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1980

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Neues Testament

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Theologische Literaturzeitung 105. Jahrgang 1980 Nr. 8

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satten Gemeinde wie über heidnischen Verfolgern verkündigen
läßt, im kleinasiatischen Raum ein Fremdkörper. Er bleibt es,
obgleich er den ihn selbst bestimmenden asketischen Rigorismus
für die Gemeinde auf das Mindestmaß im Sinne des Aposteldckrets
mildert. Letztlich geht es um die Nachfolge Jesu.

In den Pastoralen kommt die andere Seite zu Wort. Das hier
angegriffene Judenchristentum unterscheidet sich vom Apokalyp-
tiker darin, daß es weder das prophetische Selbstbewußtsein noch
die Naherwartung des Apokalyptikers erkennen läßt. Doch verzichtet
es ebenfalls auf apostolische Legitimation und vertritt aus
Furcht vor Verunreinigung durch den Götzendienst eine rigorose
Askese. Von judenchristlicher Gnosis sollte man, von der Undeut-
lichkeit der Formulierung abgesehen, nicht sprechen, weil kosmischer
Dualismus nicht erkennbar ist, anders als etwa in Kol auch
Gesetz und Engelverehrung nicht verknüpft werden. Erwogen
wird, daß wie bei Papias mündliche Uberlieferung eine gewichtige
Rolle spielt, was dazu passen würde, daß Paulus völlig übergangen
wird.

Verwischt das Verfahren typischer Ketzerbekämpfung hier
schärfere Konturen, so gilt das nicht für die Enthusiasten, welche
den extremen Gegensatz zu der ersten Gruppe bilden. Sie verkörpern
jene radikalen Pauliner, welche sich mit Christus auferstanden
wissen und daraus emanzipatorische Konsequenzen in der
Ethik ziehen. Der Verfasser der Briefe ist ein gemäßigter Pauliner,
welcher Askese ablehnt, jedoch die Rechtfortigungslehre des
Apostels auf die Vergebung der Sünden reduziert und aus dem Gesetz
eine Lebensordnung der Frommen werden läßt, darin Apg,
1 Clem, Polycarp nahe. Häretische Christologie und Verfolgung
sind ihm noch fremd, was ihn zwischen 1 Petr und Ignatius stellt.

Die Arbeit erscheint mir hilfreich und im allgemeinen überzeugend
.

Tübingen ErnRt Käscmnnn

Betz, Hans Dieter [Ed.]: Plutarch's Ethical Writings and Early
Christian Literature. Leiden: Brill 1978. XI. 584 S. gr. 8° =

Studia ad Corpus Hellenisticum Novi Testamenti, IV. Lw.
hfl 280.-.

Das seit den Tagen von G. Heinrici und danach von E. v. Dob-
schütz und H. Windisch projektierte „Corpus Hellenisticum", das
sozusagen die griechisch-hellenistische Parallele zum Kommentar
aus Talmud und Midrasch von Strack-Billerbeck werden sollte,
befindet sich immer noch in den Anfängen, obwohl schon vor Jahren
eine organisatorische Arbeitsteilung zwischen einem Corpus
judeo-hellenisticum (Sitz in Halle) und einem Corpus pagano-
hellenisticum (Utrecht) vorgenommen wurde (vgl. G. Delling,
Zum Corpus Hellenisticum, Novi Testamenti, ZNVV 54, 1963, 4)
und obwohl in neuerer Zeit Anstrengungen unternommen werden,
jedenfalls die Vorarbeiten intensiv weiterzuführen. Nachdem in
der Reihe „Studia ad Corpus Hellenistioum Novi Testamenti"
(SCHNT) die Arbeiten von G. Petzke über Apollonius von Tyana
(1970) und G. Mussies über Dio Chrysostomos (1972) erschienen
waren, wurde 1975 mit Bd. III eine Analyse der „Theologischen
Schriften" Plutarchs publiziert (ed. H. D. Betz). Dies in Aufnahme
und in Ergänzung der Untersuchung von H. Almquist über „Plu-
tarch und das Neue Testament" (1946), mit der umfassenderen
Aufgabe, über Almquist hinausgehend nicht nur Paralleltexte zum
Neuen Testament, sondern auch zu der übrigen frühchristlichen
Literatur heranzuziehen. Dabei fanden besonders religiöse, theologische
und philosophische, aber auch ethische Materialien sowie
Sprachformen und literarische Kompositionen des plutarchischen
Werkes Berücksichtigung.

Daß von den zahlreichen zur Verfügung stehenden philosophischen
und religiösen Schriftstellern der Antike die Wahl auf Plu-
tarch fiel, ist in jeder Hinsicht zu begrüßen. Der Athener Plutarch
(etwa 45-125 n. Chr.) lebte in der Zeit der Abfassung der neutesta-
mentlichen Schriften. Sein Werk ist erstaunlicherweise bei der
Exegese des Neuen Testaments bisher sehr vernachlässigt worden,
und dies, obwohl sich in seinem Schrifttum die beiden philosophischen
und religiösen Kristallisationspunkte Griechenlands vereinigen
: Zur Zeit Neros Schüler des Platonikers Ammonios in

Athen wurde er durch den Piatonismus beeinflußt, wie dies in
zahlreichen Abhandlungen (besonders zur Plato-Exegese, aber
auch in Auseinandersetzungen mit Stoikern und Epikuräorn, nicht
zuletzt in seinem mathematisch-naturwissenschaftlichen Schrifttum
sowie in seiner Rhetorik) sich widerspiegelt. Darüber hinaus
ist von Bedeutung, daß Plutarch am Apollo-Heiligtum zu Delphi
Priesterdienste versah. So verbinden sich in seiner Person die
philosophischen und religiösen Strömungen, welche das Griechentum
der Zeit des Neuen Testaments prägten.

