
Haltung entnehmen lassen.

Wie Vf. zeigt ,beruhen diese Beziehungen auf geographischen
(gemeinsame Grenze), politischen und kirchenpolitischen Gegebenheiten
. Hauptanlaß für die sich im behandelten Zeitraum ergebenden
Beziehungen waren jedoch dio Unionsverhandlungen der Bulgaren
mit dem Papst. Es wird deutlich, daß „bei den Einigungsvorsuchen
Roms - zumindest in damaliger Zeit - Politik und Union
untrennbar miteinander verwoben sind" (225). Kalojan, der vom

Papst für sich den Kaisortitol und für Bulgariens Kirche dio Anerkennung
als Patriarchat erhoffte, bezweckte mit der Union allein
dio Festigung der eigenen staatlichen Position. Da der Papst durch
ungarische Bischöfe den Bulgaren die Woihen spenden wollte, sah
Ungarn darin zunächst die Möglichkeit politischer Einflußnahme.
Angesichts zunehmender Spannungen gewährte Innozenz jedoch
den Bulgaren das Recht, in ihrer eigenen Kircho die Weihen selbst
zu vollziehen. Interessanterweiso teilton dio Ungarn nicht die
damals bei den Lateinern verbreitete Geringschätzung des östli-
chon Christentums. Als ein wichtiges Ergebnis betont Vf. zusammenfassend
die „Bedeutung der .nichttheologischen Faktoren' bei
der Entfremdung oder dem Näherkommen der verschiedenen
Kirchon" (228), wio sie auch in clor heutigen ökumenischen Arbeit
zutago trete.

Die auf gediegenen Quollenanalysen beruhenden Detailunter-
suehungen stellen eine Bereicherung unserer Kenntnisse dar. Allerdings
sind dio Grenzen äußerst eng gezogen. So bleibt unerwäluil,
ob und welche Auswirkungen der Abschluß dor Union für Bulgarien
hatte. Auch handolto es sich nicht um dio „erste Vorbindung
des bulgarischen Christentums mit Rom" (37), hatte doch in der
zweiton Hälfte dos 9. Jh. Bulgarions Kircho zeitweilig Rom unterstanden
. Schon ein andoutungsweiser Vergleich mit den damaligen
Quellen (in: H.-D. Döpmann, Dio Bodoutung Bulgarions für dio
Trennung der östliehon und der wostlichon Christenheit. Ein Beitrag
zur Geschichte des Phofianischen Schismas, Thool. Habil-
Schrift Berlin 1905), den dio Erwähnung Michaels (Zar Boris) auf
S. 47 und 02 förmlich anbot, hätte es wesentlich erleichtert, Kalojans
Haltung zu erklären.

Berlin HUM THittttr DOpmaaa

Kirchengeschichte: Reformationszeit

GoerU, Hans-Jürgen |Hrsg.J: Radikale Itcfuruialoreu. 21 biographische
Skizzen von Thomas Müntzer bis Paracolsus. München
: Beck [1978]. 203 S. m. 19 Abb. Kl. 8° = Beck'sche
Schwarze Reihe, 183. Kart. DM 17.80.

In der Einleitung des aus dem Englischen übersetzten Buches
stellt dor Hrsg. dio Männer vor, dio or als „radikal" bezeichnet. Im
Gegensatz zu den langsamer vorgehenden Reformatoren Martin
Luther und lluldryeh Zwingli ging den Radikalen dio Entwicklung
dor Änderungen nicht schnell genug vorwärts; so brachen von den
großen evangelischen Gemeinschaften Splittergruppen ab, die sich
selbständig machten.

Als orstor dieser Art wird Andreas Bodonstein von Karlstadt
vorgestellt (Ronald J. Sider. - Dio Namen in Klammer sind
die Namen der Autoron. Dio Reinting der Aufsätze ist nicht die
Roihung dos Inhaltsverzeichnisses. Ich habe, um Platz zu sparen,
zusammengestellt, was zusammengehört.), den Luther in Wittenberg
zum Dr. thool. promoviert hatte. Er gehörte zu denen, die dio
Reformation vorantreiben wollten. Dazu glaubte er sieh berechtigt
, als Luther 1521/22 in unfreiwilliger Haft auf der Wartburg
saß. Als dioser von den Neuerungen hörto, vorließ er Anfang März
1522 sein Versteck, kam nach Wittenberg und hob dio Neuerungen
wieder auf. Es kam zum Bruch zwischon den beiden. Karlstadt
mußte woichon. Er wurde Pfarrer in Orlamünde.

2. Gänzlich anders geartet war Thomas Müntzer (Hans-Jürgen
Goortz). Er kam von dor mittelalterlichen Mystik her und war
überzougt, daß die Kircho verändert werden müßto; an allen
Orten, an denen or wirkte, suchte er dio Menschen zu verwandeln
und aus ihnen das richtige Volk Gottes zu schaffen, damit oino neuo
Welt erstehen könnte. Er war überzeugt, daß Gott ihm helfen
werde. Wie aber die Bauern ohno richtige Waffen Krieg führen
sollten, war ihm so wenig wie ihnen klar. Mühelos mähten die
Kriegsknechte der geistlichen und weltlichen Herren die Bauern
in der Schlacht bei Frankenliauson nieder. Müntzer war entflohen,
wurde abor in seinem Versteck aufgestöbert, gefangen genommen
und am 27. Mai 1525 hingerichtet.

3.1m Zusammenhang mit ihm steht sein Freund Hans Hut