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Ausgabe:

1980

Spalte:

551-552

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Autor/Hrsg.:

Schmidt-Clausen, Kurt

Titel/Untertitel:

Vom Lutherischen Weltkonvent zum Lutherischen Weltbund 1980

Rezensent:

Kimme, August

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Seite 1

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Theologische Literaturzeitung 105. Jahrgang 1980 Nr. 7

552

Ritter, Werner H.: Zum Problem der Identität in christlichtheologischer
Perspektive (WzM 31, 1979 S. 469-490).

Thung, Mady A.: An Alternative Model for a Missionary
Church. An Approach of the Sociology of Organisations (ER
30, 1978 S. 18-31).

Vierzig, Siegfried: Religion in der Gesellschaft. Stuttgart -
Berlin - Köln - Mainz: Kohlhammer [1979]. 120 S. m. 14
Abb. kl. 8° = Kohlhammer Taschenbücher, 1034. Kart. DM
12,-.

Ökumenik: Allgemeines

Schmidt-Clausen, Kurt: Vom Lutherischen Weltkonvent zum
Lutherischen Weltbund. Geschichte des Lutherischen Weltkonventes
(1923-1947). Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus Gerd
Mohn [1976). 271 S. 8° = Die lutherische Kirche, Geschichte
und Gestalten, 2.

Der Luth. Weltbund (LWB) figuriert als der jüngste Zusammenschluß
unter den Konfessionsfamilien. Sein Vorläufer ist
der Luth. Weltkonvent (LWK), dessen Geschichte hier behutsam
dargestellt und vorwiegend aus bisher unveröffentlichten Quellen
sorgfältig belegt wird. Dem früheren Generalsekretär des
LWB gelingt es, frei von nationalen Empfindlichkeiten, zu
denen das dramatische Vierteljahrhundert von 1923 bis 1947
genug Anlaß gegeben hätte, das Werden, die Entwicklung und
Problematik des sich ökumenisch zusammenfindenden Weltluthertums
durchsichtig zu machen. Dies geschieht in fünf
„Teilen" (11—242), die von einem dokumentarischen „Anhang"
(247—261) unterbaut sowie von Quellen- und Literaturverzeichnis
(243 ff), Namenregister (263 ff) und Sachregister (267 ff)
ergänzt werden.

Von besonderem Reiz ist die Vorgeschichte des LWK (11—41),
deren Darstellung die etwas gegensätzlichen Positionen von
Fleisch und Wadensjö ausgleicht und überbietet. Die chronologische
und sachliche Priorität lutherischer Einigung liegt bei
den amerikanischen Freikirchen (Generalsynode 1820). Die
europäische Allgemeine Evangelisch-Lutherische Konferenz
(seit 1901 Lutherisches Einigungswerk) hat zwar seit 1868 als
loser Zusammenschluß luth. Kirchenführer, Theologen und Arbeitsverbände
den Boden für weiterführende Schritte bereitet,
verzichtet aber bewußt auf kirchenpolitische Schritte. Die Initiative
des streng konfessionellen National Luthcran Council
(NLC) 1919 hat die AELK aus ihrem bloßen Konferenz-Status
gelöst und die erste Begegnung des Weltluthertums in Eisenach
1923 ermöglicht. Söderbloms „Polyzentrismus" ist es zu
danken, daß von Anfang an die skandinavisch-baltische Kirchengruppe
als drittes Zentrum des LWK in Funktion trat.

Die Tagung in Eisenach hatten einige Teilnehmer nur als
ein einmaliges Ereignis gewünscht, doch der Verlauf rechtfertigte
die Gründung eines Konvents als der „permanenten Gestalt
gegenseitiger Hilfe und Konsultation" des Wcltluthertums
(vgl. 42 ff). Die Organisation des Konvents war bewußt locker;
aus dem Engeren Ausschuß wurde bald das Exekutivkomitee,
dessen Vorsitzender (ab 1929 „Präsident") bis 1935 Prof. More-
head vom NCL war. Von nahezu gleicher Bedeutung für Leitung
, Programmatik und Arbeit des Konvents waren Landesbischof
Ihmels — Dresden (f 1933), Prof. Jörgensen — Kopenhagen
, Präsident Knubel — USA und der Jurist v. Pechmann —
München, seit dem II. Konvent 1929 in Kopenhagen auch Landesbischof
Marahrens — Hannover. Der III. Konvent 1935 in
Paris bestellte ihn als Präsident und berief als Generalsekretär
Hanns Lilje. Beide förderten die Entwicklung des Konvents
zum späteren Weltbund lutherischer Kirchen. Diese für die
Aufgaben der Gegenwart offene und bewußt ökumenisch ausgerichtete
Arbeit wurde durch das nationalsozialistische Regime
und den II. Weltkrieg schwer behindert, kam aber dank
der Beständigkeit einiger ausländischer Mitglieder des Exekutivkomitees
in der Erstrebung des gemeinsamen Zieles nicht
zum Erliegen. So wurde 1947 in Lund aus dem Konvent der
Luth. Weltbund, dessen Verfassung bereits 1938 von Dr. Lilje
im wesentlichen entworfen und danach von amerikanischen

und skandinavischen Beiträgen nur noch modifiziert worden
ist.