Erfreulich ist daher, daß mit dem vorliegenden Bd. IV der
SCHNT das Schrifttum Plutarchs für die neutestamentliche
Wissenschaft weiter erschlossen wird. Die Beschränkung auf die
ethischen Abhandlungen Plutarchs ist in der Sicht des Neutesta-
mentlers sinnvoll, da die neutestamentliche Literatur zu einem
großen Teil aus Paränese besteht und unabhängig von der Frage,
ob es berechtigt ist, auf der Basis des Neuen Testaments von einer
„christlichen Ethik" zu sprechen, die neutestamentlichen Weisungen
eine Fülle von ethischem Material enthalten, das formal und
inhaltlich mit der griechisch-hellenistischen Überlieferung in Beziehung
steht. Allerdings ist auch nicht zu übersehen, daß Plutarchs
ethische Traktate die Tradition der platonischen Akademie
fortführen und darin einen „high-level" der griechischen philosophischen
Überlieferung repräsentieren. Er gehört einer aristokratischen
Elite an, dio das griechische kulturelle Erbe philosophisch
und rhetorisch anspruchsvoll für Theorie und Praxis vermittelt
(vgl. Bd. IV, S. 1-3). Aber in der Bogrifflichkeit, in der Sprache
und in der sachlichen Verwendung dos ethischen Materials ergeben
sich viele Parallelen sowohl zum Neuen Testament als auch zum
nachneutestamentlichen Schrifttum, so daß eine Aufschlüsselung
der ethischen Traktate Plutarchs hinsichtlich der in ihnen tatsächlich
vorhandenen oder nur vermuteten Parallelen ein exegetisch
sinnvolles Vorhaben ist.

Abgesehen von dem Herausgeber haben zum vorliegenden Band
elf Mitarbeiter beigetragen. Sie behandeln einen weiten Ausschnitt
aus dem von Plutarch verfaßten ethischen Schrifttum. Nicht klar
geworden ist dem Unterzeichneten, nach welchem Maßstab die
Auswahl der Traktate aus der ethischen Literatur Plutarchs erfolgte
, auch nicht, nach welchen Kriterien bei dem Nachweis von
Paralleltexten vorgegangen wurde. Offensichtlich war es dem einzelnen
Bearbeiter überlassen, ob er stärker auf stilistische, lexikographische
oder inhaltliche Analogien hinweisen wollte.

So ist es auch nicht ganz verständlich, tlaB - obwohl der Herausgolwr in Bd. III
sich das Ziel setzte, die Nachweise von Almquist zu überbieten (Bd. III, S. X) -
einige von dem schwedischen Gelehrten untersuchte Traktate nicht berücksichtigt
wurden: z.B. de fortuna; de liberis educantis; conciugalia praeeepta; zu
letzterem ist besonders die Nahe zu den neutestamentlichen Haustafeln bemerkenswert
; darüber hinaus bestehen einige Parallelen etwa zu lKor 7,3f und
14,34 f. Nicht einleuchtend ist auch, daU zu Septem sapientium convivium die
von Almquist aufgezeigten Parallelstellcn (149F vgl. IKor 10,16ff: 102KF vgl.
Röm 5,10) in Bd. IV, S. 51 ff Hiebt genannt werden.

Hinsichtlich der Spannweite des neutestamentlichen Schrifttums
ist die Einbeziehung der frühchristlichen Literatur, wie sie
in Anlehnung an das Griechisch-Deutsche Wörterbuch von W.
Bauer erfolgt, grundsätzlich zu begrüßen. Jedoch stellt sich bei der
damit intendierten Zielsetzung angesichts der sich verzögernden
Fertigstellung des Corpus Hellenisticum das Problem, ob hierdurch
die Aufgabe nicht zu sehr erschwert wurde. Was mit Bd. III
und IV der SCHNT nunmehr vorliegt, ist nicht mehr als die im
einzelnen zudem kritisch zu hinterfragende partielle Aufbereitung
eines Vertreters der vielen in Frage kommenden antiken Schriftsteller
. Es ist abzusehen, daß die Fertigstellung des Corpus Hellenisticum
„ad Calendas Graecas" vertagt wird, wenn man auf diesem
zu ehrgeizigen Wege fortschreitet. Eine bescheidenere, aber
realistische Zielsetzung wäre es, wenn man sich entschließen
könnte, die vorliegende Ausgabe des alten „Wettstein" aufgrund
der neueren kritischen Editionen antiker Texte zu überprüfen
und begrenzt zu erweitern. Damit wäre eine Aufgabe gestellt, die
noch in dieser Generation abgeschlossen werden und dem vorhandenen
hellenistischen Defizit in der neutestamentlichen Wissenschaft
abhelfen könnte.

Bovenden _ Oeorg Strecker

Bachmann, Michael: Zur Gedankenführung in 1. Kor. 15.12ff
(ThZ 34, 1978 S. 265-276).