Für die Struktur des Konvents ist bezeichnend, daß seit
Eisenach 1923 der LWK weder die AELK als Konferenz lutherischer
Repräsentanten und Arbeitsverbände noch das NLC als
Zusammenschluß von Kirchen verdrängte, sondern sich als eine
dritte Größe etablierte (vgl. 89 f). Daß der Konvent den Zusammenschluß
der luth. Kirchen als Kirchen und nicht nur
ihrer bekenntnisbewußten Exponenten erstrebte, ist erst durch
die tatsächliche Entwicklung bestätigt worden.

In jenen 24 Jahren hat der LWK unter den wechselnden
Aspekten der Zeit seine Hauptanliegen in einer breitgefächerten
und stillen Tätigkeit geltend gemacht. Ihm ging es um die
Bekenntnisbestimmtheit aller kirchlichen Arbeit, die weltmissionarische
und diakonische Kraft und Verpflichtung des luth.
Bekenntnisses, die wirksame Hilfe für luth. Kirchen in Not
(vgl. bes. 71 ff), diakonische Einsätze im interkonfessionellen
Bereich sowie die christliche Erziehung und Unterweisung
aus dem Kl. Katechismus. Das Buch von Schmidt-Clausen stellt
weit überwiegend einen sachkundigen und verständnisvollen
Bericht über ernsthafte und zeitnahe theologische Besinnungen
und vor allem über viele hingebungsvolle und opferbereite
Arbeiten diakonischer Art dar.

Zu diesen Vorzügen kommt noch, daß die bereits genannte
Behutsamkeit der Darstellung jede Schönfärberei vermeidet.
Fehler und menschliche Schwächen (z. B. 146 f und 236 ff) werden
nicht verschwiegen. Wegen seiner vornehmen und nüchternen
Sachlichkeit ist dieses Buch als ein wertvoller Wegweiser,
in die Vorgeschichte des Luth. Weltbundes dankbar zu begrüßen
.

Leipzig August Kimme

Lobinger, Fritz: Auf eigenen Füßen. Kirche in Afrika. Unter
Mitarb. v. H. Aertker. Bcarb. u. Einführung: A. Exeler. Düsseldorf
: Patmos Verlag [1976). 120 S. m. Abb. 8°, Kart. DM
14,80.

Das gehaltvolle Büchlein stellt die deutsche Bearbeitung
von „How Much Can Lay Peoplc Do?" dar. Vf. „ist seit 1960
in der Südafrikanischen Republik in der Seelsorge und in der
pastoralthcorctischen Ausbildung tätig" (11). In der — im
übrigen weithin entbehrlichen — Einführung des Bearbeiters
wird, ausgehend von der Zunahme ökumenischer Kooperation
„auch im Bereich der Praktischen Theologie", eine „vergleichende
Praktische Theologie" gefordert: „jenes Forschungsfeld,
das die Erfahrungen der verschiedenen Kirchen — verschiedener
Konfessionen und verschiedener Länder — miteinander
vergleicht und dadurch für die Praxis der einzelnen Kirchen
fruchtbar macht" (15).

Der 1. Teil trägt die Überschrift: „Ehrenamtliche Laien-
dienstc in der katholischen Kirche und in anderen Kirchen —
eine Bestandsaufnahme" (29). Vor allem Anglikaner und
Methodisten werden zum Vergleich herangezogen. Vf. kommt
zu dem Ergebnis, daß die katholischen Pfarreien viel zu sehr
mit bezahlten Kräften arbeiten. Dies „verdunkelt und verwischt
die Tatsache, daß das Volk die Kirche ist" (38). Sowohl
die Abhängigkeit von auswärtigem Personal als auch die
finanzielle Abhängigkeit hat negative Folgen; letztere „führt
dazu, eine Bettler-Mentalität zu entwickeln" (ebd).

Vf. plädiert deshalb für breite Entwicklung ehrenamtlicher
Dienste nach methodistischem Vorbild, sagt aber andererseits:
„Ehrenamtliche Dienste fordern hauptamtliche Dienste" (47),
denn ehrenamtliche Dienste allein „können eine Verarmung
theologischen Denkens" und „eine .Abkapselung' der Kirche
bewirken" (49). Über eine katholische Gemeinde, die ihm auf
dem richtigen Weg zu sein scheint, berichtet er: „Die Arbeit
des Priesters bezieht sich hauptsächlich auf Verantwortlichenschulung
, in geringerem Maß auf Organisation und Verwaltung
. Seine Einstellung kann durch seine Bemerkung erläutert
werden: .Ich tue das, was andere nicht tun können'" (68). Dazu
zählt Vf. vor allem „Erwachsenenbildung und Dienste an der
Welt" (71).